Michael Braun: Ich würde ihn noch nicht als endgültig bezeichnen. Natürlich sind weitgehend die Hürden beseitigt worden. Vor allem hat das Management von Aventis jetzt einem höheren Preis zugestimmt, der nun zumindest angeboten worden ist. Aber die Aktionärsversammlungen beider Unternehmen müssen noch zustimmen. Es ist sicherlich auch so, dass die Betriebsversammlungen nicht unbedingt ein entscheidendes Wort mitzureden haben, aber sie werden die Stimmung mit beeinflussen können und über ihre Stimmen als Mitarbeiteraktionäre vielleicht dann auch auf den Hauptversammlungen noch für einen Unsicherheitsfaktor sorgen können. Es ist bei Aventis zumindest so, dass drei bis vier Prozent der Aktien in Mitarbeiterhand liegen, aber es gibt auch Berichte, dass ein großer Einzelaktionär, nämlich das Scheichtum Kuwait, mit immerhin 13,5 Prozent an Aventis beteiligt, bisher sich offensichtlich der Stimme enthalten hat. Was das konkret bedeutet, ist noch nicht ganz klar. Es könnte bedeuten, dass sie entweder mit dem Preis oder auch mit dem ganzen Konzept nicht einverstanden sind. Die Wahrscheinlichkeiten dieser Fusion sind größer geworden, endgültig scheint sie mir noch nicht.
Spengler: Wiederstände aus Berlin oder Brüssel sind nicht zu erwarten?
Braun: Es ist zumindest so, dass Analysten, mit denen man hier spricht und auch Betriebsratsangehörige, mit denen ich gesprochen habe, doch sehr stark darauf abheben, dass die französische Regierung einen großen Einfluss auf das Zustandekommen dieser Fusion ausgeübt hat und damit darauf, dass eben die ursprünglich deutschen Anteile, die Höchstanteile, noch weiter verbessert werden in Richtung eines französischen Konzerns. Es ist offensichtlich dort viel, auch aus politischen Gründen, getan worden, um den Pharmastandort Deutschland zu fördern. Aus Berlin hat man bisher hauptsächlich gehört, das sei eine Sache der Unternehmensentscheider und das seien eben Unternehmensentscheidungen und das seien Börsenentscheidungen, da soll sich die Politik raushalten. Das hatten Schröder und Chirac wohl auch miteinander vereinbart. Die Berliner Regierung hat sich bisher weitgehend daran gehalten, die französische nicht. Ob sie es weiter tut? Es klingt im Moment so, aber wir werden das abwarten.
Spengler: Das müssen Sie noch ein bisschen näher erklären. Die französische Regierung hat auch offiziell gesagt, wir halten uns zurück. Jetzt merkt man, sie haben sich nicht so sehr zurückgehalten. Die Berliner Regierung hält sich weiter zurück. Müsste man sagen, dass es Berliner Schuld ist, wenn in Frankfurt Arbeitsplätze verloren gehen?
Braun: So stark würde ich das nicht formulieren, sondern es geht natürlich in erster Linie wirklich darum, dass hier Unternehmen entscheiden, wie sie ihre beste Konstellation finden können. Aber es ist schon so, dass die französische Regierung eindeutig und auch druckvoll am Wochenende darauf aufmerksam gemacht hat, dass wenn eine Fusion von Aventis und Sanofi zustande kommt, dass die dann eben zustande kommen soll und eben mit diesem französischen Übernehmer Sanofi und nicht durch den weißen Ritter, den schweizer Novatis Konzern. Die Franzosen haben offensichtlich Wert darauf gelegt, dass im Zweifel für den Standort Frankreich entschieden werden soll. Da hat die Deutsche Regierung sicherlich Einflussmöglichkeiten nicht angewendet. Das ist zumindest bisher nicht erkennbar.
Spengler: Aus welchen Motiven müssen wir offen lassen. Bleiben wir mal einen Moment bei dem weißen Ritter, den Sie da erwähnt haben, der schweizer Konzern Novatis. Die haben sozusagen, um Sanofi abzuwehren, selber ein Übernahmeangebot abgegeben, ziehen sich aber nun zurück. War denn dieses Angebot des weißen Ritters ernst gemeint oder war das nur ein Scheinangebot?
Braun: Wie konkret dieses Angebot war, kann ich auch nicht entscheiden. Es war davon die Rede, dass es auch ein sehr viel höheres Angebot gewesen sein soll, als die 54 Milliarden Euro, die Sanofi nun zu zahlen bereit ist. Es soll bis in den Bereich von 60 Milliarden Euro hineingegangen sein. Es ist wohl möglich, dass Aventis da selbst versucht hat, ein befreundetes Unternehmen zu gewinnen, um Sanofi abzuwehren, in der Zeit, als noch die Abwehr aktuell war. Ob das ein ernsthaftes Angebot war, kann ich auf die Distanz hier nicht entscheiden. Es ist auf jeden Fall so, dass Sanofi sich jetzt durchgesetzt hat.
Spengler: Erklären Sie doch einem Laien wie mir... Warum haben die sich durchgesetzt? Wenn Novatis 60 Milliarden bietet und die nur 54, sollte man doch glauben, dass das höhere Angebot den Zuschlag bekommt?
Braun: Es war kein konkretes Angebot. Aber da besteht auch noch ein Risiko, dass zum Beispiel amerikanische Aktionäre, die bei Aventis beteiligt sind, auf der Hauptversammlung noch Kritik anmelden können. Das ist jedenfalls eine Hoffnung, die innerhalb des Aventis Unternehmens bei Gegner dieser Fusion mit Sanofi noch gehegt wird, dass diese Aktionäre sagen: "Da hat es überhaupt keinen Wettstreit gegeben. Wir sind dadurch benachteiligt worden." Deshalb könnte da noch ein Risiko für die Fusion entstehen. Es ist möglicherweise kein ernst gemeintes Angebot gewesen, aber das Management von Aventis hat nun durchgedrückt, dass seine Position besser sein wird in dem nun zur Fusion anstehendem Unternehmen, als das vorher der Fall gewesen ist. Das ist sicherlich ein Vorteil aus Managementsicht, der das früher unfreundliche Angebot nun zu einem angeblich freundlichem gemacht hat.
Spengler: Wir erinnern uns noch an die Protestversammlungen vor einigen Wochen von Aventis, Verlust von Arbeitsplätzen, Nachteile für den Forschungsstandort Deutschland... Das wurde damals gesagt. Ist das nun alles hinfällig?
Braun: Nein, ich glaube, das ist nicht hinfällig. Wenn man sich mal anschaut, dass die Gesundheitsreform in Deutschland sehr stark auch auf die Pharmaindustrie drückt, zum Beispiel, weil verschreibungsfreie Medikamente nicht mehr im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen sind und weil die forschungsintensiven Medikamente mit einem Zwangsrabatt von16 Prozent belegt worden sind. Das drückt natürlich auf den Standort hier, zumal man weiß, dass die überwiegenden mittelständischen Pharmaunternehmen hier eine Rendite von vier bis acht Prozent haben. Wie die dann 16 Prozent Rendite zahlen sollen, das ist denen natürlich schwer verständlich. Es ist auch so, dass vor zwei Jahren erstmals in Deutschland mehr Medikamente eingeführt worden sind, als ausgeführt. Die einstige Apotheke der Welt, die die Welt mit Medikamenten beliefert hat, die kauft nun in der Welt die Apotheke für den eigenen Bedarf. Der Standort hat gelitten und es könnte durchaus sein, dass diese Fusion, die nun ansteht, weiterhin zu einer Abwanderung führen könnte, oder zumindest im Zweifel für den Heimatstandort Frankreich entschieden wird und nicht für den früheren Mitheimatstandort Deutschland.
Spengler: Zusammengefasst, für wen hat denn, außer den Aktionären, dieser Zusammenschluss Vorteile?
Braun: Zunächst ist es richtig, offensichtlich ist es nur für das Management und für den Standort Frankreich ein Vorteil. Ob die Aktionäre einen Vorteil davon haben, das ist auch noch nicht richtig ausgelotet, denn das, was Sanofi jetzt vorgeschlagen hat, entspricht, wenn man es richtig durchrechnet, dem Aktienkurs des vergangenen Freitag. Da ist über das Wochenende nicht viel passiert. Es scheint so zu sein, dass der Standort Frankreich, die Politik und das Management, im Moment die einzigen Vorteilnehmer davon sind.
Spengler: Management ist das Stichwort. Sehen Sie Parallelen zu Mannesmann?
Braun: Es gibt Parallelen etwa darin, dass natürlich jetzt deutsche Konzernzentralen ins Ausland gewandert sind, wie das bei Vodafon der Fall war, wie das bei Herrn Saban der Fall ist, der Pro7 aufgekauft hat. Ob dies auf Dauer durchhaltbar ist, ist sicherlich eine Debatte, die in Deutschland geführt werden muss. Da ist die Frage, ob eine Regierung untätig sein darf, es der Wirtschaft überlassen darf, oder ob ein Land ohne Konzernzentralen im internationalen Wettlauf noch bestehen kann. Das ist eine Debatte, die, glaube ich, zu führen ist, jetzt nach dieser Entscheidung hier. Herr Werner Sinn, der Leiter des ifo-Instituts ist sich da ganz sicher: Eine Regierung darf dort nicht zurückstehen. Sie muss Konzernzentralen in ihrem Land halten.
Spengler: Wiederstände aus Berlin oder Brüssel sind nicht zu erwarten?
Braun: Es ist zumindest so, dass Analysten, mit denen man hier spricht und auch Betriebsratsangehörige, mit denen ich gesprochen habe, doch sehr stark darauf abheben, dass die französische Regierung einen großen Einfluss auf das Zustandekommen dieser Fusion ausgeübt hat und damit darauf, dass eben die ursprünglich deutschen Anteile, die Höchstanteile, noch weiter verbessert werden in Richtung eines französischen Konzerns. Es ist offensichtlich dort viel, auch aus politischen Gründen, getan worden, um den Pharmastandort Deutschland zu fördern. Aus Berlin hat man bisher hauptsächlich gehört, das sei eine Sache der Unternehmensentscheider und das seien eben Unternehmensentscheidungen und das seien Börsenentscheidungen, da soll sich die Politik raushalten. Das hatten Schröder und Chirac wohl auch miteinander vereinbart. Die Berliner Regierung hat sich bisher weitgehend daran gehalten, die französische nicht. Ob sie es weiter tut? Es klingt im Moment so, aber wir werden das abwarten.
Spengler: Das müssen Sie noch ein bisschen näher erklären. Die französische Regierung hat auch offiziell gesagt, wir halten uns zurück. Jetzt merkt man, sie haben sich nicht so sehr zurückgehalten. Die Berliner Regierung hält sich weiter zurück. Müsste man sagen, dass es Berliner Schuld ist, wenn in Frankfurt Arbeitsplätze verloren gehen?
Braun: So stark würde ich das nicht formulieren, sondern es geht natürlich in erster Linie wirklich darum, dass hier Unternehmen entscheiden, wie sie ihre beste Konstellation finden können. Aber es ist schon so, dass die französische Regierung eindeutig und auch druckvoll am Wochenende darauf aufmerksam gemacht hat, dass wenn eine Fusion von Aventis und Sanofi zustande kommt, dass die dann eben zustande kommen soll und eben mit diesem französischen Übernehmer Sanofi und nicht durch den weißen Ritter, den schweizer Novatis Konzern. Die Franzosen haben offensichtlich Wert darauf gelegt, dass im Zweifel für den Standort Frankreich entschieden werden soll. Da hat die Deutsche Regierung sicherlich Einflussmöglichkeiten nicht angewendet. Das ist zumindest bisher nicht erkennbar.
Spengler: Aus welchen Motiven müssen wir offen lassen. Bleiben wir mal einen Moment bei dem weißen Ritter, den Sie da erwähnt haben, der schweizer Konzern Novatis. Die haben sozusagen, um Sanofi abzuwehren, selber ein Übernahmeangebot abgegeben, ziehen sich aber nun zurück. War denn dieses Angebot des weißen Ritters ernst gemeint oder war das nur ein Scheinangebot?
Braun: Wie konkret dieses Angebot war, kann ich auch nicht entscheiden. Es war davon die Rede, dass es auch ein sehr viel höheres Angebot gewesen sein soll, als die 54 Milliarden Euro, die Sanofi nun zu zahlen bereit ist. Es soll bis in den Bereich von 60 Milliarden Euro hineingegangen sein. Es ist wohl möglich, dass Aventis da selbst versucht hat, ein befreundetes Unternehmen zu gewinnen, um Sanofi abzuwehren, in der Zeit, als noch die Abwehr aktuell war. Ob das ein ernsthaftes Angebot war, kann ich auf die Distanz hier nicht entscheiden. Es ist auf jeden Fall so, dass Sanofi sich jetzt durchgesetzt hat.
Spengler: Erklären Sie doch einem Laien wie mir... Warum haben die sich durchgesetzt? Wenn Novatis 60 Milliarden bietet und die nur 54, sollte man doch glauben, dass das höhere Angebot den Zuschlag bekommt?
Braun: Es war kein konkretes Angebot. Aber da besteht auch noch ein Risiko, dass zum Beispiel amerikanische Aktionäre, die bei Aventis beteiligt sind, auf der Hauptversammlung noch Kritik anmelden können. Das ist jedenfalls eine Hoffnung, die innerhalb des Aventis Unternehmens bei Gegner dieser Fusion mit Sanofi noch gehegt wird, dass diese Aktionäre sagen: "Da hat es überhaupt keinen Wettstreit gegeben. Wir sind dadurch benachteiligt worden." Deshalb könnte da noch ein Risiko für die Fusion entstehen. Es ist möglicherweise kein ernst gemeintes Angebot gewesen, aber das Management von Aventis hat nun durchgedrückt, dass seine Position besser sein wird in dem nun zur Fusion anstehendem Unternehmen, als das vorher der Fall gewesen ist. Das ist sicherlich ein Vorteil aus Managementsicht, der das früher unfreundliche Angebot nun zu einem angeblich freundlichem gemacht hat.
Spengler: Wir erinnern uns noch an die Protestversammlungen vor einigen Wochen von Aventis, Verlust von Arbeitsplätzen, Nachteile für den Forschungsstandort Deutschland... Das wurde damals gesagt. Ist das nun alles hinfällig?
Braun: Nein, ich glaube, das ist nicht hinfällig. Wenn man sich mal anschaut, dass die Gesundheitsreform in Deutschland sehr stark auch auf die Pharmaindustrie drückt, zum Beispiel, weil verschreibungsfreie Medikamente nicht mehr im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen sind und weil die forschungsintensiven Medikamente mit einem Zwangsrabatt von16 Prozent belegt worden sind. Das drückt natürlich auf den Standort hier, zumal man weiß, dass die überwiegenden mittelständischen Pharmaunternehmen hier eine Rendite von vier bis acht Prozent haben. Wie die dann 16 Prozent Rendite zahlen sollen, das ist denen natürlich schwer verständlich. Es ist auch so, dass vor zwei Jahren erstmals in Deutschland mehr Medikamente eingeführt worden sind, als ausgeführt. Die einstige Apotheke der Welt, die die Welt mit Medikamenten beliefert hat, die kauft nun in der Welt die Apotheke für den eigenen Bedarf. Der Standort hat gelitten und es könnte durchaus sein, dass diese Fusion, die nun ansteht, weiterhin zu einer Abwanderung führen könnte, oder zumindest im Zweifel für den Heimatstandort Frankreich entschieden wird und nicht für den früheren Mitheimatstandort Deutschland.
Spengler: Zusammengefasst, für wen hat denn, außer den Aktionären, dieser Zusammenschluss Vorteile?
Braun: Zunächst ist es richtig, offensichtlich ist es nur für das Management und für den Standort Frankreich ein Vorteil. Ob die Aktionäre einen Vorteil davon haben, das ist auch noch nicht richtig ausgelotet, denn das, was Sanofi jetzt vorgeschlagen hat, entspricht, wenn man es richtig durchrechnet, dem Aktienkurs des vergangenen Freitag. Da ist über das Wochenende nicht viel passiert. Es scheint so zu sein, dass der Standort Frankreich, die Politik und das Management, im Moment die einzigen Vorteilnehmer davon sind.
Spengler: Management ist das Stichwort. Sehen Sie Parallelen zu Mannesmann?
Braun: Es gibt Parallelen etwa darin, dass natürlich jetzt deutsche Konzernzentralen ins Ausland gewandert sind, wie das bei Vodafon der Fall war, wie das bei Herrn Saban der Fall ist, der Pro7 aufgekauft hat. Ob dies auf Dauer durchhaltbar ist, ist sicherlich eine Debatte, die in Deutschland geführt werden muss. Da ist die Frage, ob eine Regierung untätig sein darf, es der Wirtschaft überlassen darf, oder ob ein Land ohne Konzernzentralen im internationalen Wettlauf noch bestehen kann. Das ist eine Debatte, die, glaube ich, zu führen ist, jetzt nach dieser Entscheidung hier. Herr Werner Sinn, der Leiter des ifo-Instituts ist sich da ganz sicher: Eine Regierung darf dort nicht zurückstehen. Sie muss Konzernzentralen in ihrem Land halten.