Britta Fecke: In diesen heißen regenlosen Zeiten hat der Kunstrasen den Vorteil, dass der grün bleibt auch ohne gießen, und damit erschöpfen sich die Vorzüge wahrscheinlich auch schon. Aus verschiedenen Gründen haben aber tausende Amateurfußballvereine ihre Plätze mit Kunstrasen ausgelegt. Nun könnte es jedoch sein, dass die EU-Kommission ein Verbot des Plastikeinstreumaterials für diese Kunstrasen vorschlagen wird, und wenn dem so ist, könnte das Gummigranulat ab 2022 verboten werden, was natürlich die vielen Sportvereine vor einige Probleme stellt.
Wir wollen, unabhängig auch von Bundesinnenminister Horst Seehofer geführte Debatte, fragen, was dieses Granulat in der Umwelt überhaupt so problematisch macht. Ich bin jetzt verbunden mit Philipp Sommer, er ist Abfallexperte bei der Deutschen Umwelthilfe. Herr Sommer, warum diese Gummiunterlage, dieser Kunstrasen überhaupt so umweltschädlich?
Philipp Sommer: Hallo, Frau Fecke! Das Problem ist, dass er zum einen in der Herstellung überhaupt einmal Ressourcen verbraucht hat und dann aber – und das wird hier thematisiert – ja Mikroplastik freisetzt durch den Abrieb, wenn die Sportler drauf laufen und es dann regnet, dann wird dieses Mikroplastik auch abgeschwemmt, und in der Regel, wenn es keine sogenannte Mischkanalisation gibt, dann geht es oft auch ungefiltert in die Flüsse.
"Trockenheitsverträgliche Rasensorten" statt "Kunstrasen mit Plastik"
Fecke: Aber das passiert doch beim Bremsen auf den Straßen ständig, dieser Reifenabrieb. Ist da wirklich … Spielt das dann wirklich so eine große Rolle, wenn wir das vergleichen?
Sommer: Also tatsächlich beides ist ein Problem. Reifenabrieb ist in der Dimension noch deutlich mehr, aber auch Kunstrasen ist mit geschätzt etwa 10.000 Tonnen Plastik, was hier freigesetzt wird, ein massives Umweltproblem. Das größte sind allerdings solche größere Plastikpartikel, also größere Plastikteile wie etwa Verpackungen. Die spielen die größte Rolle mit etwa 115.000 Tonnen, die hier jedes Jahr alleine in Deutschland in die Umwelt freigesetzt werden, haben den größten Anteil für Plastikmüll in der Umwelt.
Fecke: Bevor wir uns mit den Verpackungen beschäftigen, die auch gerne beim Fußballspiel nebenan dann landen und auch im Wald oder im Rasen liegenbleiben, noch kurz einen Blick auf diesen Kunstrasen. Wenn der jetzt aber abgebaut werden muss oder runtergerissen werden muss, wie kann der denn dann fachgerecht entsorgt werden?
Sommer: Das muss man sehen, je nachdem, um was es sich hier handelt. Zum Teil lässt sich dieses Gummi dann auch noch recyceln in andere Produkte, wobei man dann schauen muss, dass man das Problem nicht einfach verlagert. Möglich ist ansonsten natürlich auch eine Verbrennung aus Ressourcenschutzsicht, allerdings nicht zu bevorzugen. Ganz grundsätzlich rechne ich ja aber auch nicht mit einem Verbot, sondern maximal mit Anreizen in Richtung, dass man auch – und das halte ich auch für sinnvoll –, dass man, wenn man so einen Sportplatz neu plant, dass man dann trockenheitsverträgliche Rasensorten nimmt, statt so einen Kunstrasen mit Plastik anzulegen.
Fecke: Ist es realistisch, diesen Regen, der darauf fällt und dann ja das Granulat mit in die Umwelt spülen könnte, dass man den abfängt und reinigt?
Sommer: Ja, tatsächlich müsste man darüber nachdenken. Wir haben ja, gerade, was Sie angesprochen haben, auch mit dem Abrieb von Autoreifen ein ähnliches Problem. Das heißt, da, wo keine Mischkanalisation, also wo die Abwässer aus dem Haushalt und die aus den Straßenabwässer getrennt entsorgt werden, da müsste man überlegen, ob man nicht auch für diese Straßenabwässer eine Art Filter einbaut, um Verschmutzung, wie insbesondere auch Mikroplastik, zurückzuhalten. Ich denke, dass es technisch möglich ist, auch wenn es schon gehörige Investitionen und Infrastrukturveränderungen erfordern würde.
Verbindliche Mehrwegquoten für die Verpackungen der Firmen
Fecke: Mir als Laie kommt es immer ein bisschen so vor, als wären das so Stellvertreterprobleme, die da benannt werden, ähnlich wie bei den Wattestäbchen, denn das größere Problem – Sie haben es auch gerade schon angesprochen – tatsächlich sind die Einwegverpackungen, die danebenliegen beziehungsweise die einfach unrecycelt irgendwo im Mischabfall bestenfalls landen oder die einfach auf der Straße liegenbleiben. Müsste man da nicht mehr unternehmen?
Sommer: Ja, tatsächlich, also das ist mit Abstand ein viel größeres Problem, insbesondere solche Wegwerfverpackungen wie Plastiktüten, Einwegplastikflaschen, Coffee-to-go-Becher, die auch oft außer Haus konsumiert werden und deswegen auch so oft entweder in der Umwelt landen oder in der Straße landen, oder selbst wenn sie im Straßenkehricht einmal landen, dann je auch nur verbrannt werden, nicht recycelt werden. Da müsste man rangehen. Zum Beispiel brauchen wir auch eine stärkere Politik, also die den Unternehmen hier auch verbindliche Mehrwegquoten für ihre Verpackungen vorgibt, die auch vorgibt, dass Rezyklate in Verpackungen eingesetzt werden und sich auch insgesamt für Deutschland ein Ziel zur Abfallvermeidung gibt, weil wir haben ja mit etwa 220 Kilogramm pro Kopf Verpackung, die hier jedes Jahr in Deutschland anfallen, einen ja negativen Spitzenplatz in der ganzen EU. Also niemand verursacht so viel Verpackungsmüll wie ein Deutscher aktuell.
Fecke: Woran liegt das? Eigentlich hat man doch immer das Gefühl, dass die Deutschen schön Müll trennen und relativ umweltbewusst sind?
Sommer: Wir sind zwar gut beim Recycling, auch bei der Mülltrennung, und das ist auch gut so, und das müssen wir auch weiter ausbauen, aber darüber haben wir vergessen, dass es aus Umweltsicht noch wichtiger ist, dass der Müll erst gar nicht entsteht, und da hat die Bundespolitik bisher kläglich versagt. Es wird immer mehr, es gibt immer mehr Plastikmüll, auch anderen Verpackungsmüll, und es reicht auch nicht, von einem Wegwerfmaterial jetzt auf ein anderes zu setzen, also von Plastik auf wegwerffähiges Papier. Die sind zwar im Abbau dann weniger problematisch, haben aber in der Umweltbilanz auch keine bessere Gesamtbilanz. Von daher brauchen wir wirklich mehr Anreize in Richtung einer Kreislaufwirtschaft mit verbindlichen Abfallvermeidungszielen und Mehrwegquoten.
Fecke: Ich war ja doch sehr erstaunt, als Sie genannt haben, wie viele Kubikmeter dieser Rasen ausmacht in Deutschland. Gibt es eigentlich auch noch andere Materialien, vielleicht Dämmmaterialien, die ein ähnliches Problem darstellen und die auch in so einer Menge verbaut worden sind?
Sommer: Ja, also tatsächlich ist dieses Abriebproblem schon auch da, vor allem, wie gesagt, bei Reifen, wo man natürlich auch den Individualverkehr drastisch reduzieren müsste, tatsächlich auch andere Stoffströme. Wie Sie gesagt haben, also auch bei Dämmstoffen haben wir das Problem, wenn die nicht hinter einem Putz oder einer Farbe, die ja zum Teil auch kunststoffhaltig sind, verbaut sind, dann gibt es auch hier die gewisse Problematik, dass Mikroplastik freigesetzt werden kann, genauso aber auch im Grunde bei allen anderen Plastikprodukten, die vor allem im Einsatz außer Haus sind. Da muss man natürlich schon auch schauen, wie man so etwas reduzieren kann, allerdings auch mit Blick auf die anderen Umweltauswirkungen, wo das nur ein Teil von mehreren und teilweise auch gravierenderen Umweltproblemen ist.
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