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Peter Altmaier: Zapfenstreich wird "für parteipolitische Zwecke missbraucht"

Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Fraktion Peter Altmaier ist die Diskussion über den Zapfenstreich für Christian Wulff überflüssig. Wer zu der Zeremonie eingeladen werde, sei allein die Entscheidung des ehemaligen Bundespräsidenten.

Peter Altmaier im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 07.03.2012
    Tobias Armbrüster: Christian Wulff sorgt auch nach seinem Rücktritt weiter für Schlagzeilen. In einigen Zeitungen ist heute zu lesen, Wulff lasse tatsächlich keinen Fettnapf aus. Morgen soll er mit einem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin aus dem Amt verabschiedet werden. Aber wer wird mit ihm feiern? Die Frage steht im Raum, seitdem Wulffs Vorgänger im Präsidentenamt ihre Teilnahme bereits abgesagt haben. Kein weiterer Ex-Bundespräsident wird also dabei sein, und auch die SPD hat schon im Vorfeld angedeutet, nicht mitmachen zu wollen. Gestern nun wurde bekannt, dass Christian Wulff selbst keinen einzigen Spitzenpolitiker aus den Bundestagsfraktionen eingeladen hat. Volker Kauder von der CDU wird also ebenso fehlen wie Rainer Brüderle (FDP). – Ich bin jetzt verbunden mit Peter Altmaier, dem ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Altmaier.

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Altmaier, haben wenigstens Sie eine Einladung bekommen?

    Altmaier: Das Bundespräsidialamt hat die Einladungen verschickt nach bestimmten Kriterien, Diplomatisches Korps beispielsweise, auch die Spitzen von Staat und Gesellschaft. Im Deutschen Bundestag wurde der Präsident eingeladen und auch das Präsidium. Darüber hinaus wurden, soweit ich weiß, keine Einladungen verschickt, und zwar auch, um die Zeremonie in einem überschaubaren Rahmen zu halten.

    Armbrüster: Aber wenn Wulff jetzt niemanden aus den Fraktionsspitzen einlädt, ist das nicht schlechter Stil?

    Altmaier: Ich glaube, dass es guter Stil ist, dass man das respektiert, was der ehemalige Bundespräsident im Hinblick auf die Einladungen entscheidet. Es gab auch einen Zapfenstreich des ehemaligen Bundespräsidenten Köhler, bei dem ganz ähnlich verfahren worden ist. Ich finde das Vorgehen der Opposition, von SPD, Grünen und Linken, heuchlerisch, die sich zum einen darüber beklagen, dass sie keine Einladungen erhalten haben, und zum gleichen Zeitpunkt erklären, wenn sie eine bekommen hätten, wären sie auf gar keinen Fall hingegangen. Das zeigt, dass hier eine Zeremonie, die in Deutschland seit vielen, vielen Jahren respektiert und anerkannt ist, für parteipolitische Zwecke missbraucht wird, und das halte ich für kein Zeichen staatsmännischer Größe und Gelassenheit.

    Armbrüster: Aber es hat doch alles den Anschein, dass Christian Wulff den Fraktionsspitzen, vor allem denen der Opposition, hier noch mal eins auswischen wollte?

    Erler: Ich kann das nicht erkennen. Wir haben in Deutschland die Tradition, dass den Inhabern ehemaliger Staatsämter – seien es Bundespräsidenten, seien es Bundeskanzler – nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt ein Zapfenstreich angeboten wird. Das ist ausdrücklich nicht abhängig von konkreten individuellen Verdiensten. Gerhard Schröder hat damals das Land hinterlassen mit fünf Millionen Arbeitslosen und einer zerrütteten Wirtschaft, und trotzdem ist ihm zurecht und ganz selbstverständlich ein Zapfenstreich angeboten worden. Und ich finde es dann auch richtig, dass man einem ehemaligen Bundespräsidenten, egal wie lange die Amtszeit war, egal unter welchen Umständen sich der Rücktritt vollzogen hat, diese Zeremonie anbietet, auch mit Blick auf die Würde des Amtes selbst, und dass man dann akzeptiert, dass im Wesentlichen der ehemalige Präsident oder Bundeskanzler, derjenige, der geehrt wird, dann auch darüber entscheidet, wer auf der Gästeliste steht. Christian Wulff hat die Spitzen des Staates und der Gesellschaft eingeladen, das Präsidialamt hat übrigens erklärt, es wird niemand, der zu den staatlichen Würdenträgern im weiteren Sinne zu rechnen ist, abgewiesen an den Toren des Schlosses Bellevue. Das heißt, wenn es bei SPD oder Grünen den Wunsch gibt, an dieser Feierlichkeit teilzunehmen, dann wird sich das sicherlich noch realisieren lassen.

    Armbrüster: Sie haben jetzt viel von staatsmännischer Größe gesprochen, Herr Altmaier. Wie stehen denn die vier ehemaligen Bundespräsidenten da, die schon vorher gesagt haben, wir kommen auf jeden Fall nicht? Ist das ein Zeichen der Geringschätzung gegenüber Wulff?

    Altmaier: Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe jedenfalls der Presse entnommen, dass auch beim Zapfenstreich für Horst Köhler von den ehemaligen Bundespräsidenten nur einer anwesend war, nämlich Richard von Weizsäcker, …

    Armbrüster: Aber immerhin!

    Altmaier: …, dass die anderen sich damals entschuldigen ließen aufgrund lange feststehender Verpflichtungen. Es ist nun mal so, dass der Zapfenstreich aufgrund des Rücktritts sehr kurzfristig angesetzt worden ist, und das führt dann dazu, dass der eine oder andere Dispositionen hat, die sich schwer verändern lassen. Aber das muss dann entschieden werden von dem jeweils Betroffenen selbst, und mir steht es nicht zu, die Motive ehemaliger Bundespräsidenten zu beurteilen, ebenso wenig wie es mir zusteht zu entscheiden, wer auf die Einladungsliste des aktuellen Zapfenstreichs gesetzt werden soll und wer nicht.

    Armbrüster: Aber sind das nicht alles sehr eindeutige politische Signale, die man in Ihrer Position durchaus verfolgen sollte?

    Altmaier: Ich halte es für selbstverständlich, dass man politische Signale nach allen Richtungen verfolgt. Ich glaube aber auch, dass wir eine Verpflichtung haben, auch in schwieriger Situation bestimmte Überzeugungen wirksam werden zu lassen. Für mich ist es so, dass Christian Wulff mit seinem Rücktritt dem Land auch eine monatelange quälende Debatte erspart hat. Er ist ja zurückgetreten zu einem Zeitpunkt, wo ihm strafrechtliche Schuld oder Gesetzesverstöße weder rechtskräftig, noch in anderer Form justiziabel nachgewiesen waren. Ein Ermittlungsverfahren läuft, dessen Ausgang kann niemand kennen. Er hat sich entschieden, zurückzutreten, auch um dem Amt Schaden zu ersparen. Und dann, meine ich, sollte man auch das tun, was in anderen europäischen Ländern selbstverständlich ist, nämlich dem scheidenden Staatsoberhaupt diese letzte politische Ehre zum Ende seiner Amtszeit erweisen. Mich hat ein Kommentar in der "Süddeutschen Zeitung" heute Morgen sehr beeindruckt, wo gesagt worden ist, ja irgendwann ist auch einmal genug und muss man eine politische Debatte wie diejenige über Christian Wulff auch beenden.

    Armbrüster: Aber wäre es nicht gerade zur Beendigung dieser Debatte und als Zeichen der Größe sehr hilfreich gewesen, wenn Christian Wulff gesagt hätte, gut, jetzt zum Abschied lade ich euch alle noch mal ein?

    Altmaier: Noch einmal: Es gehört für mich dazu, dass die Gästeliste zu solchen Veranstaltungen von demjenigen wesentlich mit gestaltet wird, der damit geehrt wird, und dazu gehört dann auch, dass man nicht Position für Position durchgeht und sagt, ja aber dieser vielleicht noch, oder jener vielleicht nicht. Das hat es, so weit ich weiß, bei keinem anderen Zapfenstreich gegeben. Ich kann mich erinnern, dass ich auch bei anderen Gelegenheiten keine Einladung bekommen habe, ohne dass ich das als Zurücksetzung empfunden habe, und bei wiederum anderen Gelegenheiten habe ich Einladungen erhalten und ich habe das immer so genommen, wie man es nehmen sollte, nämlich als freie Entscheidung desjenigen, um den es geht, und diese Entscheidung habe ich öffentlich zu keinem Zeitpunkt kommentiert oder in Frage gestellt.

    Armbrüster: Herr Altmaier, Sie waren einer der engagiertesten Wulff-Verteidiger in den letzten Wochen. Wenn es morgen jetzt erst mal vorbei ist, sind Sie dann froh?

    Altmaier: Ich glaube, dass Christian Wulff mit seiner Entscheidung zum Rücktritt, die ihm bestimmt nicht leicht gefallen ist, auch dem Land und unserer Demokratie einen Dienst erwiesen hat, weil er quälende und lange Diskussionen erspart hat. Dieser Schritt ist ihm bestimmt nicht leicht gefallen und er verdient Respekt. Ich glaube, dass wir im übrigen richtig gehandelt haben – dadurch, dass wir einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge vorschlagen, der von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen gemeinsam getragen wird.

    Armbrüster: Ich wollte jetzt eigentlich wissen, Herr Altmaier, fällt da morgen eine Last von Ihnen ab?

    Altmaier: Ja ich will nicht sagen eine Last, aber jedenfalls bin ich froh, dass wir diese Bewährungsprobe für die Demokratie gemeinsam bewältigt haben, und ich bin auch überzeugt, dass Joachim Gauck ein sehr, sehr guter Präsident werden kann.

    Armbrüster: Peter Altmaier war das, der erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag. Besten Dank, Herr Altmaier, für das Gespräch.

    Altmaier: Ich danke Ihnen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.