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Pleuger: Viadrina ist eine Europa-Universität

Der Nachfolger von Gesine Schwan an der Viadrina-Universität in Frankfurt an der Oder, der ehemalige deutsche UNO-Botschafter Gunter Pleuger, setzt auf sein internationales Netzwerk, um die Hochschule wettbewerbsfähig zu halten. Die Viadrina müsse es sich zur Aufgabe machen, junge Leute auszubilden, "die die östliche Dimension der Europäischen Union" besser verstehen und in die politische Diskussion hineintragen. Dazu gehöre auch der Blick über die derzeitige Ostgrenze der EU hinaus, betonte Pleuger.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Das Kapitel der Präsidentin Gesine Schwan ist gestern Abend zumindest für die Europa-Universität Viadrina zu Ende gegangen. Ein neues wird aufgeschlagen. Gunther Pleuger heißt der Nachfolger. Gestern Abend wurde er bestätigt. Am Telefon begrüße ich jetzt den neuen Präsidenten der Viadrina. Guten Morgen Gunter Pleuger und herzlichen Glückwunsch.

    Gunter Pleuger: Vielen Dank! Guten Morgen Frau Klein.

    Klein: Wie schnell denken Sie werden Sie jetzt Polnisch lernen?

    Pleuger: Darum werde ich mich natürlich bemühen. Das ist nicht so ganz einfach. Aber ich glaube das ist auch nicht das Entscheidende. Ich habe ja aus meiner Zeit als politischer Direktor und Staatssekretär viele Beziehungen zu Polen geknüpft und insbesondere zusammen mit dem damaligen Außenminister Fischer das Weimarer Dreieck wiederbelebt. Das heißt ich habe mich sehr intensiv in den vergangenen Jahren um Osteuropa und um die polnisch-deutschen Probleme bemüht und ich glaube das werde ich einbringen können auch in die Arbeit an der Viadrina, die ja eine Art Brückenfunktion hat gegenüber den osteuropäischen neuen Mitgliedern der Europäischen Union und von daher glaube ich wirklich eine einmalige Funktion im deutschen Universitätsleben hat.

    Klein: Was interessiert Sie persönlich an den Beziehungen zu Polen und an einer solchen Universität?

    Pleuger: Die Viadrina kann glaube ich junge Leute ausbilden, die die östliche Dimension der Europäischen Union, wie die Polen das nennen, besser verstehen und in die politische Szene und in die politische Diskussion hineintragen. Es ist in der politischen Klasse meines Erachtens nicht hinreichend bekannt und nicht hinreichend gewürdigt, dass die neuen Mitglieder aus Osteuropa - insbesondere Polen und die baltischen Staaten - natürlich über die neue Ostgrenze der EU hinausblicken und daran interessiert sind, dass nicht neue Grenzen entstehen und neue Hürden entstehen zu Ländern wie der Ukraine, zu Georgien oder zu Moldova - auch zu Weißrussland im Übrigen. Diese Länder haben darüber hinaus Transitionsprobleme, deren Verständnis glaube ich besonders groß in der Viadrina ist. Diese Brückenfunktion zu den Transitionsländern, zu den neuen Mitgliedern der EU ist glaube ich besonders wichtig in der Arbeit der Viadrina. Und sie ist ja auch eine Europa-Universität. Das heißt sie befasst sich in Lehre und Forschung natürlich auch mit der Weiterentwicklung der Europäischen Union - sowohl was die rechtliche, die organisatorische wie auch die wirtschaftliche weitere Integration betrifft.

    Klein: Was denken Sie denn ist zu tun, um die Viadrina auch künftig interessant zu machen für Studenten, damit sie eben mehr ist als eine ostdeutsche Regionaluniversität? Auch polnische Studenten können ja inzwischen in Rom oder Paris studieren. Womit kann die Viadrina dort wettbewerbsfähig bleiben?

    Pleuger: Die Viadrina kann nur dadurch wettbewerbsfähig sein, dass sie ein Lehrangebot hat, das für Studenten nicht nur aus Brandenburg, sondern auch aus den anderen Bundesländern und aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern attraktiv ist. Die Attraktivität glaube ich besteht darin, dass die Viadrina anders als die meisten anderen Universitäten Probleme aufgreifen kann aufgrund ihrer geographischen Lage, die für diese Studenten interessant sind und ihnen eine gute Voraussetzung für ihr späteres Berufsleben schafft.

    Klein: Ist dieses Lehrpersonal vorhanden und wenn nein, wie können Sie es werben?

    Pleuger: Wir haben in der Viadrina drei Fakultäten: eine juristische, eine kulturwissenschaftliche und eine volkswirtschaftliche Fakultät. Wir haben für 5.000 Studenten 60 Professoren. Das ist eine gute Ratio. Und ich glaube wir haben hoch qualifiziertes Lehrpersonal. Aber was wir natürlich möchten ist, dass wir auf dem, was Frau Schwan geschaffen hat, weiter aufbauen und die Möglichkeiten der Universität in Forschung und Lehre verstärken. Ich sehe meine Aufgabe darin, in enger Kooperation mit dem Senat, mit den Fakultäten, mit dem Stiftungsrat und auch mit den Partnerinstitutionen - die Universität hat ja auch eine große Anzahl von Partnerschaften mit internationalen Universitäten und anderen Institutionen -, in Partnerschaft mit den Stiftungen und mit der interessierten Wirtschaft möchte ich einen Beitrag dazu leisten, dass die Viadrina den Herausforderungen der Demographie gewachsen ist. Das muss man auch sehen. Es wandern ja aus Ostdeutschland und Osteuropa viele Leute ab. Das müssen wir versuchen einzudämmen. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass die Viadrina auch den Herausforderungen der europäischen Integration und der Globalisierung in Forschung und Lehre gerecht wird. Darin sehe ich meine Aufgabe.

    Klein: Ich würde gerne diesen letzten Punkt noch mal aufgreifen, den Sie gerade angesprochen haben. Ein Drittel der Studenten kommt aus Ostdeutschland, aber die Zahlen gehen zurück oder werden jedenfalls noch zurückgehen wegen des Bevölkerungsrückgangs insgesamt. Was können Sie dagegen unternehmen?

    Pleuger: Wir werden uns darum bemühen, Studenten auch aus Westdeutschland, aus den anderen Bundesländern anzuwerben, und wir werden uns dabei der Hilfe der Länder, der Hilfe aber auch der interessierten Wirtschaft und der Hilfe von Stiftungen und anderen Institutionen bedienen. Das entscheidende ist aber, dass wir ein Lehrangebot anbieten, was ein gewisses Alleinstellungselement für die Viadrina hat.

    Klein: Es klang im Beitrag gerade an. Ihnen fehlen viele Erfahrungen nicht, aber es fehlen Ihnen Erfahrungen im akademischen Bereich. Sehen Sie das eher als hilfreich an, den Blick von außen wagen zu können, oder empfinden Sie es als Mangel?

    Pleuger: Ich glaube das ist eine normale Situation, an die man im Auswärtigen Dienst gewöhnt ist, wo man ja alle drei Jahre seinen Beruf und seine ganzen Lebensumstände wechselt. Ich werde jetzt die Zeit nutzen bis zum Dienstantritt, um mich kurzzuschließen mit Frau Schwan, mit den Dekanen der Fakultäten und anderen, um mich auf diese neue Aufgabe vorzubereiten. Ich bin es gewohnt seit 37 Jahren, Gremien vorzusitzen und Gremien zu leiten, und ich glaube das sollte nicht die größte Schwierigkeit in der Viadrina sein.

    Klein: Inwiefern hilft Ihnen der lange Karriereabschnitt als UNO-Diplomat, das sich bewegen auf dieser Bühne?

    Pleuger: Das hilft mir insofern, als ich natürlich in langen Jahren des auswärtigen Dienstes ein recht gutes internationales Netzwerk habe aufbauen können, das mir hier auch zugute kommen wird, denn ich werde mich bemühen, das zu tun was in vielen Universitäten zurzeit gemacht wird, nämlich eine engere Verbindung zwischen Theorie und Praxis herzustellen. Ich glaube, dass es nützlich sein wird, neben den normalen Vorlesungen der Professoren auch Praktiker der internationalen Politik, Praktiker insbesondere aus der Europäischen Union, aber auch aus anderen internationalen Institutionen zu Lehrveranstaltungen, Konferenzen, Workshops nach Frankfurt an der Oder zu holen.

    Klein: Gibt es schon Namen, die Ihnen da vorschweben?

    Pleuger: Ja, aber die möchte ich jetzt nicht öffentlich machen, bevor ich nicht mit den Leuten selbst gesprochen habe.

    Klein: Ein Punkt klang gerade auch an. Ihre Kontakte beziehen sich auch auf Kontakte in die Wirtschaft und die Viadrina ist seit jüngster Zeit Stiftungsuni. Das Stiftungskapital muss sich mehren. Was wollen Sie mit Blick darauf tun? Welche Kontakte zu welchen Unternehmensbereichen könnten da hilfreich sein?

    Pleuger: Es bestehen bereits Kontakte zur Wirtschaft. Es gibt ein sogenanntes Career Center in der Universität. Das werden wir weiter ausbauen. Dieses Center hat die Aufgabe, die interessierte Wirtschaft anzusprechen, um erstens mal zu erfahren, was erwartet denn die Wirtschaft an Lehrinhalten von der Viadrina und ihren Abgängern. Zum anderen möchten wir, dass die interessierte Wirtschaft sich Gedanken macht, wie die Absolventen der Universität schnell ins Berufsleben integriert werden können. Das ist ja auch eine Attraktivität einer Universität, wenn die Studenten wissen, wenn ich hier einen guten Abschluss gemacht habe, kriege ich auch einen Job in der Wirtschaft. Wenn das gelingt, dann glaube ich wird es auch möglich sein, die interessierte Wirtschaft, aber auch andere Institutionen wie Stiftungen dazu zu bewegen, durch Zustiftungen die finanziellen Grundlagen der Universität zu stärken.

    Klein: Gunter Pleuger war das, seit gestern Abend Präsident der Europa-Universität Viadrina. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Pleuger.