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Personalspekulationen bei der Telekom

    Engels: Am Telefon begrüße ich Klaus Nieding, Geschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Herr Nieding, was denken Sie, ist das heute Ron Sommers letzter Arbeitstag als Vorstandschef der Deutschen Telekom?

    Nieding: Na ja, die Aktionäre und der Kapitalmarkt würden sich das natürlich so wünschen. Sie haben gesehen, wie der Kurs reagiert hat auf die Ankündigung, dass man über eine Ablösung von Herrn Sommer endlich nachdenkt. Der Kurs ist nach oben gegangen. Der Kapitalmarkt traut es diesem Vorstandsvorsitzenden Ron Sommer jedenfalls nicht mehr zu, die Dinge zu richten und das Steuer bei der Telekom herumzureißen. Andrerseits muss man sagen: In dem Maße, wie der Aufsichtsrat im Vorfeld unprofessionell reagiert hat, in dem Maße hat das Unternehmen auch Schaden genommen. Und natürlich ist deswegen die Ablösung von Herrn Sommer heute leider fraglich.

    Engels: Gestern ging es ja nun aber abwärts mit dem Kurs der T-Aktie, um bis zu 14 Prozent. Ist das nicht so, dass da das Hick Hack unterdessen so schlimm geworden ist, dass ein Verbleib von Sommer im Amt, fast eine Stärke und Unabhängigkeit gegenüber dem politischen Einfluss, auch wieder eine gute Wirkung haben könnte?

    Nieding: Nein, es hat mit Sicherheit keine gute Wirkung auf den Aktienkurs, um es klar zu sagen. Das wäre im Grunde eine Resignation, und der Aktienkurs wird dann sicherlich erneut nach unten tendieren. Die Kursentwicklung von gestern ist darauf zurückzuführen, dass die Kapitalmärkte natürlich die Unprofessionalität des Vorgehen, einerseits des Aufsichtsrates, andrerseits der durchsichtigen wahlkampftaktischen Manöver der Bundesregierung entsprechend "honoriert".

    Engels: Könnte das denn der als Gegenkandidat gehandelte Technik-Vorstand Gerd Tenzer, der ein altgedientes SPD-Mitglied ist, besser machen?

    Nieding: Aus unserer Sicht ist Herr Tenzer lediglich eine Übergangslösung. Was der Konzern jetzt wirklich braucht, ist ein Sanierungsfachmann, ein Finanzfachmann, der in der Lage ist, in überschaubarer Zeit die enorme Schuldenlast von über 65 Milliarden Euro abzubauen, der in der Lage ist, Teilbereiche des Konzerns auf den Prüfstein zu stellen, Akquisitionen, die getätigt worden sind, nochmals zu überdenken. So ein Mann muss jetzt her, und da ist sicherlich Herr Tenzer nicht der geeignete, bei allem Respekt vor seiner technischen Leistung.

    Engels: Wollen Sie sich auch an der Personalspekulation beteiligen, wer so etwas könnte?

    Nieding: Nein, das ist nicht die Aufgabe der Aktionäre. Die Aktionäre stehen nur da und staunen im negativen Sinne wie der gesamte Kapitalmarkt ob der Unprofessionalität, die dort an den Tag gelegt wird. Der Aufsichtsratsvorsitzende und der Aufsichtsrat selber sind gefordert. Das Aufsichtsratspräsidium ist in der Pflicht. Aus unserer Sicht ist schon längst die Zeit gekommen, wo man nicht nur über die Ablösung des Vorstandsvorsitzenden, sondern auch des Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Winkhaus nachdenken muss. Dieser hat ja noch vor nicht ganz zwei Monaten bei der ordentlichen Hauptversammlung der Telekom angekündigt, dass Herr Sommer sein Mann ist, dass er der beste an der Spitze der Telekom ist, und dass Herr Winkhaus keinerlei Anlass sieht, ihn abzulösen. Keine zwei Monate später, bewirkt durch die Intervention der Bundesregierung, dreht Herr Winkhaus sein Fähnchen im Wind, und plötzlich ist Herr Sommer für ihn nicht mehr tragbar. Das sind alles Dinge, die dort stattfinden, wo man sich nur mit Schaudern abwenden kann, und das wird natürlich auch der Kapitalmarkt tun.

    Engels: Blicken wir nochmals auf den Beginn dieses ganzen Dramas rund um Ron Sommer. Da hat ja wohl wirklich tatsächlich, wie Sie es andeuteten, die Politik den Ball ins Rollen gebracht. Sehen Sie denn eigentlich, dass diese Politik letztendlich für diese Entwicklung verantwortlich ist, oder gab es handfeste wirtschaftliche Gründe, ohnehin Ron Sommer abzulösen?

    Nieding: Wir fordern seit fast zwei Jahren die Ablösung dieses Vorstandsvorsitzenden. Er hat sich als glänzender Aktienverkäufer einen Namen gemacht, aber dass er ein Telekommunikationskonzern auch wirklich operativ gut führen kann, diesen Beweis ist er bis heute schuldig geblieben. Wir haben diverse Fehlentscheidungen unter Herrn Sommer oder von Herrn Sommer auch aufgezeigt. Die Bundesregierung trägt aus meiner Sicht eine ganz deutliche Verantwortung für das Desaster rund um die T-Aktie. Sie müssen sich das so vorstellen: Insbesondere durch die beiden Tranchen hat sich ja Herr Eichel ganz kräftig zulasten der Kleinaktionäre saniert. Die letzte Tranche ist für 66,50 Euro den Leuten verkauft worden. Der Kurs steht heute bei um die 10 Euro. Dann ist T-Online an die Börse gebracht worden. Somit ist wieder Geld in die Kassen der Telekom gekommen. Aber anstatt dieses Geld dort drin zu lassen, ist dann die UMTS-Lizenz versteigert worden mit der Folge, dass die Bundesregierung sich auch dieses Geld aus der Kasse des Konzerns nehmen konnte. Dies alles zeigt, welche große Verantwortung die Bundesregierung neben ihrem 43prozentigen Aktienanteil bei der Telekom trägt. Und dass man jetzt plötzlich, einige Monate vor der Bundestagswahl, ganz hektisch anfängt, einen Nachfolger zu suchen, und Herr Sommer nicht mehr tragbar ist, ist ein völlig durchschaubares Wahlkampfmanöver. Man könnte auch etwas überspitzt sagen: Herr Schröder springt im Augenblick über jedes Stöckchen, was ihm Herr Stoiber hinhält. Und das Ganze führt natürlich dazu, dass dieses Desaster um die Telekom überhaupt erst richtig eskaliert. Normalerweise wird eine Nachfolgersuche in einem Industriekonzern eben ohne solche Wahlkampfhintergedanken getätigt, und das Ganze findet im stillen Kämmerlein statt, und man präsentiert eine Lösung aus einem Guss.

    Engels: Da kommen wir vielleicht doch grundsätzlich auf die Strukturen dieses Unternehmens Deutsche Telekom zu sprechen. Wenn man sich diesen Aufsichtsrat, der ja heute tagt, genau anschaut, dann sieht das, wie es die Financial Times Deutschland nennt, wie ein kleines Bündnis für Arbeit. Da sitzen DGB-Chef Michael Sommer, aber auch der stellvertretende VERDI-Chef Rüdiger Schulze, bis hin zu Arbeitgeberchef Hundt. Ist solche Art von Ämterhäufung und Postenbesetzung gut für ein Unternehmen?

    Nieding: Natürlich nicht. Ämterhäufung und Postenbesetzung nach Proporzgedanken ist ausgesprochen schädlich. Natürlich haben wir im Aktiengesetz die Zweiteilung der Arbeitnehmervertreter und Kapitalvertreter. Aber wir sagen, dass die Selbstbescheidenheit im Sinne von Aufsichtsratsmandaten doch deutlich besser wäre. Wir haben ja jetzt durch die Corporate Governance Regeln eine Reduzierung auf maximal fünf Aufsichtsratsmandate, und jeder sollte sich wirklich überlegen, ob das einzelne Aufsichtsratsmandat, was er annimmt, von ihm überhaupt noch ausgeführt werden kann, ausgefüllt werden kann. Sie wissen, die Aufsichtsräte sind nach dem Aktiengesetz in der Verantwortung, die Unternehmensleitung zu kontrollieren, und nur eigene Kontrolle ist die richtige Kontrolle, nicht die Kontrolle über ein Back-Office. All dies ist natürlich dann nicht mehr gewährleistet, wenn der einzelne Inhaber aufgrund von Proporzgedanken solche Ämter bekommt und womöglich zu viele Ämter hat, um sie richtig auszufüllen.

    Engels: Brauchen wir eine Gesetzesänderung oder nur mehr Mut von der Politik?

    Nieding: Ich denke, wir brauchen vor allen Dingen mal wieder eine Rückbesinnung bei den einzelnen verantwortlichen Personen. Jeder sollte sich mal ganz ernsthaft hinsetzen und überlegen, ob er diese einzelnen Ämter, die er ausübt, die einzelnen Aufsichtsratsmandate auch wirklich ausüben kann. Selbstverständlich brauchen wir Gesetzesänderungen. Wir brauchen endlich Schadenersatzansprüche direkt gegen Vorstände und Aufsichtsräte, um die Herren auch am eigenen Portemonnaie zu packen, wenn Dinge schiefgelaufen sind. Dann wir sich jeder schon selbst überlegen, ob er Aufsichtsratsmandate überhaupt noch in der Fülle annehmen kann, wie sie ihm angetragen werden.

    Engels: Zum Schluss die Frage: Was denken Sie, wie die T-Aktie heute zum Handelsschluss dastehen wird?

    Nieding: Das kommt auf das Ergebnis der Aufsichtsratssitzung an. Wenn man jetzt in dieser Aufsichtsratssitzung die Entscheidung über die Ablösung von Herrn Sommer zunächst einmal auf die lange Bank schiebt, zunächst einmal vertag, sich ja Sommer möglicherweise durchsetzt, dann ist dies eine Kapitulation vor diesem Vorstandsvorsitzenden. Das wird an der Börse sicherlich nicht honoriert. Dann werden die Kurse wieder heruntergehen. Man wird an der Börse dann den Eindruck bekommen, dass es im Grunde genommen weitergeht mit dem lähmenden Stillstand, mit den Durchhalteparolen von Herrn Sommer, und sich nichts wirklich Gravierendes ändert. Der Ruck, den man von der Ablösung eines Vorstandsvorsitzenden hier erwartet, wird nicht eintreten. Dieser wird aber auch nicht eintreten mit der Berufung von Herrn Tenzer zum Vorstandsvorsitzenden. Auch darauf werden die Kurse sicherlich negativ reagieren, weil man am Kapitalmarkt durchaus realisiert hat, dass es sich dabei nur um eine Übergangslösung handelt, das heißt wir werden erst dann wieder steigende Kurse sehen, wenn wirklich der starke Mann präsentiert wird.

    Engels: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio