Donnerstag, 28. März 2024

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Peter Weiß (CDU) zu Grundrente
Einkommensprüfung "ist ein Gerechtigkeitsproblem"

Rentenexperte Peter Weiß (CDU) zeigt sich insgesamt zufrieden mit den Beschlüssen zur Grundrente, allerdings bemängelt er, dass nur das Einkommen geprüft wird. Es werde in den kommenden Jahren sensationelle Medienberichte geben, in denen kritisiert wird, dass Leute mit großem Vermögen trotzdem Grundrente erhalten.

Peter Weiß im Gespräch mit Stefan Heinlein | 19.02.2020
Rentner mit Rollator passiert E-Scooter der Firma Lime in der Kölner Innenstadt.
Die wichtigste Nachricht laut CDU-Politiker Weiß: "Es gibt jetzt auch in der Grundsicherung, wenn man die beziehen muss, einen Freibetrag für die Rente" (imago / C. Hardt)
Stefan Heinlein: Die Einführung einer Grundrente für Geringverdiener ist eine Herzensangelegenheit der SPD, ein Wunschprojekt von Minister Hubertus Heil. Eisern kämpften die Genossen über lange Monate mit ihrem Koalitionspartner in Berlin. Es wurde gerungen und mit der Union über jedes Detail gefeilscht.
Heute nun ist wohl ein Festtag für die SPD und ihren Arbeitsminister Hubertus Heil. Die Grundrente kommt. Der Gesetzesentwurf liegt zur Verabschiedung auf dem Kabinettstisch in Berlin.
Ein Rentnerpaar überquert eine Straße.
Die Grundrente kommt – in abgespeckter Version
Das Bundeskabinett will heute nach monatelangen Verhandlungen die Grundrente beschließen. Allerdings stoßen die Eckdaten nicht überall auf Zustimmung. So klagt der DGB, dass die Zahl der Leistungsempfänger niedriger sein wird als ursprünglich angedacht. Auch die Finanzierung der Umsetzung ist völlig offen.
Peter Weiß, arbeits- und sozialpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Rentenexperte seiner Partei, kritisiert vor allem die geplante Einkommensprüfung, an die die Grundrente geknüpft ist.

Stefan Heinlein: Bei der SPD knallen die Korken. Minister Hubertus Heil feiert sich und seine Grundrente. Bleiben bei Ihnen, bei der Union heute die Sektflaschen im Kühlschrank?
Peter Weiß: Na ja. Für teuren Sekt ist zumindest kein Anlass.
Weiß: Freibetrag auch in der Grundsicherung
Heinlein: Was stört Sie am Gesetzesentwurf von Hubertus Heil?
Weiß: Na ja. Zuerst einmal das Positive. Diese Koalition aus CDU/CSU und SPD hält Wort. Wir machen eine Grundrente, die dafür sorgt, dass derjenige, der 35 Jahre lang gearbeitet, gepflegt, Kinder erzogen hat, am Schluss, wenn er in Rente geht, auf jeden Fall mehr hat als derjenige, der nie in das Rentensystem eingezahlt hat. Deswegen ist die wichtigste Nachricht: Es gibt jetzt auch in der Grundsicherung, wenn man die beziehen muss, einen Freibetrag für die Rente. Das heißt, es wird nicht alles mit der Grundsicherung verrechnet. Das ist wahrscheinlich die wichtigste Botschaft für all diejenigen, die trotz langem Arbeiten sehr, sehr wenig auf ihrem Rentenkonto haben.
Aber das, was die SPD zusätzlich da mit hineinverhandelt hat, ist zum Teil sehr schwierig zu erklären und umzusetzen. Und vor allen Dingen ist natürlich die Finanzierungsfrage immer noch offen.
Heinlein: Hat die SPD härter und besser verhandelt als die Union, Ihre Seite?
Weiß: Der Bundesarbeitsminister als zuständiger Rentenminister hatte eine Vorlage zu machen. Die hat er gemacht. Wir haben diese Vorlage deutlich verändert. Wir haben im Gegensatz zum ersten Entwurf von Herrn Heil die Grundrente wieder auf das reduziert, was sie sein soll, nämlich eine Hilfe für diejenigen, die zu wenig haben, und wir machen nicht eine Gießkanne auf, mit der wir Geld auf alle verteilen, auch auf diejenigen, die eigentlich ein ganz gutes Alterseinkommen haben. Von daher ist das, wie ich finde, ein ausgeglichenes Verhandlungsergebnis.
Heinlein: Hat die SPD-Seite, hat Hubertus Heil tatsächlich mit dem Aus für die Große Koalition gedroht, sollte es nicht zu einer Grundrente kommen? Waren das die Daumenschrauben, die Ihnen angelegt wurden, der Union in den Verhandlungen?
Weiß: Na ja. Vor einem Aus der Großen Koalition hat die SPD und Herr Heil mehr Angst als die CDU/CSU. Von daher ist das nicht eine wirkliche Drohung.
Weiß: Sehr komplexe und komplizierte Methodik
Heinlein: Herr Weiß, ganz grundsätzlich eine Frage zur Grundrente. Ist der Gedanke richtig von Hubertus Heil und der SPD – und er hat das ja nach vorne geschoben -, dass jemand, der sein Leben lang für wenig Geld gearbeitet hat, in der Rente mehr bekommt als Menschen, die nie oder nur wenig gearbeitet haben?
Weiß: Ja, das ist ein Grundsatz, der richtig ist und den wir ja miteinander in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, der übrigens auch schon im Wahlprogramm der CDU und der CSU stand. Deswegen ist es richtig: Wir wollen denjenigen, der lang gearbeitet hat, besserstellen als denjenigen, der nie ins Rentensystem eingezahlt hat.
Ob die Methodik, die jetzt in diesem Gesetzentwurf drinsteht, die jetzt sehr komplex und kompliziert ist, richtig ist und ob da jetzt nicht Erwartungen bestehen aufgrund des großen medialen Getöses, die so gar nicht erfüllt werden, das ist eine andere Frage, denn auch mit der Aufwertung von Rentenentgeltpunkten ist ja noch längst nicht gesagt, dass man nicht auch auf Grundsicherung, auf staatliche Stütze angewiesen ist. Etwa die Hälfte derjenigen, die jetzt mit diesem Gesetzentwurf eine Verbesserung ihrer Rentenanwartschaft erhalten, werden trotzdem zusätzlich Grundsicherung im Alter beantragen müssen.
Heinlein: Aber der Vorwurf, dass Erwartungen geweckt werden mit der Grundrente, die dann nicht erfüllt werden, das geht doch eher an Ihre Adresse, denn die Sozialdemokraten, Hubertus Heil wollte ja viel und viel umfassender eine Grundrente einführen, als es jetzt tatsächlich der Fall ist.
Weiß: Da bin ich ganz anderer Auffassung. Ich glaube, dass das, was Heil ursprünglich vorhatte, für noch viel mehr Ärger gesorgt hätte. Schauen Sie, wenn Sie mit einem zu versteuernden Einkommen von 2.000 Euro monatlich immer noch – so war ja Heils ursprünglicher Entwurf – zusätzlich ein paar Euro Grundrente draufbekommen, dann wird das Anliegen verzerrt. Deswegen haben wir auch so derart darauf bestanden, dass es eine Einkommensgrenze gibt, bis zu der Grundrente gewährt wird, und eine, bei der es dann aufhört. Wir wollten diejenigen, die sehr wenig haben und staatliche Stütze beantragen müssen, aus der Situation herausbringen und in ihrer Finanzsituation verbessern, aber wir wollten nicht bis in mittlere Einkommensgruppierungen Geld verteilen.
Heinlein: Aber Sie wollten auch eine Bedürftigkeitsprüfung einführen und das hat die SPD, das hat Hubertus Heil rausverhandelt.
Weiß: Das bleibt natürlich ein Problem auch bei dieser Grundrente. Wir haben festgelegt, es wird eine Einkommensprüfung durchgeführt. Zu dem Einkommen gehört auch Einkommen aus Vermögen und das ist auch richtig, denn wer genügend Einkommen hat, der braucht nicht noch zusätzlich Grundrente.
Die Finger eines Mannes tippen auf einem Taschenrechner Zahlen ein, im Hintergrund ist der Arm einer Frau zu sehen
Rentenversicherung befürchtet Umsetzungsprobleme
Die mit der Grundrente verbundene Einkommensprüfung stelle die Behörden vor zu große Herausforderungen, meint die deutsche Rentenversicherung. Es fehlten Systeme und Personal für eine schnelle Bearbeitung.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir in den kommenden Jahren sensationelle "Bild"-Zeitungsartikel und auch Sendungen im Deutschlandfunk bekommen, in denen kritisiert wird, dass Leute, die ein sehr großes Vermögen haben, trotzdem zusätzlich Grundrente erhalten. Ich glaube, das ist schon ein Gerechtigkeitsproblem.
"Streit jetzt auch nicht auf die Spitze treiben"
Heinlein: Das verstehe ich aber nicht. Es soll doch diese Einkommensprüfung geben. Dann wird doch geprüft, ob jemand viel Geld hat durch Mieten etc., durch andere Einkünfte.
Weiß: Ja! Jetzt reden wir aber von zwei unterschiedlichen Dingen. Ja, es wird das Einkommen geprüft. Es wird nicht das Vermögen geprüft.
Heinlein: Das ist für Sie der große Unterschied?
Weiß: Das ist der Unterschied zu einer vollständigen Bedürftigkeitsprüfung, sprich einer Einkommens- und Vermögensprüfung. Jetzt bin auch ich der Überzeugung, dass in diesem unteren Einkommensbereich und bei den Personen, die auf Grundrente angewiesen sind, es sehr, sehr wenige gibt, die wirklich auch noch großes Vermögen haben. Man sollte den Streit jetzt auch nicht auf die Spitze treiben. Aber bekanntlich gibt es alles Mögliche und Unmögliche. Es wird natürlich auch Fälle geben, in denen Personen jetzt eine Grundrente ausbezahlt bekommen, die andererseits großes Vermögen besitzen. Ja!
Heinlein: Sie haben das Stichwort selber genannt. Die Finanzierung steht aus Ihrer Sicht noch auf wackeligen Beinen. Es soll aus Steuermitteln finanziert werden. Ist das tatsächlich schwierig? Denn ob jetzt eine Finanztransaktionssteuer kommt oder nicht, macht das einen großen Unterschied, Hauptsache es kommt aus Steuermitteln?
Weiß: Wichtig ist: Wir haben versprochen, die Grundrente geht nicht zu Lasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in der Rente, sondern wird aus Steuern finanziert. Diesen Grundsatz wollen wir auch realisiert sehen. Das steht jetzt im Gesetzentwurf drin, dass 400 Millionen aus dem Haushalt des Bundesarbeitsministers kommen. Ich kenne keinen Haushaltstitel beim Bundesarbeitsminister, wo er dieses Geld rausnehmen könnte. Und, dass weitere 1,2 Milliarden vom Finanzminister kommen. Auch da kenne ich keinen Haushaltstitel.
Er wollte und er will dieses Geld durch die Finanztransaktionssteuer erwirtschaften. Die gibt es bis zur Stunde nicht und die wird es wahrscheinlich auch nicht am 1.1. 2021 geben. Deswegen sind beide Minister verpflichtet, dem Parlament mal mitzuteilen, wo sie dieses Geld hernehmen wollen.
Die Bankentürme von Frankfurt am Main (Hessen) scheinen kurz nach Sonnenuntergang aus vielen kleinen Eurozeichen zu bestehen, aufgenommen am 31.01.2014. Der Effekt entsteht durch eine Schablone in Form eines Eurosymbols vor dem Objektiv.
Warum sich die Umsetzung der Finanztransaktionssteuer schwierig gestaltet
Mit Hilfe einer Finanztransaktionssteuer sollen Spekulationen an Finanzmärkten eingedämmt werden. Mehrere EU-Länder bemühen sich um eine Umsetzung. Ein Überblick über das Vorhaben und die Hintergründe.
Richtig ist, da sind wir uns einig, es muss aus Steuermitteln kommen, aber es ist ja nicht so, dass in diesen Haushalten irgendwelche Milliarden herumliegen, die bisher frei verwendbar sind, sondern die sind ja alle fest durch entsprechende Beschlüsse des Bundestages und des Haushaltsausschusses gebunden, und da müssen jetzt die Karten auf den Tisch gelegt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.