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Pflanzliche Wahrnehmung - Wie reagieren Pflanzen auf Einflüsse aus ihrer Umwelt?

Manche Menschen sprechen mit ihren Blumen und schwören darauf, dass es den Pflanzen hilft beim Wachsen und Gedeihen. Andere begnügen sich mit Gießen und Düngen - und wenn dann die eine oder andere Pflanze mal eingeht, dann ist das zwar schade, aber eben Pech. Vielleicht lag es am falschen Standort - zu viel oder zu wenig Sonne- oder auch an der falschen Pflege. In der Landwirtschaft will man dieses Pech natürlich vermeiden und deshalb ist es wichtig zu wissen, wie Pflanzen auf Einflüsse aus ihrer Umwelt reagieren. Genau mit dieser Frage, mit der pflanzlichen Wahrnehmung, hat sich die Universität Potsdam befasst.

von Dorothea Hilgenberg |
    Anders als Menschen und Tiere können Pflanzen bei Gefahr nicht weglaufen. Sie sind den Unbillen des Wetters, verdreckter Luft und überhöhten Ozonwerten ausgeliefert. Nicht immer hilflos, wie sich im Laufe der Evolution gezeigt hat. Wie die Menschen auch haben sie mit einem Teil der Last gelernt umzugehen. Doch während wir mit unseren Sinnesorganen schmecken, riechen und fühlen, reagieren die Pflanzen anders. Oder besser: woanders, in den Zellen nämlich. Für den Molekularbiologen Professor Bernd Müller-Röber ein vielschichtiger Prozeß:

    Sie haben Wurzeln, die Wurzeln richten sich nach der Erdanziehung. Sie richten sich auch nach Wassergradienten im Boden, sie richten sich möglicherweise nach Sonnenkonzentrationen im Boden. Pflanzen besitzen ja Wurzeln, die sich in ihrem Wachstumsverhalten verändern können. Auch da gibt es eine ganze Reihe von Signalwegen. Neben der Wurzel haben wir den Stengel. Der Stengel kann unterschiedliches Wachstumsverhalten zeigen. Er kann schneller wachsen, er kann langsamer wachsen, auch das hängt wieder von der Umgebung ab. Je nachdem, ob es dunkel ist, ob viel Licht da ist, wird der Stengel unterschiedlich schnell wachsen. Blätter reagieren, auch die Schließzellen reagieren. Wir finden in der Blüte Zellen und Gewebe, die reagieren können. Beispiel: Die Interaktion zwischen Pollen und Narbe. Letztendlich ist vermutlich jede Zelle in einer Pflanze fähig, zumindest auf einen Teil der Signale zu reagieren.

    Die Pflanze antwortet auf Umweltreize, indem sie ihren Stoffwechsel und ihre Entwicklung ändert. Über ein komplexes System nimmt sie die Signale, die in die verschiedenen Gewebe, Organe und Zellen der Pflanze weitergegeben werden, an der Oberfläche und im Innern wahr. Eine Signalkaskade nennt Bernd Müller-Röber diesen Mechanismus:

    Was sie in Gang setzt, kann die Aktivierung von Genen sein, es kann ein Gen sein, es können viele Gene sein, die simultan aktiviert werden. Andere Gene werden inaktiviert. Die Signalkaskade kann auch dazu führen, dass bestimmte Poren in der Zellmembran geöffnet oder geschlossen werden. Es kann dazu kommen, daß Proteine - also Eiweiße - in der Zelle auf einmal miteinander wechselwirken aufgrund eines äußeren Stimulus. Da gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Und das sehen wir der Pflanze nicht ohne weiteres an. Wir sehen es der Pflanze an im Ergebnis, das heißt, wenn sie tatsächlich eine veränderte Entwicklung durchmacht. Oder wir können es sehr gut mit den Methoden der Molekularbiologie nachweisen.

    Über die Erkundung der Gene nämlich. Im letzten Dezember ist das Genom der als Modellpflanze besonders geeigneten "Ackerschmalwand", Lateinisch: "Arabidopsis thaliana", sequenziert und publiziert worden. Bis zum Jahr 2010 will man die Funktion ihrer sämtlichen 25-26000 Gene aufgeklärt haben. Für Bernd Müller-Röber wäre das auch ein Durchbruch für die Pflanzenzüchtung:

    Bleiben wir beim Beispiel Trockenstreß: Wir haben ein Gen identifiziert in der Modellpflanze "Arabidopsis thaliana". Wenn dieses Gen nicht mehr funktionell ist, dann wissen wir, daß wir eine Pflanze bekommen, die eine größere Trockenstress-Toleranz besitzt als die nicht veränderte Pflanze. Jetzt kann der Züchter hingehen und versuchen, ein entsprechendes Gen aus einer Getreidepflanze oder aus Raps zu isolieren und eine entsprechende genetische oder gentechnische Modifikation in der Getreidepflanze durchzuführen und wenn alles so läuft wie bei der Modellpflanze, dann würden wir auch bei den Getreidepflanzen Pflanzen bekommen, die weniger anfällig für Trockenstreß sind.

    Ein Erfolg ist gerade kanadischen Molekularbiologen gelungen. Sie haben durch Veränderung eines Gens wohlschmeckende Tomaten gezüchtet, die unter äußerst hohen Salzkonzentrationen gewachsen sind:

    Man hat festgestellt, daß sich das Salz, das sich im Boden befindet, in diesem Fall in den Blättern anhäuft. Das heißt, das Salz schädigt von daher die Pflanzen nicht mehr, die Pflanze wächst wunderbar und produziert sehr normale Früchte. Das gleiche Gen hat man benutzt, um bestimmte Rapspflanzen herzustellen, die eine höhere Salztoleranz besitzen als ihre Verwandten. So etwas ist extrem interessant, um neue Anbaugebiete zu erschließen.