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Pilzkrankheit
"Sehr gefährliche Bedrohung für Salamander"

Herpetologie. - Seit den 1980-Jahren bedroht der ansteckende Chytridpilz die Amphibien dieser Welt. In der aktuellen "Science" berichten Forscher über eine neue Variante des Pilzes, die in den Niederlanden und Belgien aufgetaucht ist und Salamander und Molche bedroht. Über den Pilz mit dem Beinamen salamandrivorans, Salamanderfresser, berichtet einer der Wissenschaftler, Benedikt Schmidt von der Universität Zürich, im Gespräch mit Arndt Reuning.

Benedikt Schmidt im Gespräch mit Arndt Reuning | 31.10.2014
    Feuersalamander mit starker Chytrid-Infektion, zu sehen an den Läsionen an der Schnauze.
    Feuersalamander mit starker Chytrid-Infektion, zu sehen an den Läsionen an der Schnauze. (Science/Frank Pasmans)
    Arndt Reuning: Herr Schmidt, wie groß ist die Gefahr, die für die Amphibien in Europa von diesem Pilz ausgeht?
    Benedikt Schmidt: Die Gefahr ist groß, wir haben Laborexperimente gemacht, wo wir die europäischen Salamander infiziert haben. Und es zeigt sich, dass die Tiere wenige Tage nach der Infektion sterben, und zwar praktisch alle europäischen Arten.
    Reuning: Es geht hier vor allem um die Salamander, oder welche Arten sind noch betroffen?
    Schmidt: Es geht hier um die Salamander, also die Feuersalamander, aber auch die Molche, Bergmolch, Teichmolch, Kammmolch und so weiter. Bei diesem Salamanderfresser-Chytridpilz sind nur Salamander betroffen, beim anderen Chytridpilzen sind auch die Frösche betroffen.
    Pilz durchlöchert Amphibienhaut
    Reuning: Welche Symptome zeigen den Tieren, oder woran sterben sie?
    Schmidt: Die Symptome sind so: Der Pilz frisst quasi kleine Löcher in die Haut, und das führt dann am Schluss zum Tod der Tiere.
    Reuning: Wie leicht lässt sich dieser Pilzen von einem Tier auf das andere übertragen?
    Schmidt: In einer früheren Studie konnten wir zeigen, dass es relativ einfach von einer Art zur anderen geht. Die muss man bloß im Terrarium zusammen halten, dann wird der Pilz übertragen.
    Reuning: In den Niederlanden ist der Pilz erst seit relativ kurzer Zeit in Erscheinung getreten. Weiß man denn, woher er stammt?
    Schmidt: Die Herkunft konnten wir in der neuen Arbeit klären. Es zeigte, dass das Herkunftsgebietes des Pilzes Südostasien ist, Thailand und Japan, diese Gegend. Und dass er von dort her importiert wurde mit allergrößter Wahrscheinlichkeit mit dem Tierhandel.
    Reuning: Wenn dieser Pilz dort existiert, müssten dann nicht im Ursprungsland der Krankheit mittlerweile alle einheimischen Salamander ausgestorben sein?
    Schmidt: Nein, das müssen sie nicht. Weil, wenn eine Krankheit lange in einem Gebiet ist, dann entsteht im Prinzip ein Gleichgewicht zwischen Wirt und Parasit, so dass bei der Arten koexistieren können. Das Problem wird erst dann, wenn ein neues Pathogen in diese Populationen reinkommt, die dieses Pathogen nicht kennt, dann ist die Mortalität eben sehr groß.
    Mindestforderung: Gesundheitskontrollen bei importierten Tieren
    Reuning: Und das ist hier in Europa der Fall gewesen?
    Schmidt: Das ist hier in Europa der Fall, ja.
    Reuning: Was bedeutet das denn nun für den Handel mit Salamandern, die aus Asien stammen?
    Schmidt: Ja, meine Empfehlung wäre, dass man bei diesen Tieren im Minimum Gesundheitskontrollen vorschreiben sollte. Die können heute millionenfach gehandelt werden, ohne dass irgendeine Kontrolle der Gesundheit stattfindet.
    Reuning: Ist das denn praktikabel?
    Schmidt: Es ist ein Aufwand, das ist ganz klar. Es ist einfach die Frage, was ist uns wichtiger? Der Handel von Tieren für die Haltung im Aquarium und Terrarium oder die Gesundheit und das Überleben der wild lebenden Tiere.
    Reuning: Wenn wir jetzt einmal wegschauen von Europa. Besteht denn auch die Gefahr, dass dieser Pilze in andere Erdteile eingetragen werden kann, zum Beispiel nach Nordamerika?
    Schmidt: Wenn er nach Nordamerika eingetragen würde, wäre das ein Desaster, weil die Vielfalt der Salamander ist dort am größten. Ich denke, genauso wie der Pilz nach Europa eingeschleppt wurde, könnte er nach Amerika eingeschleppt werden. Das Gutes ist einfach, dass die Amerikaner gewarnt sind, die können im Prinzip jetzt etwas unternehmen, dass das nicht passiert.
    Reuning: Desaster sagen Sie. Auf welche Zeiträume, glauben Sie denn, wird sich das erstrecken?
    Schmidt: Also in den Niederlanden ist die Salamander-Population nach zwei oder drei Jahren zusammengebrochen. Dann hat man gesehen, dass sich der Pilz nach Belgien ausgebreitet hat. Das sind in zwei Jahren etwa 30 km. Das ist für einen mikroskopisch kleinen Pilz eine hohe Geschwindigkeit. Das heißt, er kann sich in ein paar Jahren über große Teile Europas ausbreiten, oder könnte. Wir wissen relativ wenig über die Ausbreitung dieses Pilzes.
    Reuning: Diese neue Situation, was bedeutet das für uns, für den Amphibienschutz?
    Schmidt: Meiner Ansicht nach müssen wir heute wieder mehr in den Amphibienschutz investieren und nicht weniger, auch wenn da eine neue, sehr gefährliche Bedrohung da ist.