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Plötzlich Mitglied in der Hochschulleitung

Studiengebühren, veraltete Bücher, heruntergekommene Hörsäle: Als Student möchte man vieles ändern. An der privaten Zeppelin-University in Friedrichshafen haben Studierende regulär die Möglichkeit dazu - im Amt eines befristeten Vize-Präsidenten.

Von Thomas Wagner | 28.01.2011
    "Gestern Abend war ich so lange an der Uni. Und die Mensa hat schon um 16 Uhr zugemacht."

    "Mir fällt noch was ein: Hast du dir schon mal überlegt wegen einer Bushaltestelle hier in Uninähe? "

    "Das ist auf jeden Fall ein wichtiges Thema in Zusammenarbeit mit der Stadt. Und ich glaube, es gibt dazu schon einen riesigen Aktenstapel."

    Mittagspause in der "Seele", wie die kleine Mensa der privaten Zeppelin-University Friedrichshafen genannt wird. Doch Lena Schulze-Gabrechten kommt kaum zum Essen. Bis vor Kurzem noch war sie Studentin der Politik- und Verwaltungswissenschaften.

    Doch nun nimmt sie ein neues Amt wahr. Seit Jahresbeginn ist Lena Schulze-Gabrechten Vizepräsidentin ihrer Hochschule – mit allen Rechten und Pflichten:

    "Das ist ein Job, also vollamtlich und man bezieht sein Gehalt und ist für diese Zeit als Studentin beurlaubt. Ich kann keine Prüfungsleistungen machen. Und aus meiner Erfahrung, ich bin jetzt hier zwei Wochen, wäre das auch gar nicht möglich. E ist ein 40-Stunden-Job. Und dementsprechend ruht das Studium halt eben."

    Dabei ist die 23-Jährige bereits die zweite Studierende, die als Vizepräsidentin in die Hochschulleitung berufen wurde. Ihr Vorgänger Siomon Pagany, Student der Kommunikations- und Kulturwissenschaften, nahm diesen Job das gesamte vergangene Jahr wahr – und hat dabei, wie er selbst meint, einiges bewegen können:

    "In diesem Zusammenhang ging es um sehr viele Themen, wo man sich um die Verbesserung der Lehre bemüht hat, also Verbesserung der Bachelor-Programme. Wir stellen ja gerade auf ein vierjähriges Programm um. Da war ich stark involviert. Dann gab es aber auch kleinere Themen: Wie ist der Umgang der Studenten untereinander und mit ihrer Universität?"

    Nachfolgerin Lena Schulze-Gabrechten schließt daran nahtlos an: Sie hat sich für ihre einjährige Amtszeit ebenfalls einiges vorgenommen:

    "Ich würde mich gerne bemühen, dass die Stipendien-Kultur hier an der Universität, die schon sehr gut ist, vielleicht noch besser wird, dass es vielleicht andere Modelle zur Studienfinanzierung noch gibt. Solche Dinge, damit habe ich mich immer schon beschäftigt nebenher und merke, dass es jetzt doch eine Leidenschaft zu sein scheint."

    Das sind Themen, die nicht unbedingt von den anderen Präsidiumsmitgliedern zu erwarten sind. Und darum geht es bei dem Modell: Durch das Amt eines studentischen Vizepräsidenten sollen die Interessen der Studierenden viel unmittelbarer als bisher in die Entscheidungsprozesse der Hochschulleitung einfließen. Und das sei, findet Professor Stephan Janssen, Präsident der Zeppelin-University Friedrichshafen, für eine gesunde Hochschulentwicklung wichtig:

    "Ich denke, dass Studierende sozusagen die Einzigen sind, die an der Universität etwas bewegen können, weil sie auch die Einzigen sind, die das Studium studieren. Das macht kein Programmdirektor, und das macht auch kein Präsident. Von daher haben Studierende schon Innenansichten in eine Universität, die es sinnvoll erscheinen lässt, diese auch innerhalb des Präsidiums abzubilden."

    Das sehen auch die meisten Studierenden selbst so. Seit es das Amt des studentischen Vizepräsidenten gibt, finden sie ihre Interessen stärker berücksichtigt als zuvor.

    "Vor allem ist die Organisation der Studenten bei auftauchenden Problemen viel besser geworden. Vor allem, dass man einen Ansprechpartner hat, der sich eben darum kümmert, das koordiniert und sammelt."

    "Ich denke schon, dass es eine gute Sache ist, dass die Interessen der Studenten vertreten werden können, auf einer hohen Hierarchieebene, wo sich diese Interessen dann auch durchsetzen lassen."

    Simon Pagany, Ex-Vizepräsident, hat seinen Stuhl in der Führungsetage der Zeppelin-University für seine Nachfolgerin geräumt. In diesem Semester möchte er sein Master-Studium abschließen - wegen seines zurückliegenden Jobs in der Hochschulleitung ein Jahr später als ursprünglich geplant. Ein verlorenes Jahr war das dennoch nicht - ganz im Gegenteil:

    "Im Gegensatz dazu, dass man praktisch ein Jahr im Studium verliert, was durchaus so ist, gewinnt man ein Jahr an Arbeitserfahrung und Einblicke in ganz verschiedenen Bereichen. Also ich könnte mir durchaus vorstellen, in einem Hochschulverband oder in einer Stiftung, die im Bereich der Wissenschaft unterwegs ist, tatsächlich zu arbeiten. Insofern gewinnt man wirklich ein Jahr."