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Peters: Staat soll Arbeitsplätze finanzieren

IG-Metall-Chef Jürgen Peters hat die Bundesregierung aufgefordert, den erwarteten Milliardenüberschuss der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung des Arbeitsmarktes einzusetzen. Der Bundesfinanzminister dürfe die Überschusse nicht einkassieren, um eine Unternehmenssteuerreform zu finanzieren. Dadurch würden keine Arbeitsplätze geschaffen.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Schlimme Sorgen hat die Große Koalition - schon wieder. Diesmal hat sie zu viel Geld. Allein bei der Bundesagentur für Arbeit droht ein Überschuss von knapp zehn Milliarden Euro, und aus den Steuertöpfen kommen noch einmal einige Milliarden dazu. Wohin mit all dem Geld, soll man damit Schulden abbauen, Staatsaufgaben finanzieren oder es am Ende doch lieber den Bürgern zurückgeben? Darüber möchte ich jetzt mit dem Chef der IG Metall sprechen. Guten Morgen, Jürgen Peters!

    Jürgen Peters: Schönen guten Morgen,

    Heuer: Wohin mit dem vielen Geld, wenn wir mit den BA-Mitteln einmal anfangen, Herr Peters, wie würden Sie die verwenden?

    Peters: Ja, zunächst einmal muss man die Aufgabenstellung der Bundesanstalt genauer mal unter die Lupe nehmen. Da sind in den letzten Monaten Kritiken hochgekommen, die ich für berechtigt halte, dass nämlich die BA bestimmte Arbeitsmarktmittel, Arbeitsmarktpolitiken nicht mehr durchgeführt hat. Und wir sagen, es muss hier wieder Geld angepasst werden, damit Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Das sind zum Beispiele Dinge, wo Beschäftigungsprogramme finanziert werden können. Wir sehen hier die absolute Notwendigkeit bei 4,5 Millionen Menschen, die arbeitslos sind, die arbeiten wollen, mal neue Wege zu gehen, und die Finanzmassen, die jetzt angeblich so sprudeln, sind dafür einzusetzen.

    Heuer:: Dann halten Sie es also mit Franz Müntefering und dem Parteivorsitzenden der SPD, mit Kurt Beck, die sagen, der Staat soll das Geld ausgeben, zum Beispiel eben für die Arbeitsmarktförderung, das ist Ihre Position auch?

    Peters: Sehen Sie mal, dafür ist das Geld ja eingesammelt worden. Wir haben die Arbeitslosenversicherung ja nicht gemacht, damit dort ein Sparstrumpf angeschafft wird, sondern damit Arbeitslosigkeit bekämpft wird. Und wenn jetzt jemand, und das sind ja nun über vier Millionen Menschen, unverschuldet in die Arbeitslosigkeit abgedrängt wird, dann muss der Staat über die Bundesanstalt oder die Bundesanstalt von sich aus auch tätig werden, um hier Hilfe zur Selbsthilfe zu organisieren. Wir müssen wieder neue Wege suchen in der Arbeitsmarktpolitik. Jeder Arbeitslose, der von der Straße kommt, ist eine bessere Alternative, als das Geld jetzt beispielsweise in Beitragsrückerstattungen zu organisieren.

    Heuer:: Aber Herr Peters, bekämpft man Arbeitslosigkeit nicht am besten, indem man die Lohnnebenkosten senkt und so möglicherweise dafür sorgt, dass Arbeitsplätze, neue Arbeitsplätze, ich will mal sagen, natürlich wachsen?

    Peters: Also das Märchen mit den überbordenden Lohnnebenkosten, das muss man ja auch mal zur Seite legen. Sehen Sie mal, wir haben einen Lohnkostenanteil in der gesamten Wirtschaft von gerade mal 25 Prozent, in der Metallwirtschaft unter 19 Prozent. Wenn Sie jetzt mal den Prozentsatz nehmen, der durch eine Beitragsrückerstattung in dieser Summe dann sich niederschlagen würde, dann sind das nicht einmal 0,1 Prozent. Das heißt, es ist eine Marginalie an der Stelle, aber in der Bundesanstalt diese kleinen Summen zusammengefasst ergibt eine große Summe für ein Handlungsfeld, was wir absolut für überfällig halten, nämlich etwas gegen Arbeitslosigkeit zu tun, zumal gegen Jugendarbeitslosigkeit. Hier ist doch ein weites Feld, wir haben doch nicht etwa Geld wieder zu verschenken.

    Heuer: Angela Merkel sagt nun, das ist jetzt alles nur ein Trend, und wir müssen mal gucken, wie sich die Dinge entwickeln, sie möchte vielleicht in zwei bis drei Jahren noch einmal über das Thema sprechen. Das klingt doch nach einer nachhaltigen Politik, Herr Peters.

    Peters: Na ja, also Nichtstun ist auch etwas Nachhaltiges, klar. Wir wollen, dass eine aktive Arbeitsmarktpolitik gemacht wird. Sehen Sie mal, wir brauchen für die unter 25-Jährigen, mindestens für diese Problemgruppe am Arbeitsmarkt, für die über 55-Jähigen als mindestens gleichgewichtige Problemgruppe am Arbeitsmarkt Perspektiven. Mit dem Laisser-faire, Laisser-passer geht es doch nicht, wir sehen doch, dass die Zahl der Arbeitslosen nur saisonal schwankt. Wir brauchen aber hier ganz gezielte Maßnahmen. Ich sehe doch nirgendwo eine Chance für einen über 55-Jährigen, der arbeitslos geworden ist, hier noch tatsächlich einen Job zu bekommen. Also müssen wir öffentlich geförderte Beschäftigung organisieren, und da hat die Bundesanstalt eine ganz wichtige Aufgabe, sie soll hier Beschäftigungsprogramme in den Bereichen, wo eben nichts Selbstragendes ist, wo nicht automatisch Beschäftigung organisiert wird, da muss sie antreten mit Geld, muss hier Vorleistungen bringen, und da werden viele Dinge, zum Beispiel im sozialen Bereich, anschließend auch selbsttragende Veranstaltungen. Ich denke, wir haben hier ungeheuer viel zu tun.

    Heuer: Nennen Sie doch bitte ein Beispiel für eine selbsttragende Veranstaltung in diesem Rahmen.

    Peters: Wir reden alle davon, dass die Familien gefördert werden, wir brauchen Kindergärten, Kindergartenplätze, also lasst uns das anpacken an der Stelle. Wir brauchen für die Älteren soziale Maßnahmen, Hilfsmaßnahmen, auch das könnte man, Sozialdienste wieder stärken. Wir haben einen Lehrermangel, wir haben überall Mangel in den sozialen Bereichen, wo insbesondere die weniger gut Verdienenden tätig sind, und hier muss man wieder das Geld anpacken und diese Dinge mit fördern. Es kann ja nicht so ein Vorschlag kommen, dass wir jetzt sagen, die Arbeitslosen werden jetzt als Sicherheitskräfte eingebaut, ohne dass sie ausgebildet sind und vor allen Dingen nicht bezahlt werden. Das kann doch nicht unser Sinn und Zweck sein, aber das zeigt doch, dass viele sehen, dass es Bereiche gibt, wo Menschen tätig werden sollen, aber hier geht es um die Bezahlung, hier geht es immer um eine ordentliche Bezahlung.

    Heuer:: Aber da geht es doch um klassische Aufgaben des Staates, die der ohnehin finanziert. Insofern ist doch sinnvoll, was der Finanzminister sagt, er sagt nämlich, das überschüssige Geld soll der Staat erst einmal behalten, möglicherweise die Schulden damit abbauen, aber er behält dann eben etwas in der Hand, was er für eben diese Programme ausgeben kann, die Sie gerade angesprochen haben.

    Peters: Wer das jetzt ausgibt, ob das die Bundesanstalt direkt, und dafür plädiere ich, oder ob das über den Umweg, dass der Staat Beschäftigungsprogramme organisiert und dann die Bundesanstalt finanziert, das ist eine Sache, die ist jetzt nicht so ganz erheblich. Ich habe nur etwas dagegen, wenn der Finanzminister sagt, ich will die Gelder einkassieren, um anschließend ein Steuerreformprogramm zu machen, wo er dieses Geld einfach weiterreicht an die Unternehmen, die damit sich natürlich herzlich bedanken, gar keine Frage, aber einen lustigen Tag machen. Wir haben schon mal erlebt, dass eine Steuerreform Riesensummen in die Kassen der Unternehmer gespült hat mit dem fröhlichen Lied auf den Lippen, da werden wir Arbeitsplätze schaffen. Geguckt haben wir: Nicht ein einziger Arbeitsplatz ist damit geschaffen worden.

    Heuer: Und trotzdem, Herr Peters, hat die SPD ja gesagt zur Senkung der Unternehmenssteuer, und heute hören wir, angeblich gibt es einen sich sehr stark formierenden Widerstand an der SPD-Basis. Glauben Sie, die Kritiker setzen sich durch?

    Peters: Also ich halte überhaupt nichts von einem solchen Weg. Eine erneute Fehlentscheidung in diese Richtung bedeutet, dass wir wieder Geld verschenken, und der Staat hat kein Geld, der Staat hat, wenn Sie so wollen, Einnahmen zu generieren, damit er seine Ausgaben auch tätigen kann. Wir sehen, dass die Ausgabenschwäche des Staates mit dazu beiträgt, dass die Binnenkonjunktur immer wieder lahmt und jedenfalls nicht diesen Schwung hat, um insgesamt den Aufschwung zu tragen. Der Staat muss Geld haben, um seine Aufgaben zu finanzieren, sei es im schulischen Bereich, im sozialen Bereich, im kulturellen Bereich. Wir können viele Dinge aufzählen, wo etwas im Argen ist Also wir haben überhaupt keinen Raum dafür, eine solche Steuerreform zu machen und den Unternehmen, die ohnehin in der tatsächlichen Steuergerechtigkeit im europäischen Schnitt unter dem Durchschnitt liegen.

    Heuer:: Jetzt haben wir viel über die BA-Mittel gesprochen, einen kleinen Ausflug gemacht in die Unternehmenssteuerreform. Herr Peters, zum Schluss, was ist den mit den vielen Steuermitteln, die zusätzlich der Regierung ins Haus flattern werden?

    Peters: Sie wissen ja, dass wir ganz erhebliche Bedenken gegen die Mehrwertsteuer haben. Nun ist diese Entscheidung getroffen. Andererseits sehen wir, dass der Staat eben seine Aufgaben, zum Beispiel sein Investitionsprogramm, nicht durchführt, jedenfalls nicht im genügenden Maße. Wir haben gefordert, dass der Staat ein öffentliches Investitionsprogramm zur Ankurbelung und zur nachhaltigen Ankurbelung der Wirtschaft in Gang setzt, 20 Milliarden, aber nicht in vier Jahren, sondern pro Jahr, wo wir sehen, dass damit A wichtige Dinge für die Zukunft erledigt werden und B auch Beschäftigung organisiert wird.

    Heuer:: Also unter dem Strich, die Mehrwertsteuer soll nicht angehoben werden, dafür könnte das Geld ausgegeben werden?

    Peters: Ich habe ausdrücklich gesagt, dass wir gegen die Mehrwertsteueranhebung waren. Diese Entscheidung ist aber getroffen, und diese Entscheidung, so hat die Politik mitgeteilt, wird sie nicht revidieren. Also geht es jetzt nicht darum, die Steuermittel, die jetzt zusätzlich kommen, den Unternehmern zu verschenken, sondern zu nutzen, den Spielraum zu nutzen für öffentliche Beschäftigungsprogramme.

    Heuer: Der IG-Metall-Chef Jürgen Peters. Herr Peters, dankeschön.

    Peters: Bittesehr.