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Pöttering fordert von neuer US-Regierung Offenheit für Klimamaßnahmen

Der Präsident des Europa-Parlaments, Hans-gert Pöttering, erwartet nach der Präsidentenwahl in den USA Fortschritte im gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel. Ein neue amerikanische Administration müsse in diesem Punkt offen sein für neue Vereinbarungen, die dann im Dezember 2009 in Kopenhagen getroffen werden müssten, sagte der CDU-Politiker. Insgesamt erhoffe er sich vom künftigen US-Präsidenten eine stärkere internationale Ausrichtung.

Hans-Gert Pöttering im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Eine große Mehrheit in Europa, vor allem im medialen Establishment und bei den Demoskopen, erwartet, um nicht zu sagen erhofft morgen einen Sieg des demokratischen Kandidaten Barack Obama. Die Umfragen sagen diesen Sieg voraus und mit diesem Sieg verbindet man gemeinhin einen Wandel der Politik. Wie kann der aussehen? Wird sich das Verhältnis zu Europa grundlegend ändern? Hat Amerika nicht vor der Wahl die gleichen Interessen wie nach der Wahl? - Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich den Präsidenten des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering. Guten Morgen!

    Hans-Gert Pöttering: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Pöttering, einem Staatsmann des ganz alten Europa, dem Briten Gladstone, wird der Satz zugeschrieben, "Großbritannien habe keine ewigen Freunde und keine ewigen Feinde, es habe nur ewige Interessen". Das dürften die Nachfahren der europäischen Einwanderer in Amerika ähnlich sehen. Glauben Sie, dass sich die Politik Amerikas gegenüber Europa nach der Wahl grundlegend verändern wird?

    Pöttering: Es hat ja immer nach Präsidentschaftswahlen Akzentverschiebungen gegeben zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa. Heute haben wir in Europa eine starke Europäische Union und dadurch auch neue Bedingungen und ich würde mir wünschen, dass die neue Administration (unabhängig davon, ob nun Barack Obama oder John McCain gewinnt) insbesondere starke Beziehungen zur Europäischen Union aufnimmt und dabei auch das Europäische Parlament in den Blick nimmt, was bisher bedauerlicherweise nicht der Fall war. Viele Staatsmänner, Ministerpräsidenten, Staatspräsidenten, Minister, kommen heute zum Europäischen Parlament, aber ich habe den Eindruck, dass die amerikanische Regierung die Bedeutung des Europäischen Parlaments noch nicht so erkannt hat. Europäische Politiker gehen immer auch zum Kapitol, zum Senat, zum Repräsentantenhaus, und etwas Vergleichbares wünsche ich mir von der neuen amerikanischen Regierung gegenüber dem Europäischen Parlament.

    Liminski: Werden Sie den neuen Präsidenten ins Europaparlament einladen, dort vielleicht eine Rede zu halten?

    Pöttering: Ja. Die Fraktionsvorsitzenden haben mich ermächtigt, sowohl Barack Obama zu schreiben als auch John McCain, was schon geschehen ist, um je nachdem wer nun Präsident wird ihn einzuladen ins Europäische Parlament, vor dem Europäischen Parlament eine Rede zu halten. Diese Einladung ist ausgesprochen und ich werde sie dann gegenüber dem neu gewählten Präsidenten noch einmal aussprechen. Es wäre eine gute Anknüpfung an den Besuch von Ronald Reagan, der der letzte Präsident Amerikas war, der vor dem Europäischen Parlament gesprochen hat.

    Liminski: Wo sehen Sie eigentlich einen grundlegenden Unterschied zwischen Obama und McCain?

    Pöttering: Zunächst einmal muss man sagen, Herr Liminski, dass es, glaube ich, eine gute Erfahrung ist, dass beide Persönlichkeiten, John McCain wie auch Barack Obama, Persönlichkeiten sind, die integer sind, die den Willen haben, mit Europa gut zusammenzuarbeiten. John McCain ist ein sehr ehrlicher Mann. Er war ja in der Gefangenschaft bei den Vietcong in Vietnam und er wollte diese Gefangenschaft nur verlassen, wenn auch seine Kameraden frei gelassen würden. Das zeigt sein menschliches Format. Barack Obama steht dafür, dass er mit seiner Persönlichkeit nun diesen Aufstieg gemacht hat. Das zeigt die Erneuerungsfähigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich hoffe und erwarte mir von beiden, dass sie mehr setzen auf internationale Organisationen, auf die Vereinten Nationen, auf Multilateralität, das heißt, dass sie nicht einseitige Entscheidungen fällen. Wo die Unterschiede sind, das wird eigentlich erst die Zukunft erweisen können. Die Demokraten waren immer mehr orientiert im Hinblick auf die Vereinten Nationen als die Republikaner, aber ich glaube, das wäre auch bei John McCain der Fall.

    Liminski: Der Gewinner morgen wird wie der jetzige Präsident mit der Finanz- und Wirtschaftskrise konfrontiert sein. Kann das gemeinsame euro-amerikanische Krisen-Management noch verbessert werden?

    Pöttering: Wir haben ja in der Vergangenheit, in den letzten Wochen, schon sehr viel erreicht. Der Präsident des Europäischen Rates, der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, wie auch der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, waren ja in Washington bei Präsident Bush und es hat eine enge Kooperation gegeben. Es wird dann in 14 Tagen den Weltfinanzgipfel geben, nachdem am kommenden Freitag noch einmal die Staats- und Regierungschefs der Länder der Europäischen Union mit dem Kommissionspräsidenten, mit dem Parlamentspräsidenten des Europäischen Parlaments zusammenkommen. Ich glaube, die Zusammenarbeit ist schon sehr intensiv, aber natürlich kann man immer noch mehr zusammenarbeiten. Und wenn die Zusammenarbeit der letzten Wochen ein Maßstab ist auch für die Zukunft, dann bin ich zuversichtlich.

    Liminski: Wo sind denn die offenen Baustellen zwischen Europa und Amerika?

    Pöttering: Ja. Es gibt natürlich eine Fülle von Baustellen in der Welt. Ich war jetzt gerade eine Woche in Afrika und hier muss man sagen, dass die Administration von Präsident Bush durchaus positive Akzente gesetzt hat im Hinblick auf Afrika, im Hinblick auf die Bekämpfung von AIDS. Wir müssen sicherstellen, die Europäer in der Europäischen Union, unsere amerikanischen Freunde, dass wir Afrika nicht vergessen und wir vor allen Dingen auch unsere Verpflichtungen gegenüber Afrika einhalten und nicht jetzt die Finanzkrise zum Maßstab nehmen, unsere Verpflichtungen gegenüber diesem doch sehr leidgeprüften Kontinent zu vergessen. Das ist eine wichtige Baustelle.
    Eine weitere wichtige Baustelle ist natürlich der Kampf gegen den Klimawandel, und hier erwarten wir von der neuen amerikanischen Administration, dass sie offen ist für neue Vereinbarungen, die wir dann im Dezember 2009 in Kopenhagen treffen wollen. Das Europäische Parlament ist jetzt gerade im Gesetzgebungsverfahren, was diese Fragen des Klimawandels angeht.
    Dann kommt natürlich hinzu die wichtige Frage des Dialogs der Kulturen, unsere Beziehungen zu den friedlichen Menschen und Politikern in der islamischen Welt, die Lösung der Nahost-Frage. Wenn wir nicht zu einem Frieden im Nahen Osten kommen, Israel in sicheren Grenzen, Palästina in sicheren Grenzen, dann wird es auch schwieriger, noch schwieriger im Verhältnis zu den arabischen und islamischen Staaten. Also es gibt eine Fülle von Themen, auch unser Verhältnis zu Russland. Es wird nicht mangeln an Themen, mit denen wir mit den Amerikanern gut zusammenarbeiten müssen.

    Liminski: Lange, Herr Pöttering, hielt man an der Vorstellung von einer transatlantischen Wertegemeinschaft fest. Gibt es die noch so wie früher? Was verbindet uns Europäer mit Amerika mehr als mit anderen Weltregionen?

    Pöttering: Wir haben im Grundsatz gleiche Werte, die Amerikaner oder man sollte besser sagen die Bürgerinnen und Bürger in den Vereinigten Staaten von Amerika. Amerika geht ja weit über die USA hinaus. Auch sprachlich sollten wir uns bemühen, dass wir nicht den amerikanischen Kontinent immer mit Amerika gleichsetzen. Uns verbinden die Werte "die Würde des Menschen", die Menschenrechte, die Demokratie, die Rechtsordnung und hier hat es in den letzten Jahren einige Defizite gegeben, wenn wir an Guantanamo denken. Aber ich hoffe, dass diese Dinge überwunden werden. Wir müssen unsere Beziehungen gründen auf das Recht und das Recht muss immer der Maßstab sein. Insofern bleiben wir eine Wertegemeinschaft. Europa, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika sollten bemüht sein, diese Werte durchzusetzen in der Welt, natürlich wo es geht friedlich, und wir sollten immer ein Anwalt der Menschenrechte sein und diese Menschenrechte niemals unseren vordergründigen Interessen opfern.

    Liminski: Seit Jahren, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten ist von der pazifischen Option Amerikas die Rede. Wenn Obama gewinnt, bedeutet das auch einen Generationenwechsel. Wird sich Obama oder vielleicht auch McCain noch stärker den Partnern in Asien zuwenden, also China, Japan, Indien?

    Pöttering: Die Welt sieht heute anders aus als vor 30, 40 Jahren. Ich sprach ja eben schon einmal davon, dass wir mehr auf den Multilateralismus setzen müssen, das heißt auf eine Welt, die mehrere Machtfaktoren hat. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind sicher noch heute die führende Weltmacht, aber alleine können sie die Welt nicht gestalten. Was wir brauchen ist wirkliche Partnerschaft zwischen den USA und der Europäischen Union, aber auch mit den anderen Mächten in der Welt, mit China, mit Indien, mit Russland, mit Afrika, gleichberechtigte Partnerschaft. Ich warne davor, dass wir jetzt die Situation in Asien idealisieren, auch die Wirtschaftskraft Chinas. China ist ja in sich fast ein Kontinent mit unglaublich vielen Gegensätzen. China hat im Moment noch ein großes Wirtschaftswachstum, aber auch dort gibt es Auswirkungen der Finanzkrise und China ist keine Demokratie. Das schafft auch neue Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Also kein Land in der Welt, auch die USA können es nicht alleine gestalten. Deswegen brauchen wir Zusammenarbeit und die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika sind, glaube ich, wegen ihrer Wertebasis berufen, gemeinsam die Probleme in der Welt zu lösen.

    Liminski: Was man in Europa nicht gerne hört, aber in Amerika aufmerksam registriert, ist die demographische Verschiebung zwischen den Kontinenten. Europa wird schrumpfen, damit auch seine Wirtschaftskraft und seine Wirtschaftsattraktivität, während Asien und andere Regionen wachsen. Liegt darin nicht auch eine Verschiebung der Interessen, wenn nicht in den nächsten 4, so doch in den nächsten 10 oder 20 Jahren?

    Pöttering: Natürlich, Herr Liminski. Die Dinge verändern sich. Aber es ist sehr schwierig, jetzt langfristige Prognosen zu geben. In den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sprach man von der japanischen Herausforderung. Jetzt spricht man von der Herausforderung durch China, aber auch China hat ja gewaltige demographische Probleme mit der Ein-Kind-Familie. Auch die Bevölkerung in China altert und die Gegensätze in China sind sehr stark zwischen Shanghai einerseits und den ländlichen Regionen andererseits. Ich empfehle uns, den Europäern, dass wir unsere Kraft nicht gering schätzen. Wir haben es geschafft in der Europäischen Union, dass wir unsere Probleme, die wir haben, die Herausforderungen, vor die wir gestellt sind, gemeinsam bewältigen auf der Grundlage des Rechts durch Dialog, dass wir sie friedlich lösen. Und unsere Haltung gegenüber Russland jetzt in der Georgien-Krise, jetzt auch in der Finanzkrise zeigt doch, die Europäische Union ist da. Deswegen empfehle ich uns Europäern, dass wir an unsere eigene Kraft und an unseren eigenen Gestaltungswillen auch glauben.

    Liminski: Offene Baustellen, aber viele Gemeinsamkeiten zwischen Europa und Amerika. Das war der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering. Besten Dank für das Gespräch, Herr Pöttering.

    Pöttering: Ich danke Ihnen, Herr Liminski.