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Pflicht zur Impfberatung
Zwang hilft nicht

Die Pflicht zur Impfberatung für Eltern soll verschärft werden und Kindertagesstätten sollen dabei helfen. Das sieht eine Neuregelung aus dem Bundesgesundheitsministerium vor. Kritiker sehen darin allerdings ein Problem für das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kita.

Von Nele Rößler | 01.06.2017
    Der Kinder-und Jugendarzt Dr. Klaus Schwieger impft in seiner Praxis in Leipzig ein 21 Monate altes Kleinkind
    Deutschland diskutiert derzeit wieder über eine Impfpflicht. (picture alliance /dpa /Waltraud Grubitzsch)
    Es ist ein sonniger Nachmittag in Köln. Die Kinder der bilingualen Kita Groß St. Martin spielen auf ihrem Spielplatz in der Kölner Innenstadt.
    Sie bauen Sandburgen, spielen in dem kleinen Holzhaus oder rennen über die Steine. Wenn Kinder draußen spielen, verletzen sie sich auch mal.
    Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut rät deshalb, Kinder gegen Tetanus, also Wundstarrkrampf zu impfen. In den letzten Jahren sind die Impfraten bei Kindern gestiegen.
    Kitas müssten künftig Eltern melden
    In Deutschland sterben aber noch immer Menschen an Krankheiten, gegen die es Impfungen gibt. Gesundheitsminister Herbert Gröhe will deshalb die Regelungen zum Impfschutz verstärken. Heute berät der Bundestag über das Epidemiologie-Gesetz. Damit müssten Kitas zukünftig Eltern melden, die nicht bei der Impfberatung waren.
    Auch Annas Sohn spielt auf dem Hof der spanisch-deutsch-sprachigen Kita Groß St. Martin. Er wurde erst vergangene Woche geimpft. Anna ist skeptisch, wenn der Staat Eltern das Impfen vorschreibt. "Das liegt an den Eltern, das kann man nicht erzwingen."
    Die Frau, die Anna gerade beim Übersetzen geholfen hat, heißt Josefina. Auch ihr Kind geht hier in den Kindergarten. Sie hat eine andere Meinung. "Wenn der Kindergarten das vorher den Eltern mitteilt, finde ich das schon richtig."
    Karren holt gerade ihren Sohn aus dem Kindergarten ab. "Mein Kind wird auch geimpft, da habe ich auch gar kein Problem mit. Aber dass das weiter gegeben wird, nein, das wäre zu viel. Ich glaube, das wär nicht gut".
    Seit 2014 können Kitas und Schulen ungeimpfte Kinder ausschließen, wenn eine Krankheitsausbreitung droht. Auch jetzt sind Eltern bereits verpflichtet zur Impfberatung zu gehen. Gehen sie nicht, müssen sie mit einer Strafzahlung von 2.500 Euro rechnen. Allerdings gab es bis jetzt niemanden, der so ein Versäumnis gemeldet hätte.
    Pflichten gibt es in Deutschland genug, findet die Kita-Leiterin
    Nach dem von Gröhe vorgelegten Gesetzesentwurf wären die Kitas jetzt dazu verpflichtet. Und Pflichten gebe es in Deutschland schon genug, findet die Leiterin der Kita Groß St. Martin, Maria Lamaina.
    "Ich persönlich bin ich der Meinung, dass Eltern eigenständig entscheiden müssen, sollen ob sie ihre Kinder impfen lassen oder nicht. Ich finde da jetzt gesetzlich Druck auszuüben schon einen Eingriff in die Privatsphäre der Menschen."
    Vertrauen Eltern zukünftig ihrer Kita weniger, wenn die Informationen über den Impfstatus ihrer Kinder weiter gibt? "Ich finde nicht, dass das Vertrauensverhältnis gestärkt oder geschwächt wird, es kommt natürlich immer auf die Eltern an."
    Auch zwei Kilometer von der Kita Groß St. Martin entfernt, im Gesundheitsamt Köln sieht Leiterin Dr. Anne Bunte den Gesetzesentwurf kritisch. "Das Problem ist, dass eine verpflichtende Weiterleitung nicht unbedingt zu einem höheren Verständnis und Akzeptanz von Eltern gegenüber Impfungen führt. Das ist eine langjährige Erfahrung. Wir erleben in Köln das wir eine starke Verbindung sehen zwischen sozialer Situation von Eltern und Kindern und der Bereitschaft zu impfen."
    Die Eltern werden sich Alternativen überlegen
    In Köln sind in den sozial schlechter gestellten Stadtteilen mehr Kinder geimpft als in den besser gestellten Stadtteilen.
    In der Kita Groß St. Martin kommen die Kinder aus ganz unterschiedlichen sozialen Schichten, sagt die Leiterin Maria Lamaina. Dennoch kann sie sich nur an einen Fall erinnern, in dem Eltern sich weigerten, ihre Kinder impfen zu lassen.
    Dass Eltern mit so einer Überzeugung ihr Kind durch das neue Gesetz Impfen lassen würden, hält Anne Bunte vom Gesundheitsamt Köln für unwahrscheinlich. "Eltern, die ihr Kind in einer bestimmten Kita nicht anmelden dürfen, weil sie den Nachweis nicht erbringen werden sich Alternativen überlegen. Denn wir haben hier in Köln eher Eltern die sehr differenziert damit umgehen und sich dann bewusst entscheiden als Eltern, die die Impfung einfach vergessen haben."
    Anne Bunte geht nicht davon aus, dass der Gesetzesentwurf von Gröhe zu mehr Impfungen von Kindern führt.