Donnerstag, 25. April 2024

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Pilze
Dritte Form höheren Lebens

Pilze leben auf der Raumstation ISS, im Tiefseeboden, im Sarkophag von Tschernobyl, die meisten Bücher versuchen, Knollenblätterpilzvergiftungen zu verhindern. Der Biologe Robert Hofrichter führt dagegen in einen Kosmos bizarrer, komplexer Lebewesen, die weder Pflanze noch Tier sind.

Von Dagmar Röhrlich | 25.06.2017
    Pilze sammeln in der russischen Kostroma Region.
    Das Leben der Pilze ist nur zu einem Bruchteil entschlüsselt. Bis zu hundert verschiedene Pilzarten beliefern einen Baum mit Nährstoffen. (picture alliance / dpa / Smirnov Vladimir)
    Pilze sind die dritte Form des höheren Lebens, wobei sie allerdings uns Tieren näher stehen als den Pflanzen. Und es gibt sie überall: in den Wiesen, Wäldern, Parks und Gärten ebenso wie im Tiefseeboden, in erstarrter Lava und selbst auf der Internationalen Raumstation ISS.
    Im Sarkophag von Tschernobyl: Pilze schätzen Radioaktivität
    Manche schätzen Radioaktivität, fühlen sich im Sarkophag von Tschernobyl bei Strahlendosen wohl, die jedes andere Lebewesen getötet hätte. Der Trick: Durch das Melanin, das diese Pilze schwarz färbt, können sie die Strahlung als Energiequelle nutzen.
    Pilze haben im Lauf der Evolution auch verschiedene Lebensweisen entwickelt. Manche, so lernt der Leser, leben räuberisch: Sie können ihre Hyphen - die fadenförmigen Pilzzellen, die zum Myzel vernetzt in der Erde den eigentlichen Pilz bilden - zu einer Art Lasso formen, um Fadenwürmer zu erlegen.
    Andere schätzen ein Leben als Parasit und verwandeln dafür Insekten in Zombies. Doch das Gros der Pilze ist - wenn man so will - sehr freundlicher Natur.
    Einträgliche Symbiose mit Bäumen
    Denn ohne sie hätten es beispielsweise die Bäume schwer. Ein einzelner Baum kann mit 100 verschiedenen Pilzarten vergesellschaftet sein. Der Boden, in dem er wächst, ist durchzogen von Hyphen und zwar weit über sein eigenes Wurzelgeflecht hinaus.
    Pilze sind nun hervorragend darin, mineralische Nährstoffe zu erschließen und so hat sich eine Symbiose entwickelt: Die Pilze geben sie fast alle Mineralien, die sie im Boden einsammeln, als Nährstoffe an die Pflanze ab - und bekommen dafür die Zucker, die der Baum bei der Fotosynthese produziert.
    Pilze für Antibiotika, Alkohol, Vitamine und Enzyme
    Und Pilze haben auch einen Platz in der modernen Industriegesellschaft: In den Laboratorien und Industrieanlagen produzieren sie Antibiotika, Alkohol, Vitamine und Enzyme. Was also würden wir ohne sie machen?
    "Das geheimnisvolle Leben der Pilze" ein gut geschriebenes, spannendes Buch über eine faszinierende Welt, von der die meisten kaum etwas ahnen.
    Nur ein paar Bilder mehr wären wünschenswert gewesen. Denn vieles, was Robert Hofrichter beschreibt, will man einfach sehen, etwa die Pilze, die roten Tintenfischen gleichen.
    Robert Hofrichter: "Das geheimnisvolle Leben der Pilze. Die faszinierenden Wunder einer verborgenen Welt"
    Gütersloher Verlagshaus, 240 Seiten, 20,60 Euro