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Perthes: Drohung mit Sanktionen gegen Iran zeigt Wirkung

Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik bewertet die neue Resolution im UNO-Sicherheitsrat als Basis für künftige Verhandlungen mit dem Iran. Der Sinneswandel Teherans in der Atomfrage sei auch auf die Drohung mit neuen Sanktionen zurückzuführen.

Von Dirk-Oliver Heckmann | 19.05.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Viele werden sich womöglich verwundert die Augen reiben. Erst am Montag war ein Durchbruch bei den Gesprächen über das iranische Atomprogramm erzielt worden. Teheran sei bereit, zumindest einen Teil nuklearen Materials im Ausland anreichern zu lassen, im Gegenzug für nukleare Brennstäbe, die für die friedliche Nutzung der Atomenergie benutzbar sind. Jetzt die Reaktion der internationalen Gemeinschaft. Nach monatelangen Verhandlungen haben die fünf Vetomächte in Abstimmung mit Deutschland eine Resolution in den UNO-Sicherheitsrat eingebracht, die weitere Sanktionen vorsieht wie etwa Handelsbeschränkungen bei Rüstungsprojekten. Auch Bankengeschäfte sollen eingeschränkt werden. – Am Telefon begrüße ich dazu Volker Perthes, den Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Guten Morgen, Herr Perthes.

    Volker Perthes: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Perthes, waren Sie jetzt auch so überrascht davon, dass eine neue Resolution eingebracht wurde in New York?

    Perthes: Nicht ganz so, weil die Diskussionen über diese neue Resolution, einen Resolutionsentwurf, sind ja seit Wochen vonstattengegangen, in New York zwischen den permanenten Repräsentanten der Staaten, die daran beteiligt sind, und der Resolutionsentwurf war offensichtlich vor dem Wochenende bereits fertig. Gleichwohl wollte man nicht unterminieren die Gespräche, die die Türkei und Brasilien in Iran geführt haben, die – und das muss man auseinanderhalten, auch wenn das ein bisschen kompliziert ist – sich natürlich nicht um das eigentliche Atomprogramm des Iran gedreht haben, sondern um ein durchaus wichtiges Detail, nämlich die Frage, ob ein Teil des iranischen Urans ins Ausland geliefert werden kann, um Iran dann mit Brennstäben für seinen Forschungsreaktor zu versorgen.

    Heckmann: Es gab ja dann dieses iranische Angebot zumindest offiziell. Hätte das nicht dazu führen müssen, dass sich die internationale Gemeinschaft, die fünf Vetomächte und auch Deutschland, einer neuen Resolution erst einmal zumindest enthalten und erst mal prüfen, was daran ist?

    Perthes: So sehen das sicherlich die Türken und die Brasilianer. Gleichzeitig, denke ich, zeigt sich hier, dass das Gerede über neue Sanktionen, oder sagen wir mal die Drohung mit neuen Sanktionen durchaus Wirkung gezeigt hat. Es ist häufig wichtiger, zu drohen als tatsächlich hinterher Sanktionen umzusetzen. Jedenfalls hat Iran reagiert, ist auf die türkische und brasilianische Vermittlungsinitiative eingegangen, und jetzt geht es darum, in den nächsten Wochen zu sehen, ob das auch umgesetzt wird, also ob tatsächlich 1200 Kilo iranischen Urans in die Türkei geliefert werden. Das wird das Grundproblem über das iranische Atomprogramm und die Anreicherung und den Verdacht, den man hat, dass dies letztlich militärisch genutzt werden soll, nicht ausräumen, aber es könnte dann tatsächlich, unabhängig davon, ob diese Sanktionsresolution nun abgestimmt wird oder nicht, dazu führen, dass wir mehr Raum haben, mehr Spielraum haben für neue Diplomatie zwischen der internationalen Gemeinschaft und Iran.

    Heckmann: Für wie wahrscheinlich halten Sie es denn, dass es doch zu diesen neuen Sanktionen kommt, und würde sich der Iran, würde sich die Führung dort durch diese Sanktionen vom Atomprogramm abhalten lassen?

    Perthes: Nein. Ich glaube, das wissen wir ziemlich deutlich, dass die Sanktionen eher dazu dienen, im Iran auch das Gefühl zu vermitteln, dass die Regierung, dass der Staat isoliert ist von der Weltgemeinschaft, als dass man tatsächlich erwarten würde, dass durch neue Wirtschaftssanktionen, oder auch durch gezielte Sanktionen gegen die Revolutionsgarden der Iran grundsätzlich einen Kursschwenk in seinem Atomprogramm machen würde und sagen würde, wir verzichten jetzt auf die weitere Anreicherung. Ich glaube, es geht jetzt um zwei Dinge: auf der einen Seite dieser türkisch-brasilianischen Initiative zum Erfolg zu verhelfen, einfach um neuen Spielraum für diplomatische Verhandlungen mit Iran zu schaffen, und auch das Problem des Teheraner Forschungsreaktors zu lösen, was gelöst werden muss, auf der anderen Seite deutlich zu machen – und dazu dient sicherlich der Druck mit dem neuen Resolutionsentwurf -, dass das Problem auch damit nicht gelöst sein wird, dass man weiter mit Iran sprechen muss um sein Atomprogramm, auch über die Verbindungen zwischen Atomprogramm und Raketenprogramm, und nicht einfach sich ausruhen kann und sagen, na ja, wenn wir an einer kleinen Stelle einen Fortschritt haben, dann brauchen wir uns weiter keine Sorge zu machen, auch keine Sorge zu machen etwa über die Reaktionen der Israelis, wenn Iran weiterhin anreichert und weiter an Raketen baut.

    Heckmann: Der UNO-Sicherheitsrat berät über neue mögliche Sanktionen gegen den Iran. Darüber haben wir gesprochen mit Volker Perthes, dem Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Danke Ihnen!

    Perthes: Danke auch!