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Plaudereien über die Geheimnisse des Lebens

Bernard le Bovier de Fontenelle war einer der Pioniere der Aufklärung, ein in den Pariser Salons hoch geachteter und bewunderter Autor. Die philosophischen Lebensweisheiten, die er mit Witz und Ironie verkündete, stammten zwar aus dem Denken anderer, aber mit seinem Adaptionstalent gelang es ihm, Ideen der Vergangenheit so in die Gegenwart zu transportieren, dass man den Eindruck gewann, als werde alles im Augenblick gedacht.

Von Christian Linder |
    "Der Philosoph ist ein Mensch, der nicht glauben will, was er sieht, weil er zu beschäftigt ist, darüber nachzudenken, was er nicht sieht."

    "Gern geben die Menschen ihre Leiden der Philosophie zur Betrachtung, aber nicht zur Heilung."

    Für seine Kunst, in einem Plauderton über Geheimnisse des Lebens und Abgründe des Universums zu sprechen, ist Bernard Le Bovier De Fontenelle berühmt geworden. Dabei fühlte er sich zunächst angelegt auf einen schweren, existentialistischen Dichter. Geboren am 11. Februar 1657 in Rouen als Sohn einer adligen Juristenfamilie, studierte er bei den Jesuiten in Paris und versuchte in der Nachfolge eines Onkels, des Dramatikers Pierre Corneille, selber auf den Pariser Bühnen zu reüssieren. Die Bühne, auf der er sein wahres Talent allerdings erst zur Entfaltung bringen konnte, war die Bühne der Pariser Salons. Die philosophischen Lebensweisheiten, die er mit Witz und Ironie verkündete und mit denen er seine Umgebung, vor allem auch die Frauen, zu überzeugen wusste, waren zwar nicht auf seinem Fundus gewachsen, sondern stammten aus dem Denken anderer, aber mit seinem Adaptionstalent gelang es ihm, Ideen der Vergangenheit so in die Gegenwart zu transportieren, dass man den Eindruck gewann, als werde alles im Augenblick gedacht.

    Diese Kunst des "als ob" führte Fontenelle zum ersten Mal in seinem 1683 erschienenen Buch "Dialogues de morts", "Totengespräche" vor, indem er in fiktiven Dialogen Denker wie Aristoteles mit Dichtern wie Anakreon zusammenbrachte. Aristoteles meinte sich verteidigen zu müssen:

    "Letztlich findet sich jene Dunkelheit, die man mir zum Vorwurf gemacht hat, doch nirgendwo. Jedermann hat mir zugestanden, dass es nichts Schöneres und Klareres gibt als das, was ich über die Leidenschaften gesagt habe."

    Anakreons ruppige Antwort:

    "Was für ein Missverständnis. Es geht nicht darum, die Leidenschaften methodisch zu definieren, wie Ihr das angeblich getan habt, sondern sie zu besiegen. Kann man sich denn des Lachens erwehren, wenn man Leute sieht, die für bares Geld die Verachtung der Reichtümer predigen, Duckmäuser, die sich um die Definition der Hochherzigkeit streiten?"

    1686 ließ Fontenelle den "Totengesprächen" "Unterhaltungen über die Vielheit der Welten" folgen. Ein gebildeter junger Mann, natürlich Fontenelle selbst, erklärt darin während eines nächtlichen Spaziergangs durch Paris zwei jungen Damen die Entstehung des Universums auf der Grundlage der Erkenntnisse von Nikolaus Kopernikus, Galileo Galilei oder Johannes Keppler. Dass die Erde nur ein Planet unter vielen Sonnensystemen in einem unendlichen Sternenhimmel sei und die Planeten sich ohne einen Mittelpunkt bewegen in einem Raum, den man sich als leer vorstellen müsse, vor dessen Leere man jedoch keine Angst zu haben brauche, solche Vorstellungen konnte Fontenelle auf populäre Weise erläutern und wurde so zu einem der Pioniere der Aufklärung, von der Kirche auf den Index gesetzt und geschnitten, vom Publikum aber verehrt. Der äußere Ruhm wurde bestätigt durch die Wahl Fontenelles in die Académie française, später in die Académie des Sciences. In der repräsentativen Rolle als deren Sekretär fand Fontenelle mit seinen Apercus größte Aufmerksamkeit:

    "Alles trifft im Leben ein, sogar das, was man sich wünscht."

    "Eine schöne Frau ist ein Paradies für die Augen, eine Hölle für die Seele und ein Fegefeuer für den Geldbeutel."

    Der aufklärerische Impetus war aus solchen Lebensweisheiten natürlich längst verschwunden. Da stritt sich Fontenelle öffentlich denn auch nur noch darüber, wie man Spargel zubereite. Fontenelle aß ihn gerne mit einer Sauce Vinaigrette, während der Kritiker Abbe du Bos die Meinung vertrat, er schmecke am besten in Buttersauce. Bei dem Spargelessen, das diesen Streit klären sollte, bekam Fontenelle einen Schlaganfall, den du Bos ausnutzte, indem er in die Küche eilte und den Befehl ausgab: "Mettez tous au beurre", "Alle Spargel mit Buttersauce". Gestorben ist Bernard le Bovier de Fontenelle am 9. Januar 1757 in Paris, im beachtlichen Alter von knapp 100 Jahren. Seine letzten Worte werden bis heute als Zitat herumgereicht:

    "Ich leide nicht, meine Freunde, aber ich fühle eine gewisse Schwierigkeit zu existieren."