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Pläne für NSA-Ermittlungsbeauftragten
"Wir beschneiden damit nicht unsere Rechte"

In der Debatte über die NSA-Spähliste hat die CDU-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, Nina Warken, den möglichen Einsatz eines Ermittlungsbeauftragten verteidigt. In der Vergangenheit seien viele sensible Daten an die Öffentlichkeit gelangt, sagte sie im DLF.

Nina Warken im Gespräch mit Sandra Schulz | 10.06.2015
    Die CDU-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, Nina Warken.
    Die CDU-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, Nina Warken. (Imago / Sven Simon)
    Nach Ansicht der CDU-Politikerin Warken könnte eine Ermittlungsperson, die Einsicht in die NSA-Spähliste erhält, einem Ausgleich zwischen Aufklärungsinteresse, Sicherheitsinteresse und dem Befinden der USA Rechnung tragen. Man müsse nicht nur die eigenen Interessen, sondern auch die der Partner berücksichtigen, sagte Warken im Deutschlandfunk. "Die Informationen müssen sensibel behandelt werden."
    Die Ernennung eines Ermittlungsbeauftragten würde die Rechte des Parlaments nicht beschneiden. Dieser könne prüfen, ob durch die Spionage deutsches Recht gebrochen worden ist und dem Ausschuss nach Einsicht in die Liste berichten. Nach Meinung von Warken müsste die Person unabhängig sein, von extern kommen und zur Vertraulichkeit verpflichtet sein. Die CDU-Politikerin rechnet damit, dass in der nächsten Sitzungswoche des Bundestages eine Entscheidung getroffen werde.

    Das Interview in voller Länge:

    Sandra Schulz: Was genau hat die NSA so brennend interessiert? In der Affäre um BND und NSA zieht sich der Streit um die sogenannte Selektorenliste, also die Liste der Suchbegriffe, nach denen der US-Geheimdienst den BND filtern lassen wollte, jetzt schon über Wochen. Die Parlamentarier der Opposition von der Linken und den Grünen interessieren sich brennend für diese Liste. Sie dürfte verärgern, was WDR, NDR und SZ jetzt melden, nämlich dass nicht sie, sondern nur ein Ermittler die Liste zu Gesicht bekommen soll.
    Am Telefon ist jetzt Nina Warken, Unions-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss. Guten Morgen.
    Nina Warken: Guten Morgen.
    Schulz: Die Meldung vom Kollegen, die ist ja offiziell noch nicht bestätigt. Welche Informationen haben Sie?
    Warken: Es werden ja im Moment sehr viele Gespräche geführt, sehr viele vertrauliche Gespräche. Ich führe im Moment auch viele Gespräche und es werden mehrere Optionen ja schon seit Wochen diskutiert, wie man mit den Selektorenlisten umgehen kann. Mein Wissen ist, dass das Konsultationsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, dass es noch andauert, aber dass wir zeitnah, wenn möglich in der nächsten Sitzungswoche, da eine Entscheidung bekommen können.
    Einsatz eines Ermittlungsbeauftragten: "Ein sehr gangbarer Weg"
    Schulz: Gehen Sie dennoch davon aus, dass Sie diese Selektorenliste zu Gesicht bekommen?
    Warken: Wir haben natürlich als Ausschuss ein Interesse daran, uns ein Bild von den Listen machen zu können, die Listen bewerten zu können, zu prüfen, wurde deutsches Recht verletzt, wurde gegen deutsche Interessen verstoßen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, wie man das machen kann, die im Moment diskutiert werden.
    Neben der Vorlage der Listen ist das natürlich zum Beispiel das Treptow-Verfahren oder der Einsatz eines Ermittlungsbeauftragten, und alle diese Möglichkeiten stellen für mich auch einen sehr gangbaren Weg dar.
    Schulz: Aber noch mal zurückkommend auf meine Frage. Dass Sie die Listen zu Gesicht bekommen, davon gehen Sie aus oder nicht?
    Warken: Ich habe Ihnen schon gesagt, das Konsultationsverfahren dauert noch. Ich habe noch keine Antwort gehört, ob wir die Listen bekommen oder ob wir sie nicht bekommen. Die Optionen, die im Moment diskutiert werden, werden ja auch diskutiert, weil man einen Ausgleich finden muss zwischen dem Aufklärungsinteresse des Parlaments auf der anderen Seite und dem Sicherheitsinteresse Deutschlands und auch der Verpflichtung, die wir gegenüber dem Partner haben, mit solchen geheimen Dingen auch sehr sensibel umzugehen, und ich denke, wir werden dann in der nächsten Woche hören, mit welchem Verfahren wir dem gerecht werden können.
    Prüfung auf Verstöße auch durch Ermittlungsbeauftragten möglich
    Schulz: Sie klingen jetzt recht gelassen. Ist Ihnen das egal, ob Sie diese Listen sehen werden oder nicht?
    Warken: Nein, mir ist es nicht egal. Ich glaube, das habe ich jetzt auch gerade zum Ausdruck gebracht, dass wir ein starkes Interesse haben, prüfen zu können, was auf den Listen steht, inwiefern gegen deutsches Recht verstoßen worden ist, ob es Wirtschaftsspionage gegeben hat. Aber ich glaube, eine Möglichkeit durch zum Beispiel den Einsatz eines externen, zur Vertraulichkeit verpflichteten und unabhängigen Ermittlungsbeauftragten ist auch eine Möglichkeit, so eine Prüfung vornehmen zu können.
    Es gibt ja zum Beispiel auch in Unternehmen Rechtsverstöße, dann holt man sich auch eine externe Person, um zu überprüfen, was genau passiert ist, und das würde ich auch in diesem Fall für eine gute Möglichkeit halten. Die Ermittlungsperson könnte dann dem Parlament, dem Ausschuss berichten, und ich glaube, das wäre ein gangbarer Weg von mehreren Optionen, uns eine Überprüfung der Listen zu ermöglichen, an der wir natürlich ein Interesse haben, klar.
    Schulz: Könnten Sie denn auch einen Ermittler akzeptieren, der von der Bundesregierung bestimmt wird?
    Warken: Aus meiner Sicht muss es jemand sein, der extern ist, der Sachverstand hat, der natürlich unabhängig, frei ermitteln kann, der zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Und wie der dann genau eingesetzt wird, da gibt es sicherlich mehrere denkbare Möglichkeiten. Da, glaube ich, sollten wir uns auch keine Denkverbote auferlegen. Mir ist wichtig, dass diese Person auch das Vertrauen genießt des Ausschusses, unabhängig ist und frei und umfassend ermitteln kann.
    "Informationsinteresse des Parlaments ist nicht absolut"
    Schulz: Sie haben meine Frage - die war ja recht klar, ob Sie das akzeptieren können - nicht mit Nein beantwortet. Daraus schließe ich, Sie könnten das im Zweifelsfall akzeptieren, und da würde ich jetzt gerne noch mal mit dem Vergleich von Heribert Prantl kommen in der Süddeutschen Zeitung. Den haben Sie bestimmt gesehen. Er sagt, wenn die Regierung diesen Ermittler bestimmt, das ist, als würde Sepp Blatter regeln, wer gegen die FIFA ermittelt. Müssen Sie als Parlamentarierin da nicht auf die Barrikaden gehen?
    Warken: Das glaube ich nicht. Das Parlament hat genauso das Staatswohlinteresse zu berücksichtigen wie die Regierung auch. Das Staatswohl ist auch nicht der Regierung alleine anvertraut. Und das Informationsinteresse des Parlaments ist nicht absolut und über allen Belangen.
    Und wenn wir jetzt Lösungen finden, die Sicherheitsinteressen und Aufklärungsinteressen beidseitig berücksichtigen, wenn wir eine neutrale unabhängige Person haben, die natürlich auch das Vertrauen des Ausschusses genießt, das habe ich ja auch gesagt, dann kann ich das natürlich auch akzeptieren.
    Schulz: Sie haben es auch gerade gesagt: Sie haben ein großes Interesse, diese Listen zu sehen. Möglicherweise wird es aber nicht so kommen. Ist das nicht auch ein Misstrauensvotum der Regierung an das Parlament, an Sie als Parlamentarier?
    Warken: Ich habe ein großes Interesse daran, mir ein Bild von den Listen machen zu können beziehungsweise bewerten zu können, inwiefern da Rechtsverstöße begangen worden sind. Und ich habe es ja schon mal gesagt: Das ist ein sehr sensibler Bereich, in dem auch die Geheimdienste mit anderen, mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammenarbeiten.
    Da gibt es nicht nur unsere Interessen zu berücksichtigen, da gibt es auch die Interessen der Partner zu berücksichtigen, und es muss auch die Arbeitsfähigkeit der Nachrichtendienste gewährleistet bleiben. Die Informationen müssen sensibel behandelt werden und da glaube ich, dass die Vorschläge, die da im Raum sind, Ermittlungsbeauftragter oder Treptow-Verfahren, dem gut gerecht werden können.
    Einsatz einer Ermittlungsperson bedeute kein "Mistrauen gegenüber dem Parlament"
    Schulz: Aber all das läuft doch darauf heraus, dass die Parlamentarier eigentlich nicht als mündige Akteure behandelt werden, sondern - wie gesagt, ich habe es schon angesprochen - dass es dieses Misstrauensvotum gibt. Wenn Sie dagegen nicht mal aufstehen, beschneidet sich das Parlament nicht damit selbst seiner Rechte?
    Warken: Das glaube ich nicht. Wir haben als Untersuchungsausschuss ja auch umfassende Ermittlungsrechte und eine Möglichkeit im Untersuchungsausschussgesetz ist ja, genau so einen Ermittlungsbeauftragten einzusetzen, und deswegen würde ich da nicht sagen, wir beschneiden uns unserer Rechte.
    Gleichwohl muss man natürlich schon sehen, dass in der Vergangenheit auch viele sensible Sachverhalte an die Öffentlichkeit gelangt sind und dass da schon genau drauf geschaut wird, wie mit sensiblen Dingen auch umgegangen wird. Ich denke aber nicht, dass es ein Misstrauen gegenüber dem Parlament ist, wenn jetzt eine Ermittlungsperson im Raum steht, der Einsatz einer Ermittlungsperson, sondern dass das einfach ein Vorschlag ist, der allen Belangen gerecht wird, Aufklärungsinteresse, Sicherheitsinteresse und auch natürlich den Befindlichkeiten der Partner.
    Schulz: Die Opposition will im Zweifelsfall nach Karlsruhe ziehen. Das ist dann aus Ihrer Sicht auch Aufgabe der Opposition, die Rechte des Parlaments zu wahren?
    Warken: Ich glaube, es ist nicht allein Aufgabe der Opposition, die Rechte des Parlaments zu wahren.
    "Keine Beschneidung der Rechte des Parlaments per se"
    Schulz: Aber Sie überlassen es der Opposition?
    Warken: Wenn die Opposition nach Karlsruhe gehen möchte, dann steht das der Opposition frei, und es ist auch nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Aber ich glaube, wir haben alle ein Aufklärungsinteresse. Das eint uns auch in dem Ausschuss. Das haben wir, das habe auch ich immer wieder betont.
    Und ich glaube, dem Aufklärungsinteresse und der Wahrnehmung der Rechte des Parlaments können wir auch dadurch gerecht werden, indem wir zum Beispiel über den Einsatz einer Ermittlungsperson diese Liste überprüfen und so dann auch unsere Nachrichtendienste und die Vorgänge in den Nachrichtendiensten kontrollieren können. Da sehe ich keine Beschneidung der Rechte des Parlaments per se.
    Schulz: Es hat ja mehrere Entscheidungen auch aus Karlsruhe gegeben, in denen die Verfassungsrichter das Parlament dazu aufgefordert haben, seine Rechte auch selbstbewusst wahrzunehmen. Es gibt nun viele Bürger, die wirklich ein großes Interesse an der Aufklärung haben. Sind diese Bürger von Ihnen überhaupt vertreten?
    Warken: Ich glaube, die Bürger interessiert zum einen natürlich, ob Fehler gemacht worden sind. Die Bürger - und so habe ich die Rückläufe bekommen - sind aber auch daran interessiert, dass unsere Nachrichtendienste gut arbeiten können, dass die Nachrichtendienste nicht gefährdet sind und dass sie ihre Aufgabe wahrnehmen können, nämlich den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger und auch unserer Soldatinnen und Soldaten im Ausland.
    Die Menschen in Deutschland nehmen, glaube ich, die Bedrohungslage, die ja real existiert - das hat man auch in Ihrem Vorprogramm hören können -, schon sehr ernst und da sind schon sehr große Sorgen, und ich glaube, neben dem Interesse daran zu erfahren, was war da, ist schon auch die Sorge der Menschen sehr groß, ob auch in Zukunft Terroranschläge vereitelt werden können und ob unsere Nachrichtendienste auch in Zukunft gut und funktionsfähig arbeiten können. Das sehe ich schon so auch aus den Rückläufen, die ich von Bürgerinnen und Bürgern bekomme.
    Schulz: Nina Warken, Unions-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, hier heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Haben Sie vielen Dank!
    Warken: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.