Christiane Kaess: Die Bilder lösten eine bundesweite Debatte über den Umgang mit jugendlichen Straftätern sowie kriminellen Ausländern aus. Eine Überwachungskamera in einer Münchener U-Bahn-Station hatte aufgezeichnet, wie zwei Jugendliche einen pensionierten Schulrektor brutal niederprügelten. Das Urteil im Prozess vor dem Landgericht München gegen den 21 Jahre alten Türken Serkan A. und den 18-jährigen Griechen Spyridon L. ist heute Vormittag gefallen - leicht verspätet, aber nicht zu spät für unsere Sendung. Am Telefon begrüße ich jetzt Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Guten Tag Herr Pfeiffer.
Christian Pfeiffer: Hallo!
Kaess: Herr Pfeiffer, zunächst die Frage: Wie beurteilen Sie das Urteil?
Pfeiffer: Ich denke beide Urteile erscheinen gerecht und angemessen, da der Vorwurf des versuchten Mordes doch deutlich belegt werden konnte.
Kaess: Sind diese Urteile hart genug, um eine abschreckende Wirkung zu haben?
Pfeiffer: Die Abschreckung ist vor allem dadurch entstanden, dass das Risiko des Erwischtwerdens deutlich demonstriert wurde. Dass dann auch eine harte Strafe folgt, ist selbstverständlich.
Kaess: Nun haben wir es gerade gehört. Eine wichtige Rolle spielt der Erziehungsgedanke. Ist dem denn genügend Rechnung getragen worden?
Pfeiffer: Ich denke ja. Bei dem Jüngeren kann das voll zum tragen kommen und auch bei dem Älteren ist ja keineswegs verboten, dass während seiner Haft Maßnahmen getroffen werden, die geeignet sind, ihn von der Gewalt wegzubringen. Von daher heißt ja Erwachsenenstrafrecht nicht, dass es keine Therapie gäbe. Im Gegenteil! Auch dort gilt für alle Gewalttäter bundesweit, dass ihnen Therapieangebote gemacht werden.
Kaess: Was heißt das in diesem Zusammenhang für die Resozialisierung?
Pfeiffer: Da ja hier die Abschiebung erwogen wird, ist das dann bestenfalls eine Resozialisierung in Griechenland oder der Türkei. Ich nehme an die bayerische Staatsregierung wird hier alle Hebel in Bewegung setzen, um das durchsetzen zu können.
Kaess: Das hat Bayerns Innenminister Joachim Hermann ja auch schon so angedeutet. Es würde niemand verstehen, wenn Ausländer, die eine derartige Brutalität an den Tag legen, weiter in Deutschland bleiben können. Das hat er gesagt. Stimmen Sie denn dieser Einschätzung und dieser Außenwirkung zu?
Pfeiffer: Nun ja, das sind in einem Fall jedenfalls in Deutschland geborene Menschen und eigentlich gilt schon der Grundsatz: Das was wir selber in unserer Gesellschaft mit erzeugt haben, diese Suppe haben wir auch auszulöffeln. Also hier denke ich, mit der Abschiebung wird man zumindest bei dem Jüngeren noch länger debattieren müssen und sich genauer anschauen, wie die Dinge laufen. Eines verdient in diesem Augenblick dann auch Erwähnung. Wir konnten ja Vergleichsuntersuchungen in Deutschland machen und stellen zu unserer Freude fest: Dort wo es zunehmend gelingt, junge Migranten - Türken, Griechen, ganz egal welche - in die Bildung zu integrieren, geht ihre Gewalt zurück. Erziehung funktioniert. Dort freilich, wo es Rückschritte gibt, wie beispielsweise in München, haben wir leider dann auch steigende Jugendgewalt.
Kaess: Und was spräche in diesem Zusammenhang für Sie gegen die Abschiebung des jüngeren Straftäters?
Pfeiffer: Wenn er hier geboren ist - und das glaube ich ist der Fall -, dann ist er eindeutig jemand "made in Germany", der in unserer Gesellschaft geprägt wurde, dessen soziale Kontakte in Deutschland liegen. Das haben wir ja schon einmal erlebt bei dem alten Fall Mehmet, dass eine Abschiebung von den Gerichten nicht bestätigt wurde. So etwas könnte hier durchaus auch passieren.
Kaess: Herr Pfeiffer, es gab damals, als die Diskussion über Jugendkriminalität nach diesem Fall so hochkochte, Forderungen nach der Anhebung der Höchststrafe für junge Intensivtäter von 10 auf 15 Jahre. Wie ist das nach dem heutigen Urteil zu sehen?
Pfeiffer: Ich denke eine Anhebung von 10 auf 15 Jahre wäre nur dann gerechtfertigt, wenn alle 18- bis 21-Jährigen in das Jugendstrafrecht übernommen werden. Im Übrigen zeigt ja gerade hier dieser Fall, dass die Justiz Spielraum hat, wenn sie die Voraussetzungen erfüllt sieht, dann auch Erwachsenenstrafrecht anzuwenden und über die zehn Jahre hinauszukommen. Also rechtspolitisch gibt dieser Fall nichts her, dass wir irgendetwas ändern müssten.
Kaess: Ein anderer Vorschlag damals war der von Erziehungscamps. Wie erscheint diese Forderung heute?
Pfeiffer: Erziehungscamps bedeuten die Zusammenballung von hochbelasteten jungen Männern in einer Organisation. Das kann nicht gut gehen. Von daher ist viel, viel besser, was als Alternative in Deutschland auch schon in Süddeutschland, aber auch in Niedersachsen erprobt wird, dass gefährdete junge Leute in Familien, die speziell geschult werden, die Supervision erhalten, die aktiv unterstützt werden in ihrer Aufgabe, dass solche jungen Männer in Familien aufwachsen. Die Rückfallquoten dürften dort deutlich besser ausfallen, als wenn wir den Fehler begehen zu glauben, wenn man 30, 40 hochbelastete zusammenpfercht in einem Erziehungscamp, dass dabei etwas Vernünftiges herauskommt. Ich halte davon gar nichts!
Kaess: Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Vielen Dank für das Gespräch.
Christian Pfeiffer: Hallo!
Kaess: Herr Pfeiffer, zunächst die Frage: Wie beurteilen Sie das Urteil?
Pfeiffer: Ich denke beide Urteile erscheinen gerecht und angemessen, da der Vorwurf des versuchten Mordes doch deutlich belegt werden konnte.
Kaess: Sind diese Urteile hart genug, um eine abschreckende Wirkung zu haben?
Pfeiffer: Die Abschreckung ist vor allem dadurch entstanden, dass das Risiko des Erwischtwerdens deutlich demonstriert wurde. Dass dann auch eine harte Strafe folgt, ist selbstverständlich.
Kaess: Nun haben wir es gerade gehört. Eine wichtige Rolle spielt der Erziehungsgedanke. Ist dem denn genügend Rechnung getragen worden?
Pfeiffer: Ich denke ja. Bei dem Jüngeren kann das voll zum tragen kommen und auch bei dem Älteren ist ja keineswegs verboten, dass während seiner Haft Maßnahmen getroffen werden, die geeignet sind, ihn von der Gewalt wegzubringen. Von daher heißt ja Erwachsenenstrafrecht nicht, dass es keine Therapie gäbe. Im Gegenteil! Auch dort gilt für alle Gewalttäter bundesweit, dass ihnen Therapieangebote gemacht werden.
Kaess: Was heißt das in diesem Zusammenhang für die Resozialisierung?
Pfeiffer: Da ja hier die Abschiebung erwogen wird, ist das dann bestenfalls eine Resozialisierung in Griechenland oder der Türkei. Ich nehme an die bayerische Staatsregierung wird hier alle Hebel in Bewegung setzen, um das durchsetzen zu können.
Kaess: Das hat Bayerns Innenminister Joachim Hermann ja auch schon so angedeutet. Es würde niemand verstehen, wenn Ausländer, die eine derartige Brutalität an den Tag legen, weiter in Deutschland bleiben können. Das hat er gesagt. Stimmen Sie denn dieser Einschätzung und dieser Außenwirkung zu?
Pfeiffer: Nun ja, das sind in einem Fall jedenfalls in Deutschland geborene Menschen und eigentlich gilt schon der Grundsatz: Das was wir selber in unserer Gesellschaft mit erzeugt haben, diese Suppe haben wir auch auszulöffeln. Also hier denke ich, mit der Abschiebung wird man zumindest bei dem Jüngeren noch länger debattieren müssen und sich genauer anschauen, wie die Dinge laufen. Eines verdient in diesem Augenblick dann auch Erwähnung. Wir konnten ja Vergleichsuntersuchungen in Deutschland machen und stellen zu unserer Freude fest: Dort wo es zunehmend gelingt, junge Migranten - Türken, Griechen, ganz egal welche - in die Bildung zu integrieren, geht ihre Gewalt zurück. Erziehung funktioniert. Dort freilich, wo es Rückschritte gibt, wie beispielsweise in München, haben wir leider dann auch steigende Jugendgewalt.
Kaess: Und was spräche in diesem Zusammenhang für Sie gegen die Abschiebung des jüngeren Straftäters?
Pfeiffer: Wenn er hier geboren ist - und das glaube ich ist der Fall -, dann ist er eindeutig jemand "made in Germany", der in unserer Gesellschaft geprägt wurde, dessen soziale Kontakte in Deutschland liegen. Das haben wir ja schon einmal erlebt bei dem alten Fall Mehmet, dass eine Abschiebung von den Gerichten nicht bestätigt wurde. So etwas könnte hier durchaus auch passieren.
Kaess: Herr Pfeiffer, es gab damals, als die Diskussion über Jugendkriminalität nach diesem Fall so hochkochte, Forderungen nach der Anhebung der Höchststrafe für junge Intensivtäter von 10 auf 15 Jahre. Wie ist das nach dem heutigen Urteil zu sehen?
Pfeiffer: Ich denke eine Anhebung von 10 auf 15 Jahre wäre nur dann gerechtfertigt, wenn alle 18- bis 21-Jährigen in das Jugendstrafrecht übernommen werden. Im Übrigen zeigt ja gerade hier dieser Fall, dass die Justiz Spielraum hat, wenn sie die Voraussetzungen erfüllt sieht, dann auch Erwachsenenstrafrecht anzuwenden und über die zehn Jahre hinauszukommen. Also rechtspolitisch gibt dieser Fall nichts her, dass wir irgendetwas ändern müssten.
Kaess: Ein anderer Vorschlag damals war der von Erziehungscamps. Wie erscheint diese Forderung heute?
Pfeiffer: Erziehungscamps bedeuten die Zusammenballung von hochbelasteten jungen Männern in einer Organisation. Das kann nicht gut gehen. Von daher ist viel, viel besser, was als Alternative in Deutschland auch schon in Süddeutschland, aber auch in Niedersachsen erprobt wird, dass gefährdete junge Leute in Familien, die speziell geschult werden, die Supervision erhalten, die aktiv unterstützt werden in ihrer Aufgabe, dass solche jungen Männer in Familien aufwachsen. Die Rückfallquoten dürften dort deutlich besser ausfallen, als wenn wir den Fehler begehen zu glauben, wenn man 30, 40 hochbelastete zusammenpfercht in einem Erziehungscamp, dass dabei etwas Vernünftiges herauskommt. Ich halte davon gar nichts!
Kaess: Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Vielen Dank für das Gespräch.