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Persönliches Sponsoring
Kristoffersens Recht auf den eigenen Kopf

Der Norweger Henrik Kristoffersen ist auf der Skipiste der größte Konkurrent des Österreichers Marcel Hirschers im Kampf um den Gesamtweltcup. In der Heimat kämpft er mit dem norwegischen Skiverband um Geld - 1,6 Millionen Euro fordert der 24-Jährige als Schadensersatz.

Von Heinz Peter Kreuzer | 18.11.2018
    Henrik Kristoffersen beim Slalom in Levi
    Henrik Kristoffersen beim Slalom in Levi (Markku Ulander/Lehtikuva/dpa/picture-alliance)
    "Die beiden sins eine Klasse für sich. Marcel Hirscher und Henrik Kristoffersen, neun Hundertstel entscheiden da. Und wieder muss der Norweger gratulieren dem Österreicher, meine Güte."
    Aber die Sportler dieser Welt dürfen Henrik Kristoffersen gratulieren. So bewertet der Sportrechtsexperte Mark E. Orth das Urteil im Fall Kristoffersen: "Die Entscheidung des EFTA-Gerichtshofes ist ein erster Schritt zu einem langen Weg zu mehr Rechten für die Athleten", sagt Orth.
    Der EFTA-Gerichtshof ist das Pendant zum Europäischen Gerichtshof. Hier wird Europäisches Recht nicht nur für die 28 EU-Staaten angewendet, sondern auch für die drei EFTA-Länder Norwegen, Island und Liechtenstein, die zum europäischen Wirtschaftsraum gehören.
    Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit
    Der norwegische Skiverband verweigerte Henrik Kristoffersen die Ausnahmegenehmigung für einen persönlichen Helmsponsor und bestand auf seinen Teamsponsor. Schon in den vergangenen Jahren sorgte die Thematik im Team für böses Blut. 2016 streikte der 24-Jährige sogar. Nach der Klage des Skirennläufers legte das Bezirksgericht Oslo den Fall dem EFTA-Gerichtshof vor.
    Nach Auffassung des EFTA-Gerichtshofes ist es eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, wenn ein Athlet für seine individuellen Sponsoringverträge die Zustimmung des Verbandes einholen muss. Rechtsanwalt Orth erklärt, wann eine Beschränkung rechtens ist:
    "Nachwuchsförderung als Rechtfertigung"
    "Diese Beschränkung kann ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie im Hinblick auf ein höherrangiges Ziel gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Die Erzielung von höheren Einnahmen ist ausdrücklich kein höherrangiges Ziel."
    Dagegen könnte aber die Nachwuchssportförderung eine Rechtfertigung sein. Auch deutsche Sportverbände hatten in der Vergangenheit Beschränkungen für Ihre Athleten damit begründet, dass sie damit solidarische Aufgaben etwa für den Nachwuchssport finanzieren würden.
    "Beruft sich der Sportverband auf die Nachwuchsförderung als Rechtfertigung, muss er ganz konkret darlegen, dass er die Mittel zur Nachwuchsförderung braucht. Es ist nicht ausreichend, wenn er abstrakt sich auf die Nachwuchsförderung beruft", sagt Orth.
    Finanzierung eines persönlichen Servicemanns
    Kristoffersen selbst profitierte noch nicht einmal vom Nachwuchssystem. Am Ende habe ihm der Verband erst geholfen, als dieser Geld mit ihm verdient habe. Der Skirennläufer betont jedoch, es gehe ihm weniger ums Geld als um die Dienstleistungen des Sponsors. Seinem großen Konkurrent Marcel Hirscher wird vom österreichischen Verband ein von Sponsoren finanziertes persönliches Team aus Trainern, Physiotherapeuten und Servicemännern zugestanden. Hirscher beschreibt die enorme Unterstützung, aber auch die Abhängigkeit von seinen Helfern:
    "Ich bin extrem dankbar für die Loyalität hier und den Einsatz. Sie müssen schon arg gescheit hinlangen. Das ist gar keine Frage und sie stehen halt auch unter diesem Druck. Angenommen, die Serviceleute, wenn die einen schlechten Tag haben, kann ich meinen besten haben, da geht gar nichts."
    Das Bild zeigt Österreichs Ski-Star Marcel Hirscher beim Weltcup Riesenslalom in Kranjska Gora, Slowenien, in Aktion.
    Österreichs Ski-Star Marcel Hirscher beim Weltcup Riesenslalom in Kranjska Gora, Slowenien, in Aktion. (dpa-Bildfunk / apa / Johann Groder)
    Kristoffersen wäre schon froh, wenn er über seinen Sponsor einen persönlichen Servicemann finanzieren könnte. Die Situation kann sich nach dem Urteil nun verbessern. Für die Entscheidung zu Gunsten der Athleten hat auch die Europäische Kommission in der mündlichen Verhandlung vor dem EFTA Gerichtshof wichtige Impulse gegeben. Nach ihrer Auffassung gibt es verhältnismäßigere Lösungen als die bisher geübte Praxis. Beispielsweise eine generelle Zulassung von Individualsponsoring verbunden mit Zahlungen der Athleten in einen Solidaritätsfond des Verbandes.
    Der Kampf geht weiter
    Einen ähnlichen Fall verhandelt auch das Bundeskartellamt in Sachen Werbebeschränkungen des Internationalen Olympischen Komitees für Athleten vor, während und nach den Olympischen Spielen, auch unter dem Schlagwort Regel 40 bekannt. Jurist Mark E. Orth sagt:
    "Anders als im Kristoffersen-Fall ist dort aber das Kartellrecht und nicht die Grundfreiheiten der Maßstab. Beim Bundeskartellamt dürfte der Maßstab für die Verbände noch strenger ausfallen, weil das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung berücksichtigt, ob man Ausweichalternativen hat. Genau diese Ausweichalternativen fehlen aber für den Athleten, der einem monopolistischen Verband gegenübersteht."
    Henrik Kristoffersen hat mit seiner Klage einen wichtigen Erfolg erreichen können. Aber erst das Bezirksgericht Oslo wird über seinen Schadensersatz entscheiden. Die Forderung von 1,6 Millionen Euro orientiert sich an der Höhe der entgangenen Sponsoringgelder. Und der Kampf um die Rechte der Athleten geht weiter.
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