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Plastikfenster für ein besseres Leben

Hohe Arbeitslosigkeit, kaum Wirtschaftswachstum - drei Jahre nach seiner Unabhängigkeit ist das Kosovo Europas Sorgenkind. Deutschland ist eines der wichtigsten Geberländer und setzt auf Mikrokredite.

Von Frank Capellan | 11.05.2011
    Driton Gashi legt den weißen Fensterrahmen aus Plastik zur Seite, streicht sich etwas verlegen durch die grauen gelockten Haare und winkt seinem Bruder zu, die Sägen einen Moment lang zu stoppen. Immerhin ist der Direktor seiner Bank gekommen, zudem noch der Entwicklungsminister aus Deutschland. Driton Gashi ist Anfang 50, baut Thermo-Fenster aus PVC und hölzerne Türen, und sein kleiner Betrieb "Beni Commerz", gelegen hinter einem kleinen Haus an einer belebten Ausfallstraße von Pristina, ist im Kosovo immer noch etwas Besonderes. ein Vorzeigeunternehmen mit sechs Beschäftigten, sein Chef ein Hoffnungsträger für ein verarmtes Land. Die drei Mitarbeiter kannten sich mit dem Fensterbau schon aus, erzählt Driton.

    "Meine beiden Brüder habe ich selbst angelernt, die arbeiten jetzt bei mir mit","

    sagt der Kleinunternehmer im dunkelgrauen Overall und grinst zu einem von ihnen herüber.

    ""Ja, wir wollen irgendwann auch Lehrlinge ausbilden. Das habe ich vor. Im Moment ist es vielleicht noch ein bisschen früh – mit der Produktion unserer Plastikfenster haben wir gerade erst vor vier Monaten begonnen."

    Zuvor fertigte "Beni Commerz" vor allem hölzerne Türen und Rahmen. Doch die Nachfrage nach doppelverglasten Fenstern wächst offensichtlich. Überall im Kosovo wird kräftig gebaut, meist planlos, Bauvorschriften gibt es nicht oder sie werden ignoriert. Wer die Straße nach Norden Richtung Mitrovica fährt, jene Stadt, in der neben der kosovo-albanischen Mehrheit noch 20.000 Serben leben, und in der es erst im letzten Herbst zu politischen Unruhen kam, der passiert einen Neubau nach dem anderen, halbfertige Einfamilienhäuschen, zumeist unverputzt mit roten Ziegeln. Wärmedämmung spielt keine Rolle, wenigstens Diton Gashis Thermo-Verglasung aber scheint gefragt. Vor zehn Jahren konnte er sich selbstständig machen, möglich machten es Kleinstkredite der ProCredit Bank, gegründet nach dem Kosovo-Krieg. Die Deutsche Mark war damals Zahlungsmittel, Bargeld wurde in Konvois – bewacht von deutschen Soldaten – nach Pristina gebracht. Heute gibt es von uns Kredite ab 2000 Euro, erzählt Philip Sigwart, Generaldirektor der Pro Credit Bank:

    "Im Kosovo haben wir 50.000 Unternehmenskunden. Ich würde sagen, dieser Betrieb ist ein sehr sehr typischer, der ganz klein angefangen hat - erster Kredit 5000 Mark. Und man sieht, es wird stetig investiert, jedes Mal wird der Kredit zurückgezahlt, und das Geschäft entwickelt sich."

    Pro Credit ist auf Mikrokredite spezialisiert, fördert verstärkt auch landwirtschaftliche Betriebe. Im Zwergstaat Kosovo wird zu viel gehandelt und zu wenig produziert. Driton Gashi:

    "Mein letzter Kredit belief sich auf 31.000 Euro. Ich weiß es gar nicht mehr ganz genau, insgesamt habe ich von Pro Credit so zwischen 70.000 und 80.000 Euro geliehen bekommen."

    Derzeit muss er mit 13 Prozent Zinsen zurückzahlen, nicht wenig, räumt der Bankenchef ein, aber handelsüblich im Kosovo. Partner der Politik ist sein Kreditinstitut schon lange. Es erhält Geld aus einem europäischen Fonds. Private und öffentliche Geber zahlen in den großen Topf, die Deutsche Bank ebenso wie das Entwicklungsministerium in Berlin. Wenn es schiefläuft, muss der Steuerzahler einspringen, sagen Kritiker - bisher läuft alles glatt. Und für Minister Dirk Niebel demonstriert Fensterbauer Gashi eindrucksvoll, dass es funktioniert:

    "Es ist ein schönes Beispiel. Das Schöne daran ist, dass es begonnen hat mit einem Unternehmer, der sich selbstständig gemacht hat mit 5000 Mark und dass daraus sich ein Betrieb entwickelt hat von dem sechs Menschen leben können."

    Ditron Gashi jedenfalls ist ein Typ, der Aufbruchstimmung vermittelt. Drei Jahre nach der Unabhängigkeit geht es voran im Kosovo, sagt er fast schon ein bisschen euphorisch und dankt dem deutschen Gast für dessen Interesse. Ein bisschen mehr Wohlstand und ein besseres Leben, das ist es, wovon er und die meisten der zwei Millionen Kosovaren träumen.