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Podemos in Spanien
Neue südeuropäische Allianz

Wie Alexis Tsipras fordert Pablo Iglesias einen Schuldenschnitt für die notleidenden Länder der Euro-Zone. Wie Griechenlands linker Oppositionsführer könnte der Vorsitzende der noch jungen spanischen Protestpartei Podemos damit bei kommenden Wahlen Erfolg haben.

Von Hans-Günter Kellner | 06.01.2015
    Pablo Iglesias, Parteivorsitzender der Protestpartei "Podemos" in Spanien bei einer Pressekonferenz.
    Podemos-Vorsitzender Pablo Iglesias ist einer der beliebtesten Politiker Spaniens. (AFP/Gerard Julien)
    Fast immer geht es ziemlich durcheinander in den politischen Debatten im spanischen Fernsehen. Wenn Pablo Iglesias dabei ist, der Generalsekretär der neuen Partei Podemos, wird der Ton meist noch ein bisschen schärfer. Mal wird ihm vorgeworfen, mit baskischen Terroristen zu sympathisieren, mal Spanien in den Ruin zu treiben. Doch der 36-jährige Politologe mit dem langen Pferdeschwanz bleibt gelassen. Er weiß, was die Zuschauer nach so vielen Jahren der Massenarbeitslosigkeit und sinkenden Einkommen hören wollen: "Wenn wir die Bürger fragen: Wollen sie ein Gesundheitssystem für alle oder, dass nur noch die Leute zum Arzt gehen, die es sich auch leisten können? Sollen nur noch Reiche die Hochschulen besuchen oder jeder, der die entsprechenden Noten hat? In diesen Fragen ist die Mehrheit auf unserer Seite."
    Beliebter Politiker
    Mit den Fernsehdebatten ist er berühmt, für manche zu einem roten Tuch aber für viele auch zu einem der beliebtesten Politiker Spaniens geworden. Bei seiner Wahl zum Podemos-Generalsekretär im November vergangenen Jahres war eigens der griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras nach Madrid gereist. Wie Tsipras ist auch Iglesias inzwischen Europaparlamentarier und wie der Grieche fordert auch der Spanier einen Schuldenschnitt. Iglesias: "Das ist in den letzten 100 Jahren 600 Mal passiert. Eine der wichtigsten Umstrukturierungen war die in Deutschland - nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie hat die deutschen Schulden halbiert. Weil es gut für alle war, dass sich Deutschland wirtschaftlich entwickeln konnte - das Land, das Guernica bombardiert hat und das in Griechenland einmarschiert ist. Die Situation in Spanien, Portugal und Griechenland ist nicht mehr tragbar. Wir müssen uns mit den Gläubigern zusammensetzen. Wir sagen ihnen, dass sie bekommen, was ihnen zusteht. Aber über dem Interesse der Banken steht das Recht eines Rentners auf ein Krankenhaus oder der Kinder auf Schulbücher."
    Iglesias, der auch beratend für die Regierung von Hugo Chávez in Venezuela tätig war, will mit den Gläubigern verhandeln, spricht aber nicht mehr von "illegitimen Schulden" wie bisher. Seine Haltung in der Wirtschaftspolitik wird gemäßigter, je näher in Spanien die Wahltermine rücken. Im Mai werden im ganzen Land neue Kommunal- und auch einige Regionalparlamente gewählt, Ende des Jahres stehen die Kongresswahlen an. An der Grundüberzeugung hält Podemos aber fest: Die hohen Staatsschulden, die durch die Bankenrettung entstanden sind, verschlechtern die Lebensverhältnisse im Land, so die Parteilinie.
    "Schulden sind Last für künftige Generationen"
    Der Ökonom Juan Torres von der Universität Sevilla hat die wirtschaftspolitischen Leitlinien mit ausgearbeitet: "Alle Schuldenkrisen der Welt sind in der Wirtschaftsgeschichte mit einer Umstrukturierung und einem Schuldenschnitt gelöst worden. Die gegenwärtige Politik erhöht die Schulden täglich und führt uns in einen ungeordneten Staatsbankrott, in die Katastrophe. In einer Schuldenkrise braucht der Staat mehr Einnahmen. Wir dürfen nicht dort sparen, wo wir Einnahmen generieren. Und wir brauchen eine bessere Ausgangslage auf den Finanzmärkten. Die Schulden sind eine Last auf den Schultern der künftigen Generationen."
    Podemos möchte die höheren Einkommen, die Reichen sowie die großen Unternehmen stärker besteuern und die Steuerflucht stärker bekämpfen. Außerdem fordert die Partei eine Sozialhilfe für Menschen ohne jedes Einkommen. Alle Umfragen sehen die Partei derzeit bei über 20 Prozent, sie liegt damit in etwa gleichauf mit den beiden Volksparteien. Einmal an der Regierung würden sich dann neue Allianzen zwischen den Südeuropäern abzeichnen. Juan Carlos Monedero, ebenfalls Politologe und Mit-Initiator von Podemos, meint zum Beispiel: "Im 21. Jahrhundert gibt es keine isolierten Lösungen. Wer glaubt, dass ein Land alleine etwas ändern könne und dass die nationalen Identitäten gestärkt werden müssten, hat nichts verstanden. Das ist absurd. Wo wollen diese Leute denn hin, die fordern, wir Spanier sollten aus dem Euro raus? Das ist völlig zwecklos. Aber wir könnten uns mit den Portugiesen, den Griechen, den Italienern und ganz sicher auch mit einem Teil der Franzosen verständigen."
    Experten warnen vor Kapitalflucht
    Mit all jenen also, die den strikten Sparkurs lockern wollen. Wirtschaftsexperten warnen zwar vor Kapitalflucht, Unternehmensschließungen und noch mehr Arbeitslosen, sollte die neue Partei tatsächlich ihre Vorstellungen umsetzen können. Doch die Menschen um Pablo Iglesias leitet auch der Glaube an die eigene Stärke. Denn der Name ist Programm. Übersetzt bedeutet Podemos: "Wir können."