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Physik
Erster Flüssigmagnet der Welt entwickelt

Slowenische Forscher haben den weltweit ersten Flüssigmagneten entwickelt, der bei Raumtemperatur funktioniert. Geschafft haben sie dies mit Flüssigkristallen, die sich magnetisch steuern lassen. Diese könnten sich möglicherweise dazu nutzen lassen, Magnetfelder zu fotografieren.

Von Frank Grotelüschen | 12.12.2013
    Es ist ein spektakuläres Physik-Phänomen: Langsam nähert sich der Magnet einer schwarzen, öligen Flüssigkeit. Plötzlich wachsen, verursacht durch das Magnetfeld, Stacheln aus dem Öl heraus, als wäre es ein Igel. Das Öl hat deshalb auf das Magnetfeld reagiert, weil es winzige Nanomagneten enthält. Fachleute wie Alenka Mertelj vom Stefan-Institut im slowenischen Ljubljana sprechen von Ferrofluiden. Aber:
    "Ferrofluide sind keine Magneten. Sie reagieren lediglich auf ein äußeres magnetisches Feld - ähnlich, wie ein Stück Eisen von einem Magneten angezogen wird. Aber ein eigenes Magnetfeld besitzen Ferrofluide nicht."
    Flüssigkeiten, die nicht nur auf Magnetfelder reagieren, sondern selbst magnetisch sind - sie kannte man bislang nur bei Bedingungen, die getrost als exotisch gelten dürfen.
    "Flüssiges Helium kann magnetisch sein, bei Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts. Magnetismus findet man auch bei den Schmelzen bestimmter Metalllegierungen, aber nur bei Temperaturen jenseits der 1.000 Grad. Wir haben nun eine Flüssigkeit entwickelt, die erstmals bei Raumtemperatur magnetisch ist."
    Die Idee dafür spukt zwar schon seit mehr als 40 Jahren in den Köpfen von Physikern herum. Bislang aber haperte es an der Umsetzung im Labor. Bis Alenka Mertelj und ihr Team auf den entscheidenden Trick stießen:
    "Flüssigkristalle zwingen Nanomagneten ihre Orientierung auf"
    "Wir haben die Trägerflüssigkeit für die Nanomagnete, also das Öl, durch etwas anderes ersetzt - durch Flüssigkristalle. Diese bestehen aus Molekülen, die zwar eine Flüssigkeit bilden, aber dennoch eine räumliche Orientierung besitzen, also alle in dieselbe Richtung zeigen. Und diese Moleküle zwingen den Nanomagneten quasi ihre Orientierung auf."
    Anders formuliert: Die Flüssigkristalle bilden für die Nanomagneten eine Art Zwangsjacke. Eingesperrt in dieses Korsett müssen die Winzlinge alle in dieselbe Richtung zeigen. Und genau dadurch lassen sie die Flüssigkeit magnetisch werden - wenn auch nur schwach.
    "Das Magnetfeld ist äußerst klein. Es ist nur ein wenig größer als das Erdmagnetfeld."
    Die größte Hürde bestand darin, dass sich die Nanomagneten gegenseitig anziehen und danach trachten, zu größeren Teilchen zu verklumpen. Verhindern konnten die Forscher das, indem sie den Magneten eine spezielle Form gaben: winzige Scheibchen, 70 Nanometer im Durchmesser und 5 Nanometer dick. Und was könnte sich mit dem neuen Magneten, der im Übrigen zähflüssig ist wie Schweröl, eines Tages anfangen lassen?
    "Es handelt sich um einen Flüssigkristall. Und Flüssigkristalle zeichnen sich dadurch aus, dass man ihre optischen Eigenschaften einfach durch das Anlegen einer elektrischen Spannung beeinflussen kann. Nach diesem Prinzip funktionieren sämtliche LCD-Bildschirme. Unser neuer Flüssigkristall aber lässt sich nicht elektrisch, sondern magnetisch steuern."
    Das könnte, sagt Mertelj, eines Tages bessere Schalter und Modulatoren für die Glasfaserkommunikation möglich machen. Außerdem sollte sich die magische Flüssigkeit dazu nutzen lassen, Magnetfelder buchstäblich zu fotografieren. Und das wäre für manchen Forscher ein hochwillkommenes Inventar fürs Labor.