Dirk Müller: Viel zu wenig Naturwissenschaftler und Ingenieure. Viel zu wenig Mediziner und auch zu wenig Lehrer. Insgesamt zu wenig Akademiker, gerade im internationalen Vergleich. Nur Griechenland, Slowenien und die Türkei sind schlechter. Auch das ist geblieben. Nach wie vor investiert Deutschland weniger in Schulen und in Unis als die meisten anderen Industrienationen. Die deutsche Wirtschaft fordert nun von der Politik deutlich mehr Anstrengungen. Auch dies wieder einmal ein vernichtendes Urteil insgesamt der OECD über das deutsche Bildungssystem. - Darüber sprechen wollen wir nun mit dem Publizisten, Buchautoren und früheren Schulleiter des Eliteinternats Salem, Bernhard Bueb. Guten Morgen!
Bernhard Bueb: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Bekommen wir immer wieder diese Ohrfeigen, weil wir in Wirklichkeit gar nichts verändern?
Bueb: Ja, so könnte man das sagen. Oder wir verändern das falsche. Wir verändern immer Strukturen und wir verändern nicht die Personen, die die Strukturen mit Leben füllen müssen. Ich bin der Meinung, die Zentrale, der Angelpunkt aller Bildung und Erziehung ist die Person des Lehrers und für den wird nichts getan. Man verändert die Schulsysteme, man schafft Gesamtschulen, will das dreigliedrige Schulsystem ändern und so weiter und verändert den akademischen Unterricht, aber die Lehrer müssten sich ändern.
Müller: Jetzt haben wir aber immer gedacht, Strukturen zu verändern sei gut.
Bueb: Das ist gut, aber nur, wenn gleichzeitig eine Veränderung der Personen einher geht, die diese Strukturen mit Leben füllen sollen.
Müller: Und kann man in freien Gesellschaften Personen verändern?
Bueb: Ja. Sie können ihre Bedingungen verändern, unter denen sie arbeiten. Sie können die Ausbildung verändern, die Fortbildung. Sie können vor allem dafür sorgen, dass Lehrer in den Genuss von Führung kommen. Das ist ja eine meiner Thesen, dass der Lehrerberuf der einzige angestellte Beruf ist, der auf Führung verzichten muss. Führung heißt ja, wenn ich das mal sagen darf, dass der führend Tätige den ihm anvertrauten in seinem Selbstwertgefühl stärken soll, Ziele vereinbaren und kontrollieren soll, ob er diese Ziele erreicht, um dann loben und kritisieren zu können.
Müller: Das müssen Sie uns, Herr Bueb, noch einmal erklären. Warum fehlt Führung?
Bueb: Die fehlt deswegen, weil Schulleitungspositionen in Deutschland als Verwaltungspositionen definiert sind. Ich nenne Schulleiter "Könige ohne Land". Sie haben keine Führungsinstrumente. Sie können nicht kontrollieren, was ein Lehrer tut, nur Formalien, ob er zu spät kommt oder die notwendige Zahl von Klassenarbeiten schreibt. Aber im Kerngeschäft, im Unterricht ist der Lehrer autonom. Ein Lehrer kann 30 Jahre lang schlechten Unterricht geben, ihn selber für gut halten, und ein Schulleiter kann nichts machen.
Müller: Dann bräuchten wir vielleicht so etwas wie einen internationalen Sicherheitsrat, der auch Sanktionen aussprechen kann?
Bueb: Nein. Es geht ja zunächst gar nicht um Sanktionen, sondern um Anerkennung. Den deutschen Lehrern fehlt die Anerkennung ihrer Arbeit. Niemand nimmt ihre Arbeit wahr, denn die primäre Aufgabe eines führend Tätigen ist, anzuerkennen, wahrzunehmen, Wegweiser zu sein, zu loben und zu kritisieren, um daraus Folgerungen für die weitere Arbeit zu ziehen. Das Hauptziel von Kontrolle ist ja, demjenigen, der kontrolliert wird, eine Möglichkeit zu geben, sich selbst einzuschätzen.
Müller: Fehlt die Anerkennung, weil viele aus der eigenen Erfahrung von der Schule enttäuscht sind?
Bueb: Nein. Ich glaube, dass das nicht der Grund ist. Dass viele in Deutschland von der Schule enttäuscht sind liegt daran, dass in Deutschland Schule mehr als Pflicht angesehen wird und nicht in einem Atemzug mit Glück genannt wird, im Gegensatz zum Beispiel zu Amerika. Aber ich glaube, dass viele Lehrer resigniert sind oder ausgebrannt, weil sie nicht wahrgenommen werden, weil ihre Arbeit nicht anerkannt wird, und das muss sich ändern. Das ist übrigens ein uraltes Problem, das ist gar nicht sehr neu.
Müller: Herr Bueb, nicht anerkannt von den Schülern?
Bueb: Nein, vom Schulleiter. Wissen Sie, wir alle ringen doch um Anerkennung. Wir wollen Anerkennung gewinnen von denen, die uns vorgesetzt sind, von Autoritäten, von Leuten, die uns wichtig sind. Ein Erwachsener kann nicht nur von der Anerkennung von Kindern leben und diese Anerkennung ist ja auch wankelmütig, denn Kinder verteilen ihre Anerkennung auch ein bisschen nach Launen, auch je nachdem ob der Lehrer beliebt ist oder nicht, aber nicht notwendig immer danach, ob er kompetent ist. Diese Anerkennung kann er nur kriegen von einem Schulleiter und der Schulleiter kann ihm die nicht gewähren, weil er gar nicht weiß, was im Unterricht vor sich geht.
Müller: Anerkennung durch Worte fordern Sie, oder muss es tatsächlich etwas Konkretes geben, beispielsweise ein Punktesystem?
Bueb: Ich bin der Meinung, dass zunächst mal der Schulleiter ein Instrument haben muss oder eine Möglichkeit, überhaupt zu wissen, was im Unterricht vor sich geht. Ein Schulleiter weiß ja vom Unterricht nur vom Hörensagen, nämlich was die Schüler zufälligerweise Eltern oder Mitarbeitern gegenüber äußern. Also ein sehr unzureichendes und ungerechtes Urteil, was er sich bildet. Und dann müsste er auch natürlich Belohnungen verteilen können. Das kann er ja gar nicht. Ein Schulleiter kann nicht mal einen Lehrer zum Abendessen einladen, wenn er das nicht auf eigene Kosten tut. Er kann auch keine Sanktionen aussprechen. Dazu muss er sich an die Behörde wenden und dokumentieren, was der Lehrer falsch gemacht hat. Und ich schlage ja auch ein Instrument vor, mit dem man bessere Erkenntnisse über den Unterricht gewinnen könnte. Soll ich das kurz beschreiben?
Müller: Bitte!
Bueb: Und zwar bin ich der Meinung, es sollte einmal im Jahr jeder Schüler einen Fragebogen ausfüllen, in dem die Qualität des Unterrichts des Lehrers abgefragt wird. Den sollte er unterschreiben, also nicht anonym, und der geht an den Schulleiter. Der Schulleiter sollte einmal im Jahr ein Gespräch mit dem Lehrer führen und er hat eine Grundlage, eine sehr gute Grundlage, aufgrund deren er das Gespräch führen kann. Dann kann er ihn loben. Viele Schulleiter werden feststellen, dass sie gar nicht wissen, was für Wunderbares im Unterricht geschieht, was ihnen entgeht. Er kann aber auch kritisieren und Hilfe anbieten. Das ist ja seine erste Aufgabe.
Müller: Nun waren Sie, Herr Bueb, ja auch viele, viele Jahre lang Schulleiter im Eliteinternat Schloss Salem. Was haben Sie gemacht, um Ihre Kollegen zu loben?
Bueb: Was sehr wichtig ist für einen Schulleiter ist, dass er nicht nur in formellen Gesprächen lobt, sondern dass er versucht, immer wieder zu erfahren, was macht ein Lehrer Gutes, und ihn dann auch zwischendurch immer wieder darauf anspricht und sagt, ich habe gehört, sie haben dieses und jenes gemacht, fabelhaft und so weiter und so fort. Denn die Anerkennung der Arbeit ist ungeheuer wichtig für die Menschen, ganz zentral.
Müller: Was machen Sie mit schlechten Lehrern?
Bueb: Ja, eine große Frage. Bei schlechten Lehrern muss man zunächst einmal genau wissen, was ist schlecht in ihrem Unterricht, was sehr schwer zu erkennen ist auch an einer Privatschule, weil man eben nur die indirekten Auskünfte der Schüler hat. Und dann muss man ein Gespräch mit ihm führen, kritisieren, ihm Hilfe anbieten, damit er sich ändern kann. Und wenn er die Hilfe nicht annimmt und sich nicht bessert, dann muss man ihn wegschicken, dann muss man ihn entlassen.
Müller: Hat ein schlechter Lehrer etwas mit der Ausbildung an der Uni zu tun?
Bueb: Nur bedingt. Ich glaube, dass die sehr theoretische Ausbildung an der Universität immer wieder korrigiert werden kann durch Praxiserfahrung. Aber es gibt Lehrer, die wissen, wenn sie ihr Studium auf der Uni abgeschlossen haben immer noch nicht, ob sie als Lehrer geeignet sind und machen die ersten Erfahrungen dann im Unterricht. Das ist eigentlich zu spät.
Müller: Die Persönlichkeit ist wichtiger als der Inhalt?
Bueb: Die Persönlichkeit ist wichtiger als der Inhalt und Lehrer müssen vor allem Kinder mögen. Sie müssen Kinder akzeptieren. Sie müssen den Beruf akzeptieren und sie müssen bereit sein, nicht nur Wissen vermitteln zu wollen, sondern auch erziehen zu wollen. Sie müssen also eine Art pädagogischen Eros haben, hätte man früher gesagt.
Müller: Müssen sie auch neugierig sein, Enthusiasmus, Leidenschaft mitbringen?
Bueb: Ja. Sie sollten Kinder begeistern können. Lehrer sollten in hohem Maße emotional unterrichten. Es geht nicht nur darum, didaktisch das Material sehr gut aufzubereiten, sondern Emotionen in den Kindern auszulösen und Begeisterung für eine Sache. Das ist ganz stark von der Persönlichkeit des Lehrers abhängig.
Müller: Wie können, wie wollten Sie das als Schulleiter denn beispielsweise bei der Einstellung, wenn Sie die Wahl hätten, feststellen?
Bueb: Das ist sehr schwierig. Das ist eine der schwierigsten Aufgaben, bei der Bewerbung eines Lehrers herauszufinden, ob er für die Tätigkeit geeignet ist oder nicht. Sie können es eigentlich erst nach einem halben oder dreiviertel Jahr feststellen, ob er dafür geeignet ist, und dann müssen sie ihn sehr, sehr genau begleiten, um das zu erfahren. Hier ist wiederum das große Problem: Wie erfahren sie, was im Unterricht geschieht. Das ist für mich der zentrale Mangel am deutschen Schulsystem, dass Schulleiter keinen Einblick in den Unterricht gewinnen können. Sie können natürlich Unterrichtsbesuche machen, aber schon durch den Eintritt in die Klasse verfälscht der Schulleiter die Situation.
Müller: "Von der Pflicht zu führen - Neun Gebote der Bildung", das neue Buch von Bernhard Bueb. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Bernhard Bueb: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Bekommen wir immer wieder diese Ohrfeigen, weil wir in Wirklichkeit gar nichts verändern?
Bueb: Ja, so könnte man das sagen. Oder wir verändern das falsche. Wir verändern immer Strukturen und wir verändern nicht die Personen, die die Strukturen mit Leben füllen müssen. Ich bin der Meinung, die Zentrale, der Angelpunkt aller Bildung und Erziehung ist die Person des Lehrers und für den wird nichts getan. Man verändert die Schulsysteme, man schafft Gesamtschulen, will das dreigliedrige Schulsystem ändern und so weiter und verändert den akademischen Unterricht, aber die Lehrer müssten sich ändern.
Müller: Jetzt haben wir aber immer gedacht, Strukturen zu verändern sei gut.
Bueb: Das ist gut, aber nur, wenn gleichzeitig eine Veränderung der Personen einher geht, die diese Strukturen mit Leben füllen sollen.
Müller: Und kann man in freien Gesellschaften Personen verändern?
Bueb: Ja. Sie können ihre Bedingungen verändern, unter denen sie arbeiten. Sie können die Ausbildung verändern, die Fortbildung. Sie können vor allem dafür sorgen, dass Lehrer in den Genuss von Führung kommen. Das ist ja eine meiner Thesen, dass der Lehrerberuf der einzige angestellte Beruf ist, der auf Führung verzichten muss. Führung heißt ja, wenn ich das mal sagen darf, dass der führend Tätige den ihm anvertrauten in seinem Selbstwertgefühl stärken soll, Ziele vereinbaren und kontrollieren soll, ob er diese Ziele erreicht, um dann loben und kritisieren zu können.
Müller: Das müssen Sie uns, Herr Bueb, noch einmal erklären. Warum fehlt Führung?
Bueb: Die fehlt deswegen, weil Schulleitungspositionen in Deutschland als Verwaltungspositionen definiert sind. Ich nenne Schulleiter "Könige ohne Land". Sie haben keine Führungsinstrumente. Sie können nicht kontrollieren, was ein Lehrer tut, nur Formalien, ob er zu spät kommt oder die notwendige Zahl von Klassenarbeiten schreibt. Aber im Kerngeschäft, im Unterricht ist der Lehrer autonom. Ein Lehrer kann 30 Jahre lang schlechten Unterricht geben, ihn selber für gut halten, und ein Schulleiter kann nichts machen.
Müller: Dann bräuchten wir vielleicht so etwas wie einen internationalen Sicherheitsrat, der auch Sanktionen aussprechen kann?
Bueb: Nein. Es geht ja zunächst gar nicht um Sanktionen, sondern um Anerkennung. Den deutschen Lehrern fehlt die Anerkennung ihrer Arbeit. Niemand nimmt ihre Arbeit wahr, denn die primäre Aufgabe eines führend Tätigen ist, anzuerkennen, wahrzunehmen, Wegweiser zu sein, zu loben und zu kritisieren, um daraus Folgerungen für die weitere Arbeit zu ziehen. Das Hauptziel von Kontrolle ist ja, demjenigen, der kontrolliert wird, eine Möglichkeit zu geben, sich selbst einzuschätzen.
Müller: Fehlt die Anerkennung, weil viele aus der eigenen Erfahrung von der Schule enttäuscht sind?
Bueb: Nein. Ich glaube, dass das nicht der Grund ist. Dass viele in Deutschland von der Schule enttäuscht sind liegt daran, dass in Deutschland Schule mehr als Pflicht angesehen wird und nicht in einem Atemzug mit Glück genannt wird, im Gegensatz zum Beispiel zu Amerika. Aber ich glaube, dass viele Lehrer resigniert sind oder ausgebrannt, weil sie nicht wahrgenommen werden, weil ihre Arbeit nicht anerkannt wird, und das muss sich ändern. Das ist übrigens ein uraltes Problem, das ist gar nicht sehr neu.
Müller: Herr Bueb, nicht anerkannt von den Schülern?
Bueb: Nein, vom Schulleiter. Wissen Sie, wir alle ringen doch um Anerkennung. Wir wollen Anerkennung gewinnen von denen, die uns vorgesetzt sind, von Autoritäten, von Leuten, die uns wichtig sind. Ein Erwachsener kann nicht nur von der Anerkennung von Kindern leben und diese Anerkennung ist ja auch wankelmütig, denn Kinder verteilen ihre Anerkennung auch ein bisschen nach Launen, auch je nachdem ob der Lehrer beliebt ist oder nicht, aber nicht notwendig immer danach, ob er kompetent ist. Diese Anerkennung kann er nur kriegen von einem Schulleiter und der Schulleiter kann ihm die nicht gewähren, weil er gar nicht weiß, was im Unterricht vor sich geht.
Müller: Anerkennung durch Worte fordern Sie, oder muss es tatsächlich etwas Konkretes geben, beispielsweise ein Punktesystem?
Bueb: Ich bin der Meinung, dass zunächst mal der Schulleiter ein Instrument haben muss oder eine Möglichkeit, überhaupt zu wissen, was im Unterricht vor sich geht. Ein Schulleiter weiß ja vom Unterricht nur vom Hörensagen, nämlich was die Schüler zufälligerweise Eltern oder Mitarbeitern gegenüber äußern. Also ein sehr unzureichendes und ungerechtes Urteil, was er sich bildet. Und dann müsste er auch natürlich Belohnungen verteilen können. Das kann er ja gar nicht. Ein Schulleiter kann nicht mal einen Lehrer zum Abendessen einladen, wenn er das nicht auf eigene Kosten tut. Er kann auch keine Sanktionen aussprechen. Dazu muss er sich an die Behörde wenden und dokumentieren, was der Lehrer falsch gemacht hat. Und ich schlage ja auch ein Instrument vor, mit dem man bessere Erkenntnisse über den Unterricht gewinnen könnte. Soll ich das kurz beschreiben?
Müller: Bitte!
Bueb: Und zwar bin ich der Meinung, es sollte einmal im Jahr jeder Schüler einen Fragebogen ausfüllen, in dem die Qualität des Unterrichts des Lehrers abgefragt wird. Den sollte er unterschreiben, also nicht anonym, und der geht an den Schulleiter. Der Schulleiter sollte einmal im Jahr ein Gespräch mit dem Lehrer führen und er hat eine Grundlage, eine sehr gute Grundlage, aufgrund deren er das Gespräch führen kann. Dann kann er ihn loben. Viele Schulleiter werden feststellen, dass sie gar nicht wissen, was für Wunderbares im Unterricht geschieht, was ihnen entgeht. Er kann aber auch kritisieren und Hilfe anbieten. Das ist ja seine erste Aufgabe.
Müller: Nun waren Sie, Herr Bueb, ja auch viele, viele Jahre lang Schulleiter im Eliteinternat Schloss Salem. Was haben Sie gemacht, um Ihre Kollegen zu loben?
Bueb: Was sehr wichtig ist für einen Schulleiter ist, dass er nicht nur in formellen Gesprächen lobt, sondern dass er versucht, immer wieder zu erfahren, was macht ein Lehrer Gutes, und ihn dann auch zwischendurch immer wieder darauf anspricht und sagt, ich habe gehört, sie haben dieses und jenes gemacht, fabelhaft und so weiter und so fort. Denn die Anerkennung der Arbeit ist ungeheuer wichtig für die Menschen, ganz zentral.
Müller: Was machen Sie mit schlechten Lehrern?
Bueb: Ja, eine große Frage. Bei schlechten Lehrern muss man zunächst einmal genau wissen, was ist schlecht in ihrem Unterricht, was sehr schwer zu erkennen ist auch an einer Privatschule, weil man eben nur die indirekten Auskünfte der Schüler hat. Und dann muss man ein Gespräch mit ihm führen, kritisieren, ihm Hilfe anbieten, damit er sich ändern kann. Und wenn er die Hilfe nicht annimmt und sich nicht bessert, dann muss man ihn wegschicken, dann muss man ihn entlassen.
Müller: Hat ein schlechter Lehrer etwas mit der Ausbildung an der Uni zu tun?
Bueb: Nur bedingt. Ich glaube, dass die sehr theoretische Ausbildung an der Universität immer wieder korrigiert werden kann durch Praxiserfahrung. Aber es gibt Lehrer, die wissen, wenn sie ihr Studium auf der Uni abgeschlossen haben immer noch nicht, ob sie als Lehrer geeignet sind und machen die ersten Erfahrungen dann im Unterricht. Das ist eigentlich zu spät.
Müller: Die Persönlichkeit ist wichtiger als der Inhalt?
Bueb: Die Persönlichkeit ist wichtiger als der Inhalt und Lehrer müssen vor allem Kinder mögen. Sie müssen Kinder akzeptieren. Sie müssen den Beruf akzeptieren und sie müssen bereit sein, nicht nur Wissen vermitteln zu wollen, sondern auch erziehen zu wollen. Sie müssen also eine Art pädagogischen Eros haben, hätte man früher gesagt.
Müller: Müssen sie auch neugierig sein, Enthusiasmus, Leidenschaft mitbringen?
Bueb: Ja. Sie sollten Kinder begeistern können. Lehrer sollten in hohem Maße emotional unterrichten. Es geht nicht nur darum, didaktisch das Material sehr gut aufzubereiten, sondern Emotionen in den Kindern auszulösen und Begeisterung für eine Sache. Das ist ganz stark von der Persönlichkeit des Lehrers abhängig.
Müller: Wie können, wie wollten Sie das als Schulleiter denn beispielsweise bei der Einstellung, wenn Sie die Wahl hätten, feststellen?
Bueb: Das ist sehr schwierig. Das ist eine der schwierigsten Aufgaben, bei der Bewerbung eines Lehrers herauszufinden, ob er für die Tätigkeit geeignet ist oder nicht. Sie können es eigentlich erst nach einem halben oder dreiviertel Jahr feststellen, ob er dafür geeignet ist, und dann müssen sie ihn sehr, sehr genau begleiten, um das zu erfahren. Hier ist wiederum das große Problem: Wie erfahren sie, was im Unterricht geschieht. Das ist für mich der zentrale Mangel am deutschen Schulsystem, dass Schulleiter keinen Einblick in den Unterricht gewinnen können. Sie können natürlich Unterrichtsbesuche machen, aber schon durch den Eintritt in die Klasse verfälscht der Schulleiter die Situation.
Müller: "Von der Pflicht zu führen - Neun Gebote der Bildung", das neue Buch von Bernhard Bueb. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.