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Pflieger: Klar hat das meiste auf dem Kerbholz innerhalb der RAF

Trotz neuer Informationen im Fall Christian Klar geht der Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, Klaus Pflieger, davon aus, dass die Mindestverbüßdauer des ehemaligen RAF-Terroristen mit 26 Jahren gerechtfertigt ist. Dieses Strafmaß basiere bereits auf der Annahme, dass Klar nicht der Schütze bei der Ermordung Siegfried Bubacks war. Eine völlig neue Situation könnte sich dann ergeben, wenn Klar nichts mit der Ermordung Bubacks zu tun gehabt hätte.

Moderation: Jochen Spengler |
    Spengler: Es gibt Bewegung im Fall Christian Klar. Bundespräsident Horst Köhler wird nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" heute im kleinen Kreis über das Gnadengesuch des früheren RAF-Terroristen beraten. Bewegung gibt es, weil der Sohn des vor 30 Jahren ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback sich nun überraschend für die Begnadigung von Christian Klar einsetzen will, denn er, Michael Buback, habe neue Informationen erhalten, wonach Klar seinen Vater nicht ermordet habe.

    Am Telefon ist nun Klaus Pflieger, der Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart. Er war vor etlichen Jahren in der Bundesanwaltschaft mitverantwortlich für die Anklage gegen Christian Klar und er hat auch ein Buch zum Thema RAF veröffentlicht. Guten Tag Herr Pflieger.

    Pflieger: Guten Tag Herr Spengler.

    Spengler: Herr Pflieger, Klar soll nicht der Mörder von Siegfried Buback und seinen zwei Begleitern sein. Ist das auch für Sie eine neue Erkenntnis?

    Pflieger: Das haben wir nie behauptet - weder in der Anklage, noch in der Verurteilung Klars -, dass er selbst auf Buback und seine beiden Begleiter geschossen hat. Wir haben auch nicht behauptet, dass er auf dem Motorrad gesessen hat, sondern das Gericht hat festgestellt: er hat zu denjenigen gehört, die bei der Vorbereitung und Durchführung dieses Anschlages beteiligt waren. Das ist im deutschen strafrechtlichen Begriff eine Mittäterschaft und dementsprechend hat das Gericht Christian Klar damals als Mittäter an der Ermordung von Buback und seinen beiden Begleitern verurteilt. Das war hauptsächlich auch darauf gestützt, wie ebenso bereits schon bereits bei der Anklage, dass Christian Klar mit dem Tatmotorrad, das fünf Tage vor der Tat gekauft worden war, gesehen worden war von Zeugen und auch gesehen worden war in dem Fluchtfahrzeug, einem Alfa Romeo, mit dem die Täter später vom Tatort geflüchtet sind.

    Spengler: Aber es würde doch einen Unterschied machen, wenn es nun heute heißt, er war auf keinen Fall der Täter, im Vergleich zu damals, wo es hieß, er war ein Mittäter in welcher Form auch immer.

    Pflieger: Ja gut. Das ist dieser Wahrheitsgehalt, den die Bundesjustizministerin auch bereits angesprochen hat. Wir haben bei der Anklage zu Grunde gelegt und auch für die Verurteilung, dass es Zeugen gibt, mehrere Zeugen, die Christian Klar mit den Tatfahrzeugen gesehen haben. Damit ist er schon Mittäter. Das ist nichts Besonderes in Bezug auf Terroristen. Das ist unser deutsches Strafrecht generell, so dass also diese neue Bewertung nichts Neues ergibt.
    Etwas anderes würde allenfalls dann gelten, wenn dieser Informant behaupten würde, Christian Klar habe mit der Buback-Geschichte überhaupt nichts zu tun, weder im Vorfeld, noch bei der Planung oder Vorbereitung.

    Spengler: Für den Angehörigen Michael Buback, also den Sohn von Siegfried Buback, ist es aber etwas Neues zu wissen, dass Christian Klar nicht persönlich seinen Vater erschossen hat.

    Pflieger: Das verstehe ich. Das ist etwas, was ich immer schon auch erbeten habe, dass man den Angehörigen sagen sollte, wer der Schütze gewesen ist. Aber strafrechtlich - und jetzt wiederhole ich mich - haben wir nie etwas anderes behauptet. Wir haben nie gesagt, Christian Klar war der Schütze. Insofern ist die jetzige Erkenntnis nichts Neues.

    Spengler: Aber es wäre doch auch für uns insgesamt als Gesellschaft, für Sie als Justizbehörde wichtig und sinnvoll zu wissen, wer der Schütze war?

    Pflieger: In der Tat! Da gebe ich Ihnen, Herr Spengler, vollkommen Recht. Deshalb kämpfen wir Staatsanwälte schon seit Jahrzehnten - ich persönlich auch - darum, Klarheit in diese Sachen zu bekommen, insbesondere festzustellen, etwa als Beispielsfall wer Schleyer erschossen hat. Das gilt natürlich im gleichen Maße für denjenigen, der vom Sozius aus von dem Motorrad in dieses Fahrzeug in Karlsruhe geschossen hat und dabei Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter erschossen hat. Das ist etwas, worum wir schon seit Jahren kämpfen, und insofern sind wir daran interessiert, das zu erfahren. Das ist fraglos auch strafrechtlich von gewisser Bedeutung, nämlich zum Beispiel was das Mindestmaß der Verbüßung betrifft. Aber bei dieser Festlegung der 26 Jahre, wovon Sie bei Klar schon im Vorspann gesprochen haben, ist bereits unterstellt, dass er nicht der Schütze ist.

    Spengler: Nun argumentiert Michael Buback, dass er, Christian Klar, sich dann doch nicht mehr deutlich von anderen Mördern aus dem RAF-Kreis abheben würde und dadurch eigentlich auch nicht länger im Gefängnis bleiben sollte als die anderen.

    Pflieger: Wenn das zuträfe, dann würde ich ihm sofort Recht geben. Nur hat das Gericht nicht von Ungefähr bei Mohnhaupt 24 Jahre Mindestverbüßungszeit und bei Klar 26 Jahre festgelegt. Klar hat die meisten Straftaten begangen, jedenfalls was Gegenstand der Verurteilungen war. Er hat über das, was Mohnhaupt begangen hat, ein weiteres Lebenslänglich bekommen wegen eines Banküberfalls in Zürich, wo es zu mehreren Mordversuchen kam. Es kam dort zu insgesamt fünf Mordversuchen. Zudem ist eine Passantin zu Tode gekommen. Darüber hinaus hat er eine weitere Tat begangen Anfang des Jahres 1977, als er am Schweizer Grenzübergang in Riehen zwei Polizeibeamte, Grenzbeamte versucht hat zu erschießen. Also er hat erheblich mehr getan. Mohnhaupt hat fünfmal Lebenslänglich bekommen, er sechsmal. Allein daraus ergibt sich diese Differenzierung. Er ist derjenige, der laut Urteilslage die meisten Straftaten begangen hat, das meiste auf dem Kerbholz hat innerhalb der RAF.

    Spengler: Danke schön für das Gespräch. - Das war Klaus Pflieger, der Leiter der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart.