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Perfekter Retro-Sound

Er gilt als Newcomer des Jahres: Jake Bugg aus Nottingham. Mit gerade einmal 18 Jahren singt er wie ein alter gebrochener Mann, der schon viel erlebt und alles versucht hat. Sein Debütalbum mit kurzen, spartanisch arrangierten Songs schaffte es in England auf Platz 1 der Charts.

Von Ralf Kennel | 28.01.2013
    "Warum denkst du, dass ich wie Bob Dylan klinge?",

    meckert Jake Bugg.

    "Ich mag nicht, wenn man mir sagt, ich würde jemanden kopieren. Natürlich ist Dylan ein Einfluss für mich. Aber es gibt viel bessere Musiker als er."

    Jake Bugg ist brummelig, müde, abgekämpft. Morgens Paris, mittags Köln, tags drauf Berlin. Promostress. Ihn nerven die ständigen Vergleiche mit Bob Dylan, die Fragen nach seinem Look, über seinen Erfolg. In Zeiten von Castingbands und den immer gleichen Sounds aktueller Danceproduktionen überrascht Bugg mit einer Mischung aus Folk, Blues, Rock, Beat und Pop. Seine Helden: Hendrix, Beatles, Oasis, die Everly Brothers und – Donovan:

    "Die waren einfach anders, klangen anders, haben das gemacht, was sie für richtig hielten. Sie haben sich an keinem orientiert. Musiker, die sich an Trends anheften, haben eh keine lange Halbwertszeit. Außerdem haben diese Bands Songs und Texte geschrieben, die direkt aus ihrem Herzen kamen – und das ich das Wichtigste für mich in der Musik."

    Aufgewachsen ist Jacob Edwin Kennedy, wie Jake Bugg mit bürgerlichem Namen heißt, in Nottingham. Eine heruntergekommene Industriestadt, mitten in England, mitten im Nirgendwo. Auch kulturell. Speed Bump City – also Stadt voller Geschwindigkeits-Poller, so nennt der Musiker verächtlich seine Heimat. Im Stadtteil Clifton, wo sich ein Backsteinreihenhaus ans andere reiht hängt die Jugend rum, raucht, trinkt.

    "Nottingham ist eine Kleinstadt, jeder kennt jeden. Ich stamme aus dem Arbeiterstadtteil Clifton – dort gibt es nicht viel zu tun. Aber so ist es nun mal. In solch einer Umgebung werden viele Jugendliche in England groß. Das ist nichts Ungewöhnliches."

    Mit zwölf fängt er an Gitarre zu spielen, als er 17 ist, holt ihn die BBC auf die Newcomer-Bühne des berühmten Glastonbury-Festivals– obwohl er noch kein Album veröffentlicht hat. Kurz danach benutzt eine britische Brauerei seinen "Country Song" für einen Werbespot.

    Auf seinem Debütalbum sucht und findet Jake Bugg die Seele seiner Musik in der Vergangenheit. Er hat den Blues, singt wie ein alter gebrochener Mann, der schon viel erlebt und alles versucht hat. Die Songs sind kurz, einfach, meist spartanisch arrangiert.

    "Einige Künstler tendieren dazu, drei Akkorde zu benutzen, obwohl ein einziger reicht."

    Beim Hören seiner Songs fühlt man sich direkt in die 60er-Jahre versetzt. Auch produktionstechnisch setzt Jake Bugg auf analoges Equipment und traditionsbewusste Aufnahmen. Im Hintergrund knarrt ein Hocker, eine Schallplatte knistert.

    Auf dem Cover des Albums wird Jake Bugg lässig und cool in Szene gesetzt. Der Gitarrenkoffer in der einen, die Zigarette in der anderen Hand steht der Teenager einsam und verlassen in einer typisch-englischen Straße mit Backsteingebäuden. Das Foto natürlich in schwarz-weiß gehalten. Retro-Sound – Retrolook. Selbst sein Haarschnitt erinnert an die 60er-Jahre.

    Als sein Album bis auf Platz 1 der britischen Charts geklettert, huldigen ihn die Fans mit einem Banner am Rathaus seiner Heimatstadt: "Wir sind stolz auf dich, Jake". Relativ ungerührt gibt er sich im Interview. Trotzdem spürt man, dass Jake Bugg durchaus stolz auf das Erreichte ist:

    "Ich freue mich wirklich, dass die Stadt stolz auf mich ist – und mich unterstützt. Aber ehrlicherweise interessieren mich Ruhm und die vielen Komplimente überhaupt nicht. Mir ist es nur wichtig, dass die Menschen mir die Möglichkeit geben, mir meinen Traum zu erfüllen."