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Persönlichkeitveränderungen nach Tiefenhirnstimulation

Vor allem Bewegungsstörungen erschweren Menschen mit Parkinson das Alltagsleben. Medikamente helfen oftmals nur eine zeitlang. Deswegen entscheiden sich viele Patienten für eine Operation: die sogenannte Tiefe Hirnstimulation. Allerdings hat das Verfahren Nebenwirkungen.

Von Martin Winkelheide |
    Mit der Zeit wirken Parkinson-Medikamente immer schwächer, und die Bewegungsprobleme werden wieder stärker. Einige Patienten entscheiden dann, sich operieren zu lassen, sich einen Tiefen Hirnstimulator einsetzen zu lassen.

    "Ja, was erhoffe ich? Hilfe. Dass das Zittern weg ist, dass ich halbwegs wieder wie ein normaler Mensch durch die Landschaft laufen kann."

    Es ist eine aufwendige Operation. Ärzte bohren zunächst ein Loch in die Schädeldecke. Dann werden auf einem genau berechneten Weg zwei Elektroden in das Gehirn geschoben, bis hin zu einer kleinen Struktur, kaum größer als eine Kaffeebohne: dem nucleus subthalamicus.

    "Auf dem Rechner kann man jetzt die Einzelzellphänomene, die Feuerrate der Nervenzellen auf jeweils diesen Ableitelektroden, die in jeweils 1,5, Millimeter Abstand sind, ablesen."

    Dann wird in den Brustraum ein kleines Gerät eingesetzt – ähnlich einem Herzschrittmacher. Es gibt schwache elektrische Impulse ab an die Elektroden. Die Reizung der speziellen Gehirnregion soll die Beweglichkeit von Parkinson-Patienten wieder verbessern.

    "Die tiefe Hirnstimulation ist zwar ein sehr präziser Eingriff, an einer mini-mäßigen Stelle im Gehirn, ..."

    Aber das Gehirn selber ist ein sehr komplexes Organ und umfangreich verschaltet, sagt Prof. Christiane Woopen von der Forschungsstelle Ethik der Universität zu Köln.

    "Das heißt, diese eine Stelle ist gekoppelt mit vielen anderen Stellen im Gehirn, sodass man nicht davon ausgehen kann, dass man an dem Ort wirklich nur eine Funktion trifft, sondern immer davon ausgehen muss, dass auch andere Bereiche des menschlichen Daseins, des menschlichen Funktionierens betroffen sind."

    Gemeinsam mit Kollegen in Kanada hat sie erstmals Parkinson-Patienten und deren Angehörige ausführlich nach den Folgen des Eingriffs befragt.
    Jeder dritte Patient sagte: Die Tiefe Hirnstimulation verändert nicht allein die Bewegungsfähigkeit, sie verändert auch die Persönlichkeit – mal zum Schlechten, mal zum Guten.

    "Patienten sagen zum Beispiel, dass sie sehr viel selbstsicherer geworden sind, dass sie motivierter geworden sind, kommunikationsfreudiger, euphorischer. Aber sie sagen eben, um mal die negative Seite auch zu beleuchten, dass sie depressiver geworden sind, unsicherer, aggressiver, manchmal kommen sogar beide Elemente vor, aber es ist im einzelnen möglich, dass es sich sowohl zum Positiven als auch zum Negativen entwickelt."

    Bei den Angehörigen hat sogar jeder zweite den Eindruck, dass sich die Persönlichkeit eines Patienten nach dem Eingriff verändert hat.

    "Das war die interessante Beobachtung, dass sich bei einigen Paaren tatsächlich die Einschätzung so sehr unterscheidet. Und zwar in allen Richtungen."

    Viele Patienten, sagt Christiane Woopen, sind vor der Operation auf Hilfe angewiesen und Betreuung durch den Partner. Mit dem Eingriff gewinnen

    "Manche Angehörige genießen das und schätzen das, und die Partnerschaft entwickelt sich noch mal auf neue Weise ganz kreativ, andere Angehörige kommen damit nicht zurecht oder auch die Patienten selber nicht, und die Partnerschaft steht vor Problemen."

    Ärzte müssen besser über mögliche Persönlichkeitsveränderungen aufklären – und zwar vor der Operation, fordert Christiane Woopen. Und sie dürfen Angehörige und Patienten nach der Operation nicht alleine lassen.

    "Da muss auch die Medizin aus meiner Sicht Angebote machen, um diese Paare zu begleiten."

    Die Studie, sagt Pof. Lars Timmermann von der Neurologischen Universitätsklinik Köln, hilft auch, im Vorfeld genauer abzuschätzen, bei welchen Patienten mit starken Persönlichkeitsveränderungen zu rechnen ist, zum Beispiel einer bipolaren Störung.

    "Wir können Risikoprofile für Patienten erstellen, und sagen: Das ist jemand, der ein besonders hohes Risiko hat, zum Beispiel nach einer Operation einen manischen Zustand zu entwickeln, und vielleicht ein anderer Patient, der ein geringes Risiko hat. Oder wir sagen tatsächlich: Ihr Risiko erscheint uns so hoch, lassen Sie uns lieber auf alternative Therapieformen ausweichen."

    Besondere Vorsicht ist seiner Ansicht nach geboten, wenn Tiefen Hirnstimulatoren eingesetzt werden, um psychiatrische Erkrankungen zu lindern. Schwere Zwangserkrankungen oder Depressionen sollten zunächst nur im Rahmen von klinischen Studien behandelt werden, sagt Lars Timmermann.

    "Damit wir eine gute Evidenz haben, bevor das Ganze in die Routine übernommen wird."