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Peter Suhrkamp
"Ein Mann der Literatur und ein vorzüglicher Geschäftsmann"

Sein Name steht für einen der einflussreichsten Verlage im Nachkriegsdeutschland: Peter Suhrkamp. Der charismatische und geschäftstüchtige Verleger wurde am heutigen Tag vor 125 Jahren geboren. Doch - wie so oft bei Multitalenten - war es ein langer Weg, ehe Peter Suhrkamp seine Bestimmung gefunden hatte.

Von Rudolf Schmitz | 28.03.2016
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    Ab 1937 ist Peter Suhrkamp Leiter und Inhaber des S. Fischer-Verlages, der fünf Jahre später in Suhrkamp-Verlag umbenannt wird. (Paul Zinken/dpa)
    "Ich glaube, dass es eine Begabung bei mir gibt: die Begabung, das, was auf Blättern geschrieben da ist, auf einem ganzen Konvolut von Blättern, in eine plastische Gestalt zu übersetzen. In die Buchgestalt."
    Wer Peter Suhrkamp sprechen hört, hat sofort ein Bild dieses legendären Verlegers vor Augen: das eines Norddeutschen, der selbstbewusst und zugleich mit leichtem Understatement über sich und seine Karriere Auskunft gibt. Dabei ist Peter Suhrkamps Weg zum Verleger alles andere als gradlinig. Am 28. März 1891 wird er in Kirchhatten, Oldenburg, als Sohn eines Bauern geboren. Er versucht sich zunächst als Volksschullehrer, wird Leutnant im Ersten Weltkrieg, studiert dann Germanistik in Heidelberg, Frankfurt und München. Er arbeitet an der Odenwaldschule, dann als Dramaturg und Regisseur am Landestheater Darmstadt. Doch auch das ist nichts für ihn:
    "Dann wollte ich Schriftsteller sein, zog mich zurück aufs Schreiben, stellte fest, dass ich nicht am Schreibtisch sitzen konnte, sondern, da ich aus dem praktischen Leben, aus einer Bauernfamilie heraus kam, praktisch anfassen musste."
    So bauernschlau wie unbeirrbar im Umgang mit den Nazis
    Erst als Peter Suhrkamp mit 41 Jahren über die Zeitschriftenredaktion des Ullstein-Verlages zu S. Fischer kommt, fühlt er sich am richtigen Platz. Nach dem Tod des Verlegers Samuel Fischer stimmt dessen Schwiegersohn und Erbe Gottfried Bermann-Fischer – unter dem Druck der Nazis – der Teilung des Verlages zu. Er selbst verlegt künftig im Exil.
    Ab 1937 ist Peter Suhrkamp Leiter und Inhaber des S. Fischer-Verlages, der fünf Jahre später in Suhrkamp-Verlag vormals S. Fischer umbenannt wird. Im Umgang mit den Nazis zeigt sich Peter Suhrkamp ebenso bauernschlau wie unbeirrbar. Ein Lockspitzel allerdings, der ihm anbietet, Verbindungen zum Widerstand herzustellen, wird ihm zum Verhängnis.
    Im April 1944 wird der Verleger verhaftet, wegen Hoch- und Landesverrats angeklagt und ins KZ Sachsenhausen gebracht. Zehn Monate Konzentrationslager schädigen seine Gesundheit nachhaltig. Als Peter Suhrkamp im Juli 1950 schließlich seinen eigenen Verlag ins Frankfurter Handelsregister eintragen lässt, ist er 59 Jahre alt, schwer krank, aber immer noch ein charismatischer Mann. Einer seiner ersten Lehrlinge, Klaus Wagenbach, erinnert sich:
    "Wir hatten den alten Suhrkamp erlebt, und das war ein äußerst eindrucksvoller Mann. Er war ganz mager, er hatte eine KZ-Einbuchtung mühsam überlebt. Sehr deutsch, sehr protestantisch, er war so was von norddeutsch, es ging einem ein bisschen auf die Nerven. Aber ganz ernsthaft, gescheit, freundlich."
    "Leidenschaftlicher Literaturfreund, Literaturkenner, Literaturförderer"
    In einem Vergleich mit dem nach Frankfurt zurückgekehrten Gottfried Bermann Fischer entscheiden sich 48 Autoren, in welchem Verlag sie künftig publizieren wollen. 33 entscheiden sich für Suhrkamp, darunter Bertolt Brecht, Max Frisch, T.S. Eliot, George Bernhard Shaw, Hermann Hesse. Damals beginnt das, was später "Suhrkamp-Kultur" genannt werden sollte: der Einfluss der Literatur auf das öffentliche Leben im Nachkriegsdeutschland.
    Mit dem 1951 gegründeten Theaterverlag trifft Peter Suhrkamp dann eine profitable Entscheidung. Es beginnt das Geschäft mit den Lizenzen. Diese kaufmännische Ader ist in den Augen des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki das große Plus von Peter Suhrkamp:
    "Er ist ein Mann der Literatur, ein leidenschaftlicher Literaturfreund, Literaturkenner, Literaturförderer. Und er ist gleichzeitig ein vorzüglicher Kaufmann, Geschäftsmann. Das ist unerhört wichtig."
    Als Peter Suhrkamp am 31. März 1959 im Alter von 68 Jahren stirbt, hinterlässt er seinem Nachfolger Siegfried Unseld ein gut bestelltes Haus. Er setzt fort, was Peter Suhrkamp stets das Wichtigste war: die Liebe zur Literatur.
    "Sie alle kennen Menschen, die ständig verliebt sind. Auch wenn sie im Moment gar keine Geliebte haben. Dann warten sie auf einen Gegenstand für ihre Liebe. So sind die echten Verleger: ständig in die Literatur Verliebte und auf der Suche nach einem Gegenstand für ihre Liebe."