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Phänomen Dorfladen
Alle wollen ihn, wenige kaufen dort

Ein Dorfladen im mecklenburgischen Grambow kämpft ums Überleben - und steht für viele andere seiner Art. Denn obwohl viele Landbewohner die Idylle der Lädchen schätzen, erledigen sie ihren Einkauf im Supermarkt auf der grünen Wiese. Ist der Dorfladen zu retten?

Von Silke Hasselmann | 28.02.2019
Aussenansicht des Dorfladens in Grambow bei Schwerin.
Der Dorfladen in Grambow bei Schwerin hält sich mit Ehrenamtlichen über Wasser (Silke Hasselmann)
Unterwegs in dem hellen, geräumigen Laden, wo die Vormittagsschicht von 8 bis 11 Uhr zu Ende geht. "Wir haben über tausend Produkte; fast alles", erklärt Chris Besenhard, der heute die Kasse übernommen hat - ehrenamtlich. Der Grambower trägt eine weinrote Schürze mit dem Schriftzug: "Unser Dorfladen Grambow eG" und ist einer der knapp 60 Mitglieder der eingetragenen Genossenschaft, die dem Dorf bei Schwerin vor vier Jahren den ersten eigenen Laden seit dem Ende der DDR verschaffte.
Viel los ist jetzt nicht. Nur Birgit Beutin lässt einen Weißkohl wiegen und erzählt, dass sie und ihr Mann etwa 60 Prozent ihres Einkaufs hier im Dorfladen erledigen. "Weil man auch schon in dem Alter ist, wo man auf weite Wege gern verzichten möchte und vor allem: Hier gibt es tausend Produkte und da ist immer was dabei. Gerade Bio-Produkte: frische Eier, Bio-Milch, Bio-Butter."
Strategie: anders sein
Chris Besenhard: "Ja, das ist uns eigentlich ganz besonders wichtig, wie wir uns als Dorfladen von anderen Läden abheben können. Also wir haben die Imker-Produkte von unserem dorfeigenen Imker, Herrn Bolte. Wir haben ausgewählte Bio-Produkte von der Bioland-Gärtnerei Dirk von der Ehe im Angebot, Wildfleisch von hiesigen Jägern. Und eigentlich das Allerwichtigste: Dass wir wirklich richtige Bäckerware hier anbieten und nicht aufgebackene Brötchen. Das würde zwar alles viel einfacher machen. Aber wir wollten dort diesen Standard einhalten."
Ehrenamtlich steht Chris Besenhard im Dorfladen Grambow hinter der Kassen.
Chris Besenhard steht im Dorfladen Grambow ehrenamtlich hinter der Kassen. (Silke Hasselmann)
Mit einer Frischfleischtheke habe es hingegen nicht geklappt, ergänzt Karin Jaskulke. Die kleine, silberhaarige Seniorin kümmert sich ehrenamtlich um den Einkauf für den Einkauf, sprich: um die Warenbestellung. Das Problem mit frischer Fleisch- und Wurstware: "Bei Fleisch brauchten wir einen Fleischer, Fachverkäufer. Ansonsten darf man diese frischen Produkte nicht anbieten. Hätten wir zwar gern gemacht. Aber das übersteigt dann unsere Möglichkeiten."
Weniger Kunden als zunächst geglaubt
Auch in anderen Belangen hätten sich die Dorfladen-Enthusiasten anfangs vertan, sagt Mitbegründer Chris Besenhard. "Alles hatten wir uns einfacher vorgestellt. Wesentlich mehr Kundenzulauf hatten wir uns vorgestellt. Wir haben etwa 60 Prozent von dem prognostizierten Umsatz und haben dann noch mal das Konzept umstellen müssen."
Schon ein Jahr nach der Eröffnung mussten sie eine bezahlte Verkäuferin entlassen und eine weitere auf 20 Stunden pro Woche heruntersetzen. Ohne die Ehrenamtlichen wäre längst wieder Feierabend, sagt Aufsichtsrat Werner Beutin. Er und seine Frau begleiten einen Spielenachmittag für Kinder, und zwar in der Bibliothek, die über eine kleine Küche mit dem Dorfladen verbunden ist. Gut, dass die Gemeinde dessen Mietpreis auf einen symbolischen Wert gesenkt hat, findet der Rentner. Denn obwohl alle Grambower den Laden wollten, ließen zu wenige ihr Geld hier. Ein Grund: Die etwas höheren Preise als bei Discountern.
Wer in der großen Stadt arbeitet, kauft auch oft dort ein
Ein anderer: "Hier in Grambow arbeiten die wenigsten Menschen. Die fahren nach Schwerin zur Arbeit, nach Hamburg oder sonst wohin, und was macht man bei dem Riesenangebot in den Städten? Nach Feierabend wird der Wagen einmal vollgeladen und man kauft für eine Woche oder zumindest für einen längeren Zeitraum ein. Tja, und daran kranken wir ein bisschen."
Birgit Beutin: "Ja, und dann mit den älteren Leuten ist meine Feststellung, dass die Kinder von den älteren Leuten mit ihren Müttern oder Vätern Einkaufen fahren, damit sie mal rauskommen. Ich habe die Älteren auch schon gefragt: 'Warum kommt ihr nicht hier einkaufen? ' - 'Ja, dann kommen wir ja gar nicht mehr aus dem Dorf raus!'"
Zugezogene sind Hoffnungsträger
Die Dorfladenbetreiber fühlen sich an die Zeit kurz nach dem DDR-Ende erinnert, als alle Welt in die neuen Supermärkte auf der grünen Wiese strömte und später über verödete Dörfer und Innenstädte klagte. Die Hoffnung ruht nun vor allem auf den jungen Familien. Zwar erledige sie im Dorfladen nicht ihren Haupteinkauf, schaue aber vor allem in der Nachmittagsschicht von 15 bis 18 Uhr gern vorbei, sagt diese Neu-Grambowerin:
"Wir sind auch erst vor zwei Jahren hergezogen und ich hätte nicht gedacht, dass es hier tatsächlich so ein gutes Angebot gibt. Gerade dass man nicht noch mal mit dem Auto los muss, so wie ich jetzt mit meinen zwei Kindern, dass ich nicht noch mal alles extra einpacken muss. Finde ich sehr wichtig. Ja."