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Philip Seymour Hoffman
"Regie führen hat etwas verändert"

Anlässlich des Kinostarts der britischen Musikkomödie "Radio Rock Revolution" war Philip Seymour Hoffman 2009 im Corsogespräch. Der am Sonntag verstorbene US-Schauspieler erzählte damals von seiner Liebe zum Radio, der Lust am Regie führen und dem "Luxus", Theater und Film machen zu können.

03.02.2014
    Der US-amerikanische Schauspieler Philip Seymour Hoffman posiert vor der Deutschland-Premiere des Kinofilms "Radio Rock Revolution".
    Philip Seymour Hoffman - hier bei der Deutschland-Premiere von "Radio Rock Revolution" - wurde tot in seiner Wohnung in Manhattan aufgefunden. (picture-alliance/ dpa)
    Sigrid Fischer: Sie haben da eben jemanden von der Internetpresse ein Foto verweigert, mögen sie nicht fotografiert werden?
    Philip Seymour Hoffman: Ich bin einfach ausfotografiert, an die 1000 Mal in den letzten 48 Stunden.
    "Ich mag Radio nämlich wirklich sehr gerne"
    Fischer: Radio funktioniert ja ohne Bild. In der Zeit, in der Ihr Film spielt, war Radio hören noch viel verbreiteter als heute, Sind Sie ein Radiohörer – spielt Radio eine Rolle in ihrem täglichen Leben?
    Hoffman: Ja, ich höre eigentlich ziemlich viel Radio, vor allem im Auto, wobei ich nicht so oft fahre, aber da höre ich immer. Sonst übers Internet und über mein Handy. Weil ich so gerne Radio höre, habe ich da so eine App, Da krieg ich über 100 Sender, das ist toll, ich mag Radio nämlich wirklich sehr gerne.
    Fischer: Was hören Sie dann? Eher Musik oder Wort, Information?
    Hoffman: Musik weniger, die besorgt man sich heute auf vielen anderen Wegen, und stellt sich selbst zusammen, was es alles so Neues gibt, anstatt sich die Auswahl vorgeben zu lassen. Aber Politik und politische Diskussionen kann man im Radio sehr gut hören, dafür liebe ich das Radio. Es gibt Talkradio, es gibt Shows mit einem eher liberalen Standpunkt, andere sind konservativ, wieder andere sind ausgewogen, und man sucht sich dann das passende heraus und erfährt dabei immer etwas neues. Auch in Sachen Kultur ist das Radio ganz lebendig und richtig gut.
    Fischer: Wie hören Sie denn Musik? Platten? CDs? Oder nur noch über iPod?
    Hoffman: Sich nur noch über iTunes auszudrücken, ist nicht mein Ding. Aber ich muss sagen, ich bin sowieso nicht der Typ, der morgens aufwacht und gleich überlegt, welches Album er jetzt kaufen oder herunterladen soll. Das passiert bei mir eher zufällig, ich höre irgendwo einen Song – im Restaurant oder im Coffeeshop, dann will ich wissen von wem das ist. So werde ich aufmerksam auf Musik. Und dann lade ich die mir herunter, das war‘s dann. Das geht ja heute so einfach und schnell. Wie heißt dieses Portal da? Man gibt den Titel ein und dann zeigen die einem den Song an, und dann packt man sich den auf seinen iTunes? In was für einer Welt leben wir eigentlich?
    Dreharbeiten zu "Radio Rock Revolution"
    Fischer: Wie war das denn bei den Dreharbeiten zu "Radio Rock Revolution"? Lief da immer Musik am Set?
    Hoffman: Richard hat Musik aus der Zeit gespielt, die lief jeden Tag, aus den Lautsprechern, das war klasse.
    Fischer: Die Musik im Film "Radio Rock Revolution" ist ja nicht so ganz Ihre Zeit, Aber das ist nicht so ganz ihre Zeit, die 60er, können Sie trotzdem was damit anfangen?
    Hoffman: Naja, so jung bin ich nicht mehr, ich bin 41, Jahrgang ‘67, ich bin in der Zeit geboren, in der der Film spielt und aufgewachsen mit der Musik aus dem Film. Die habe ich damals im Radio gehört. Heute spielen sie die auch noch, die ist einfach immer populär. Auf jeden Fall in den USA, das sind Rockklassiker, die laufen bei den Classic Rock Sendern.
    "Ich war nicht auf vielen Konzerten"
    Fischer: Welches war Ihr wichtigstes Rockkonzert, das Sie besucht haben?
    Hoffman: Oh, ich habe nicht viele besucht, ich war ein langweiliger Teenager, nein, ich war nicht langweilig aber ich hab nicht die Sachen gemacht, die die andern gemacht haben, naja einige schon, aber ich war nicht sehr konstruktiv, wenn Sie verstehen. Also ich war nicht auf vielen Konzerten, ich erinnere mich an Roger Waters, R.E.M. hab ich mal gesehen, David Bowie. Der DJ, den ich hier spiele, ist ein Artefakt, eine Mischung aus mehreren ... der steht für eine ganze Ära, das ist der Typ, der sagt: Ich lebe in einer ganz wichtigen Epoche hier, über die sie in 400 Jahren noch reden werden - und dessen bin ich mir sehr bewusst.
    "Ich bin lieber nicht der Mittelpunkt des Geschehens"
    Fischer: Sie haben in den letzten drei bis vier Jahren so brillante Hauptrollen gespielt – ob Truman Capote, oder, oder ... Und das hat einige Jahre gedauert, bis Sie zum Leading Man wurden. In Radio Rock Revolution sind Sie nur ein Teil eines großen Ensembles, streckenweise sieht man Sie gar nicht, stört sie das nicht?
    Hoffman: Nein, das ist mir egal. Stört mich nicht, warum sollte es? Ich wäre ja ein ziemliches Arschloch, wenn ich denken würde: Ich kann nur in einem Film mitspielen, wenn es ausschließlich um mich geht. Das wäre ja schrecklich. Ich bin gerne in Ensemblefilmen, man kann mit denen jeden Tag zusammen sein, der Druck lastet nicht auf einem alleine, sondern auf dem ganzen Team, mir gefällt das. Und ich bin lieber nicht der Mittelpunkt des Geschehens. Die Figur, die ich da spiele, die will das, aber ich nicht so sehr.
    "Es gibt immer diese große Ähnlichkeit zwischen Schauspielern"
    Fischer: Radio DJ xx liefert sich ja mit seinem Konkurrenten einen waghalsigen Kletterwettbewerb auf dem Segelmast. Sie waren der einzige Amerikaner im Team und an Bord, die anderen sind Briten. Gab es da so einen internen oder auch unausgesprochenen Wettbewerb? Was das Filmbusiness angeht von wegen: Wer hat in Sachen Popmusik, Popkultur die Nase vorne?
    Hoffman: Mich hat dieses Amerika versus England-Ding nicht interessiert. Denn das machen wir doch dauernd – Kulturen gegeneinander ausspielen. Das ist der falsche Weg. Wir sollten doch lieber die Gemeinsamkeiten herausstellen, und nicht die Unterschiede. So sehe ich persönlich das. Auch als sie mich für die Rolle so richtig amerikanisch zurechtmachen wollten, hatte ich was dagegen. Denn diese Jungs sind doch da zusammen auf dem Schiff, weil sie mehr Gemeinsamkeiten haben als Unterschiede. Also immer, wenn es um dieses Amerika-England-Ding ging, habe ich das so ein bisschen abgewehrt, weil es mir als einzigem Amerikaner mit den britischen Kollegen ja genauso ging. Wobei Unterschiede zwischen mir und den britischen Schauspielern auch mal deutlich wurden. Die haben sich über etwas unterhalten, wovon ich nichts wusste, aber grundsätzlich teilen wir doch alle die gleiche Leidenschaft als Filmmenschen, deshalb sind wir doch da zusammen. Und egal wohin man geht auf der Welt, es gibt immer diese große Ähnlichkeit zwischen Schauspielern - auch unter Theaterleuten. Das ist wie beim Zirkus. Wir sind gewissermaßen staatenlos. Immer unterwegs. Darauf konzentriere ich mich.
    Fischer: Ist Ihnen Deshalb auch das Theater so wichtig? Auch als Regisseur, da hat an es meistens mit Ensembles zu tun wohlmöglich noch intensiver als beim Film, oder ist das vergleichbar.
    Hoffman: Ja, das ist schon sehr ähnlich. Man arbeitet in dieser Kunstsparte immer mit Menschen zusammen, man spielt mit ihnen in einer Szene zusammen, man wird inszeniert von jemandem, gerade beim Film sind so viele Leute am Endprodukt beteiligt. Und mit dem Ensemble zusammen zu sein in der Downtime, wenn alle down sind, das ist eine sehr schöne Zeit, es entstehen Freundschaften.
    Fischer: Film, Theater - was ist Ihnen lieber? Wenn er alles in der Fantasie ausgestalten kann oder wenn mehr vorgegeben ist?
    "Ich kann wirklich viele unterschiedliche Dinge machen"
    Hoffman: Mal ist man das eine Leid, mal das andere, mal hat man keine Lust mehr auf Film, mal auf Theater, deshalb macht man ja gerne beides. Und das sagt jetzt einer, der froh ist, genug Arbeit zu haben. Ich kann wirklich viele unterschiedliche Dinge machen und habe den Luxus, auch mal keine Lust mehr auf das ein oder andere zu haben. Ich bin mir dieser glücklichen Situation sehr bewusst. Ich könnte ja auch über 50 sein und darauf hoffen, überhaupt mal in die Situation zu geraten, dass ich auf einen Job keine Lust mehr haben könnte. Aber so ist es gut wie es ist, ich kann hin und her wechseln.
    Fischer: Meist spielen Sie ernste Rollen. Hier hatten Sie offenbar eine Menge Spaß auf dem Piratenradioschiff. Mögen Sie Komödien?
    Hoffman: Ja, schon, ich hab ja schon einige Komödien gedreht, auch wichtige Filme, die ich nicht Komödie nennen würde. Es ist sehr schwer, lustige Stoffe zu schreiben, viel schwieriger da gutes Material zu finden als beim Drama. Es ist immer die Frage, was man Komödie nennt.
    Hoffmann: Regieführen hilft, besser zu spielen
    Fischer: Sie haben Ihren ersten Film inszeniert – am Theater ja schon öfter, hat das Ihre Sicht auf den Beruf verändert?
    Hoffman: Ja, Regie führen hat etwas verändert – nein, nicht verändert, es hat mir geholfen. Am Theater führe ich schon zehn Jahre Regie, jetzt der erste Film, es hilft mir, besser zu spielen. Weil man als Regisseur die eigenen Schauspielfehler bei den anderen sieht. Und man versteht auf einmal, warum man das, was sie da gerade tun, auch immer tut und man weiß, wie man ihnen helfen kann. Und denkt: Hm, du hättest auf den oder den Regisseur hören sollen, als er dir das gesagt hat. Also ich konnte mich durch die anderen selbst betrachten. Konnte ihnen helfen und kann mir jetzt auch selbst besser helfen. Ich bin so froh, dass ich angefangen habe, Regie zu führen. Das hilft mir wirklich. Allerdings würde ich nie mehr Regie führen und die Hauptrolle spielen.