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Pestizid Glyphosat
Krebserregend oder nicht?

Die Diskussion um Glyphosat hält an. Es ist der weltweit meistgenutzte Pestizidwirkstoff. Wissenschaftler sind uneins, wie gefährlich die Substanz ist. Die Internationale Krebsforschungsagentur IARC hat ihn als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft. Jetzt befasste sich der Agrarausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Thema.

Von Daniela Siebert | 29.09.2015
    Mit einem Traktor wird nahe Sallach im Landkreis Straubing-Bogen (Bayern) Pflanzenschutzmittel auf ein Feld gespritzt.
    Mit einem Traktor wird nahe Sallach im Landkreis Straubing-Bogen (Bayern) Pflanzenschutzmittel auf ein Feld gespritzt. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Im Agrarausschuss des Bundestages bemühten sich alle Seiten um einen sachlichen Ton, doch die Fronten sind verhärtet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält nach einem halben Jahr hitziger Diskussion und massiver Kritik am eigenen Haus an seiner Einschätzung fest. So bekräftigte BfR-Chef Andreas Hensel vor den Parlamentariern:
    "Die Analyse der zahlreichen Studienergebnisse ergab, dass nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand bei sach- und bestimmungsgemäßer Anwendung keine krebserregende reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch den Wirkstoff Glyphosat zu erwarten ist."
    Laut US-Toxikologen Christopher Portier können externe Wissenschaftler die BfR-Aussagen gar nicht nachvollziehen, weil die Berichte der Behörde und die zugrunde liegenden Studien nur unvollständig öffentlich gemacht würden.
    Verhärtete Fronten
    Und Ivan Rusyn, der als Toxikologe an der Hochstufung von Glyphosat durch die Internationale Krebsforschungsagentur beteiligt war, kritisierte konkret den Umgang des BfR mit Tierstudien.
    "Ich habe in meiner Karriere schon viele Risikobewertungen gelesen, aber noch nie ist es mir dabei begegnet, dass Studien aussortiert wurden, weil die Dosis in einer Studie mit Tieren zu hoch war. Bei dem BfR-Bericht, den ich lesen konnte, wurde das aber ständig gemacht, um positive Tierstudien zu negieren."
    Schlechten Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen hatten auch gestern Vormittag schon der BUND und der Toxikologe Peter Clausing vom Pestizid-Aktions-Netzwerk dem BfR vorgeworfen. Clausing hatte Einblick in den eigentlich nichtöffentlichen Bericht, den die Behörde im April als EU-Berichterstatterin für die europäische Behörde EFSA angefertigt hatte. Laut Clausing wurden darin 44 Publikationen zu gentoxischen Effekten nicht berücksichtigt, der Faktor oxidativer Stress durch schädliche Sauerstoffmoleküle ganz verschwiegen und bei den Tierversuchen fänden sich Falschdarstellungen. Der Bericht müsse daher von unabhängigen Experten überprüft werden, fordert er.
    Öffentlichkeit wird nicht informiert
    Der BUND greift vor allem die Strukturen der EU-Pestizidzulassungsverfahren an, die es unter anderem erlauben, Industriestudien nur den Zulassungsbehörden vorzulegen, aber nicht der Öffentlichkeit. Außerdem gebe es bei einzelnen Personen im BfR Interessenkonflikte, weil sie auch mit Vertretern der antragstellenden Unternehmen zusammengearbeitet hätten.
    Im Agrarausschuss gab es aber auch Unterstützung für die deutsche Behörde. IARC, das Krebsforschungsteam der Weltgesundheitsorganisation, hatte im März einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Krebserkrankungen wie dem Non-Hodgkin-Lymphom hergestellt. Der Münchner Toxikologe Helmut Greim hält dies für keineswegs erwiesen. Es sei schon länger bekannt, dass die Landbevölkerung an solchen Lymphomen eher erkranke als Städter.
    "Woran das liegt, das weiß man nicht. Das können Viren sein, das kann alles Mögliche sein. Und deswegen habe ich auch so ein bisschen meine Probleme, zu sagen: Okay, Non-Hodgkin-Lymphome sind mit dem Glyphosat verbunden, wenn man berücksichtigt, dass die Bauern ja nun alles Mögliche andere auch noch verwenden und bestimmte Lebensformen haben."
    Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, hält einen Verzicht auf Glyphosat hierzulande für keine gute Idee, weil andere Substanzen weniger effizient seien und mehr Resistenzprobleme machten:
    Keine belastbaren Zahlen
    "Glyphosat wirkt breitflächig als Totalherbizid und da haben wir im Bereich der hier zugelassenen Herbizide keine Alternative verfügbar."
    Nach seinen groben Schätzungen werden in Deutschland 400 Gramm Glyphosat pro Jahr und Hektar auf die Felder gebracht. In Ländern wie Argentinien geht man dagegen von mehreren Kilogramm pro Jahr und Hektar aus.
    Eins wurde bei der Expertenanhörung gestern jedoch klar: Wie viel Glyphosat die deutsche Bevölkerung ausgesetzt ist, dazu gibt es keine belastbaren Zahlen.
    Andreas Hensel vom Bundesinstitut für Risikobewertung BfR bilanzierte die Lage am Ende so: Man sei noch mitten in der wissenschaftlichen Diskussion um Glyphosat, für eine politische Entscheidung, ob hier vorsorglich gehandelt – sprich verboten - werden müsse sei es noch zu früh. Um die Prüfung der Beistoffe in den Pestizidmischungen sollten sich die Gesetzgeber aber mal kümmern, so Hensel.
    Mindestens jedoch in Privathaushalten sollte das Pestizid verboten werden, schlossen Politikerinnen der Linken und der SPD aus den Ergebnissen der Anhörung