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"Pille danach" wird rezeptfrei
"Es geht nicht um irgendetwas"

Im Deutschlandfunk mahnte der Weihbischof im römisch-katholischen Erzbistum Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, einen verantwortungsvollen Umgang mit der "Pille danach" an, die künftig rezeptfrei erhältlich sein wird. Jaschke warnte davor, der Liberalisierung "Tür und Tor zu öffnen".

Hans-Jochen Jaschke im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Weihbischof Hans-Jochen Jaschke
    Hans-Jochen Jaschke lehnt die Freigabe der neuen "Pille danach" nicht grundsätzlich ab. (dpa / picture-alliance / Maja Hitij)
    Jaschke sagte, er sei wie Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gegen die Freigabe der "Pille danach" gewesen, akzeptiere aber die Änderung. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach hatte dem "Tagesspiegel" zur Entscheidung des Europäischen Arzneimittelausschusses gesagt: "Die Schlacht ist geschlagen." Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sagte, mit einem solchen martialischen Tonfall gehe man nicht mit diesem wichtigen Bereich des Menschen um.
    Es sei wichtig, dass es diese Pille gibt, weil sie dabei helfen könne, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Jaschke begründete seine Zustimmung damit, dass diese "Pille danach" keine abtreibende Wirkung habe, sondern die Empfängnis verhindere. Er warnte aber davor, leichtfertig mit dem Präparat umzugehen. Sexualität sei nicht irgendetwas, sondern habe mit der Würde der Frau zu tun.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: "Die Schlacht ist geschlagen!" So bringt es der SPD-Gesundheitsexperte und Fraktionsvize Karl Lauterbach auf den Punkt. Es geht um die rezeptfreie Abgabe der Pille danach in Deutschland. Dass die kommt für ein bestimmtes Hormonprodukt, das eine Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr verhindert, das ist so gut wie sicher. Dabei geht es um ein Präparat, das die Befruchtung der Eizelle verhindert, also nicht abtreibend wirkt. Der Arzneimittelausschuss der EU empfiehlt die Abgabe ohne Rezept und dieser Empfehlung wird die EU-Kommission aller Wahrscheinlichkeit nach folgen, und dann wiederum müssen die Mitgliedsländer die Entscheidung umsetzen.
    Gesundheitsminister Hermann Gröhe von der CDU war lange dagegen, dass entsprechende Hormonpräparate rezeptfrei in der Apotheke zu bekommen sind, aber er hat nachgegeben. Eine gute Beratung will er jetzt durch die Apotheker sicherstellen. Bisher gegen eine rezeptfreie Abgabe ist die Katholische Kirche. Sie ist zudem strikt gegen jedes Präparat mit abtreibender Wirkung, wenngleich auch die katholischen Bischöfe im letzten Jahr die Verhütungspille nach einer Vergewaltigung gebilligt haben. Vorangegangen war dem die Geschichte einer vergewaltigten Frau, die von zwei katholischen Krankenhäusern in Köln abgelehnt worden war. - Am Telefon ist der Weihbischof im römisch-katholischen Erzbistum Hamburg, Hans-Jochen Jaschke. Guten Morgen!
    Hans-Jochen Jaschke: Guten Morgen.
    Kaess: "Die Schlacht ist geschlagen", sagt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Sehen Sie das auch so?
    Jaschke: Das sind so martialische Worte. Ich rufe doch schon dazu auf, dass wir verantwortungsvoll umgehen mit der Pille danach. Sicherlich ist es wichtig, dass es diese Pille gibt, wenn sie Empfängnis verhütet und dazu beitragen kann, dazu helfen kann, dass eine ungewollte Schwangerschaft nicht eintritt, aber es braucht den verantwortungsvollen Umgang damit. Es ist nicht einfach eine Aspirinpille oder ein Schnupfenmittel oder irgendetwas anderes. Hier geht es doch wirklich schon um einen Eingriff in den Organismus eines Menschen, der Frau, und da braucht es eine Verantwortung, denke ich, eine gute Beratung. Das kann man nicht einfach so aus der Tasche ziehen.
    Kaess: Und das heißt für Sie, Sie sind gegen die rezeptfreie Abgabe?
    Jaschke: Ja. Wir können es natürlich nicht verhindern. Ich kann nur aufrufen dazu, dass wirklich Menschen gut beraten werden. Wenn die Ärzte das dann eben nicht mehr tun können und tun müssen, dann muss es der Apotheker, die Apothekerin machen. Ich kann nur aufrufen dazu, dass man nicht so leichtfertig mit dieser Pille danach umgeht.
    "Hilfe zu einem verantwortungsvollen Umgang"
    Kaess: Ist das denn ein Unterschied, ob der Arzt oder der Apotheker die Frau berät?
    Jaschke: Wenn die Beratung verantwortungsvoll und gut ist, nein. Aber das Zeichen, das gesetzt wird, wenn man so martialisch redet, die Schlacht ist geschlagen, dann kann man die Pille danach vielleicht sogar aus dem Automaten ziehen, da bin ich eher skeptisch und sage, so geht man nicht um mit diesen ganz wichtigen Bereichen des Menschen.
    Kaess: Die Apotheker sind ja auch für die rezeptfreie Abgabe der Pille danach, weil sie sagen, es ist sicherer, je früher sie eingenommen wird. Ist also ganz im Sinne der Frau.
    Jaschke: Wenn eine gute Beratung stattfindet, wenn das möglich ist, und nur dazu kann ich aufrufen, dann schwinden natürlich die Bedenken. Aber noch einmal: Ich möchte nicht so martialisch damit umgehen, dass man sagen kann, das Recht ist erkämpft und jetzt muss dieses Recht in jeder Hinsicht möglich gemacht werden. Nein, es braucht wirklich die Beratung und die Hilfe zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Pille danach. Es geht nicht um irgendetwas bei dieser Pille. Wir wissen auch nicht genau um die Nebenwirkungen und ich denke schon, dass Frauen da auch aufgeklärt werden müssen, worum es geht.
    Kaess: Aber die Politik will eventuell noch weitergehen. Zumindest verlangen SPD und Grüne, dass Gesundheitsminister Hermann Gröhe auch andere Arten von Pillen danach freigibt mit anderem Wirkstoff, nämlich da geht es um ein bestimmtes Produkt, das preiswerter und besser erforscht ist. Auch das wäre im Sinne der Frau, so wird argumentiert, vor allem, wenn diese Pille danach eventuell nicht mehr so viel Geld kosten würde. Gehen Sie da mit?
    Jaschke: Das muss im Einzelfall natürlich immer gut überlegt und entschieden werden, was ist wirklich im Sinne der Frau. Mir geht es um den großen Bereich einer verantwortlichen Sexualität. Sexualität ist nicht irgendetwas. Das hat zutiefst mit dem Menschen zu tun, mit der Würde eines Menschen, mit der Würde der Frau. Natürlich muss die Frau selber entscheiden und richtig handeln, aber das kann man nicht einfach so aus der Hand schütteln. Das muss gut überlegt sein und mit vollem Bewusstsein geschehen.
    Eine Hand hält eine "Pille danach" in die Kamera.
    Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA empfiehlt, ein bestimmtes Präparat der "Pille danach" rezepfrei abzugeben. (picture alliance/ dpa/ Rolf Vennenbernd)
    "Einer Liberalisierung nicht Tür und Tor öffnen"
    Kaess: Sie haben jetzt gerade gesagt, das sollte im Sinne der Frau sein. Aber im Sinne der Frau ist ja, so schnell wie möglich, wenn sie es wünscht, an so ein Produkt zu kommen.
    Jaschke: Ja. Es ist doch durchaus im Sinne der Frau, wenn es eine gute Beratung durch den Arzt gibt, wenn ein Rezept ausgestellt wird. Man kann ja auch entsprechende Vorsorge treffen als Frau, die verantwortlich weiß, was sie tun will und in welchen Lebensumständen sie steht.
    Kaess: Herr Jaschke, wir kennen diesen Fall der vergewaltigten Frau in Köln, die von katholischen Krankenhäusern abgelehnt worden ist. Welche Richtlinien geben die katholischen Kirchen denn jetzt nach diesem Beschluss der Politik an die Krankenhäuser, an ihre Krankenhäuser und Ärzte raus?
    Jaschke: Na ja, es gibt keine Richtlinien im strengen Sinne. Bei der Pille danach war ja bislang immer der Tatbestand der, dass die Pille danach eine abtreibende Wirkung hat, und deswegen waren wir sehr vorsichtig und kritisch. Die neue Pille danach verhindert ja die Empfängnis und die hat eine andere Qualität. Ich denke, dass die in vieler Hinsicht dann auch angemessen ist und verantwortlich genommen werden kann. Aber die Nebenwirkungen kann man schlecht abschätzen und ich denke, man muss wirklich aufpassen, dass eine Liberalisierung da nicht Tür und Tor öffnet, damit Folgen entstehen, die wir gar nicht abschätzen können.
    Kaess: Auf der einen Seite wollen Sie diese Liberalisierung zumindest einschränken, aber was machen Sie denn konkret zum Beispiel als Vorsitzender des Aufsichtsrates des Marienkrankenhauses in Hamburg, der Sie sind? Welche Empfehlung werden Sie dem Krankenhaus und den dort behandelnden Ärzten geben für diese Fälle?
    Jaschke: Die Empfehlung heißt natürlich, nehmt die Menschen ernst, helft den betroffenen Frauen, stellt sie nicht vor Verbote, gebt ihnen einen guten Rat, klärt sie entsprechend auf, damit sie so damit umgehen, wie es richtig ist.
    Kaess: Und heißt auch im Fall der jetzt wahrscheinlich als rezeptfrei bald zugelassenen Pille, oder die man rezeptfrei bekommen kann, gebt die in jedem Fall raus, wenn die Frau, die zu euch kommt, das wünscht.
    Jaschke: Ja natürlich! Wir können doch nicht verbieten. Mir geht es wirklich nur um den Appell, dass wir Menschen aufmerksam machen, worum es geht, nicht Verbote aufrichten. Das hilft gar nichts.
    Kaess: ... , sagt der Weihbischof des Erzbistums Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.
    Jaschke: Ja, bitte sehr!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.