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Pöttering kritisiert "absurde" Vorwürfe gegen Adenauer-Stiftung in Kairo

Einen Machtkampf innerhalb des ägyptischen Regimes vermutet Hans-Gert Pöttering als Grund für die Anklage gegen eine Mitarbeiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo. Man habe sich nichts vorzuwerfen, doch die Arbeit des Büros ruhe derzeit.

Hans-Gert Pöttering im Gespräch mit Mario Dobovisek | 14.07.2012
    Mario Dobovisek: Der Machtkampf in Ägypten nimmt bizarre Formen an: Militärs, Islamisten und liberale Kräfte tragen ihn abwechselnd vor Gericht, im Parlament oder auf der Straße aus, wie zuletzt gestern bei Protesten in Kairo, zu denen die radikal-islamischen Salafisten aufgerufen hatten. Mittendrin, so scheint es, stehen Nichtregierungsorganisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Transformationsprozess im Land, die Demokratisierung zu begleiten und zu unterstützen – so auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Deren Büroräume in Kairo wurden vor einem halben Jahr gestürmt und durchsucht wie auch jene 16 anderer Organisationen. Die Empörung damals war groß. Außenamtssprecher Andreas Peschke:

    "Es ist aber offensichtlich, dass natürlich ein solcher Durchsuchungs- und Behinderungsvorgang den Bemühungen um den Aufbau einer freien Zivilgesellschaft in Ägypten schon einen Rückschlag versetzt. Das darf nicht der Vorbote dafür sein, dass der Transformationsprozess in Ägypten jetzt schrittweise wieder umgekehrt wird."

    Dobovisek: Mehrere Mitarbeiter ausländischer Organisationen wurden festgenommen, darunter auch Christina Bade von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Der Vorwurf: illegaler Aufenthalt und illegaler Geldtransfer aus dem Ausland nach Ägypten – eine Million Euro soll die KAS angeblich einer lokalen Organisation überwiesen haben. Den Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung und früheren Präsidenten des Europaparlaments begrüße ich am Telefon. Guten Morgen, Hans-Gert Pöttering!

    Hans-Gert Pöttering: Guten Morgen, Herr Dobovisek!

    Dobovisek: Ihre Mitarbeiterin ist inzwischen wieder frei, doch der Prozess wird immer wieder vertagt. Wann erwarten Sie ein Urteil?

    Pöttering: Ja, das ist natürlich schwer absehbar, auch gerade wegen der Erfahrungen, die wir in den letzten Monaten in Ägypten gemacht haben. Allerdings – und das scheint eine gewisse Entspannung zu zeigen im Hinblick auf die Konrad-Adenauer-Stiftung – sind wir bei den letzten Prozesstagen vor einigen Wochen nicht so sehr im Mittelpunkt gewesen, sondern die von Ihnen angesprochene Mitarbeiterin Frau Christina Bade war anwesend, ihr Name wurde genannt, sie wurde aufgerufen, aber man hat sich mit der Konrad-Adenauer-Stiftung überhaupt nicht befasst. Und wir haben auch Informationen, dass man bedauert, dass überhaupt die Konrad-Adenauer-Stiftung mit in den Prozess einbezogen wurde. Aber da wir nicht wissen, wie sich die Dinge in Ägypten weiterentwickeln, bleiben wir natürlich sehr wachsam.

    Dobovisek: Woran liegt es oder was wird der Konrad-Adenauer-Stiftung genau vorgeworfen?

    Pöttering: Ja, das ist ja genau das, Herr Dobovisek, was wir gar nicht genau wissen. Das, was gerade in Ihrer Anmoderation gesagt wurde mit der einen Million Euro ist natürlich absurd, so viel Geld haben wir gar nicht. Für unsere Aktionen in Ägypten auch geben wir überhaupt kein Geld direkt an Organisationen, sondern was wir machen, ist, dass wir Veranstaltungen, Seminare, Konferenzen durchführen, immer mit Partnern, aber die Leistungen werden dann von uns erbracht und wir geben nicht das Geld an Organisationen. Und deswegen ist für uns alles so undurchsichtig. Es handelt sich um innenpolitische Auseinandersetzungen in der Regierung, im Regime, aber wir haben dort auch viele Freunde, und das zeigt, dass es eine Art Machtkampf ganz offensichtlich ist.

    Es richtet sich in erster Linie auch gegen unsere amerikanischen Partner und Freunde, das hat man uns auch gesagt, und wir müssen jetzt einfach abwarten, wie die Dinge sich weiter entwickeln. Aber ich hoffe, dass wir zu einer ordnungsgemäßen, vernünftigen Arbeit zurückkehren können in Ägypten, denn die Gesellschaft kann sich nur in Richtung Demokratie, Freiheit weiterentwickeln, Rechtsstaatlichkeit, wenn die Nichtregierungsorganisationen arbeiten können und in uns, den Stiftungen, den deutschen Stiftungen wie der Konrad-Adenauer-Stiftung, einen guten Partner haben.

    Dobovisek: Sind das denn, die Dinge, die Sie jetzt geschildert haben, Herr Pöttering, insgesamt Anzeichen einer politisch motivierten Justiz?

    Pöttering: Das ist mit Sicherheit so, zumindest die Anklage ist politisch motiviert, und jetzt müssen sich die Richter damit auseinandersetzen, und es bleibt abzuwarten, zu welchen Urteilen das führt. Es wird sicher auch differenzierte, also unterschiedliche Urteile geben, weil ja die Organisationen, die im Land sind, in Ägypten sind, sich auch unterschiedlich verhalten. Wir jedenfalls haben uns keine Vorwürfe zu machen, wir sind seit über 30 Jahren im Land, auch Frau Christina Bade ist immer erneut eine Arbeitserlaubnis gegeben worden für die Konrad-Adenauer-Stiftung, und es ist geradezu absurd, uns unrechtmäßiges Verhalten vorzuwerfen.

    Dobovisek: Viele Organisationen haben ihre Arbeit in Ägypten aufgrund dieser Vorwürfe eingestellt, ganz eingestellt. Welche Folgen hat die Anklage für die Projekte der Konrad-Adenauer-Stiftung?

    Pöttering: Im Moment kann man sagen, dass unsere Arbeit ruht. Ganz formell ist unser Büro nicht geschlossen. Unsere ägyptischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind da Frau Bade, die mit einem Ägypter verheiratet ist, zwei Töchter hat, die im Lande sind, und deswegen ist sie auch zurückgegangen nach Kairo, sie hätte ja auch wie der andere Mitarbeiter in Deutschland bleiben können. Sie ist wieder im Land, und wir hoffen, dass es bald zu einer Entscheidung des Gerichtes kommt, dass man Frau Bade und auch dem anderen Mitarbeiter und der Adenauer-Stiftung keine Vorwürfe durch ein Urteil machen kann, so dass wir dann unsere Arbeit wieder aufnehmen können. Aber das ist im Moment mehr Hoffnung als Realität.

    Dobovisek: In Russland hat die Duma gestern erst ein Gesetz verabschiedet, dass Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland finanziert werden, vorschreibt, sich als "ausländische Agenten" zu registrieren, welche in Russland klar als Feinde wahrgenommen werden. Was bedeuten Entscheidungen wie diese und auch die Vorgänge in Ägypten für die politische Arbeit einer Organisation wie der Konrad-Adenauer-Stiftung?

    Pöttering: Ja, das ist natürlich ein sehr bedauernswerter Vorgang in Moskau, dieses Gesetz durch die Duma. Ich will jetzt nicht Öl ins Feuer gießen mit meiner Beurteilung, aber ein solches Gesetz, das die Nichtregierungsorganisationen in Russland betrifft, das betrifft nicht die ausländischen Nichtregierungsorganisationen oder Stiftungen. Wir sind also als Konrad-Adenauer-Stiftung und die anderen deutschen Stiftungen nicht direkt betroffen. Aber es kann natürlich indirekte Auswirkungen haben in der Zusammenarbeit zwischen den Nichtregierungsorganisationen in Russland, in der Zusammenarbeit mit uns. Und es bleibt jetzt abzuwarten, wie sich das entwickelt. Wir wollen auf jeden Fall unsere Arbeit in Moskau, in Russland uneingeschränkt aufrecht erhalten.

    Wenn Russland eine demokratische, freiheitliche und rechtsstaatliche Entwicklung nehmen will, auch als Mitgliedsland des Europarates – Russland ist ja auch an gewisse Rechte gebunden, die uns verbinden im Europarat –, dann hoffe ich, dass es nicht zu wesentlichen Einschränkungen der Nichtregierungsorganisationen in Russland kommt. Ich hoffe, dass dieses nicht eintritt, sodass wir auch unsere Arbeit uneingeschränkt mit unseren Partnern fortsetzen können. Aber auch das ist im Moment Wunsch, es ist Hoffnung.

    Dobovisek: Sind das antidemokratische Tendenzen?

    Pöttering: Es sind sicher Tendenzen, die ihre Grundlage in einem autoritären Denken haben, und man kann nur der Erwartung Ausdruck geben, dass am Ende es nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht ist. Aber diese optimistische Erwartung können wir jetzt noch nicht haben. Man muss abwarten, wie die Dinge sich entwickeln. Aber ich empfehle, dass wir wachsam sind.

    Dobovisek: Die jeweiligen Regierungen wehren sich ja gegen einen ihrer Ansicht nach zu großen Einfluss aus dem Ausland. Wo hört Unterstützung der Demokratie auf und wo fängt konkrete politische Einflussnahme in Ihrem Fall einer parteinahen Stiftung an?

    Pöttering: Russland wendet sich wohl, oder die Regierung oder der Präsident wenden sich wohl dagegen, dass es Finanzierungen gibt, die sich gegen die Regierung wenden, gegen den Präsidenten. Es gibt eine Organisation in Russland, die auch die Wahlbeobachtung organisiert hat, mit Kritik auch an den letzten Wahlen, den Präsidentschaftswahlen, und man behauptet, dass diese Organisation Geld bekommen hat aus dem Ausland, insbesondere aus den Vereinigten Staaten von Amerika.

    Aber das trifft für die deutschen Stiftungen, zumindest für die Konrad-Adenauer-Stiftung, in keiner Weise zu, sondern wir führen Veranstaltungen durch, die wir im Kontakt mit anderen Nichtregierungsorganisationen gestalten, und finanzieren dann diese Veranstaltung, aber wir geben niemals, in keinem Fall Geld an irgendeine Organisation, sodass diese Organisation dann mit dem Geld machen könnte, was sie will. Dieses können wir gar nicht nach den Bestimmungen, denen wir in Deutschland gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung unterworfen sind.

    Unsere Arbeit ist transparent: Wir geben auch Berichte über unsere Verwendung der Gelder an das Justizministerium, jedes Vierteljahr, und einmal im Jahr geben wir auch einen Bericht an das Justizministerium über unsere gesamten Veranstaltungen, und in diesem Rahmen sind wir frei, unsere Veranstaltungen durchzuführen, aber wir machen es auch sehr transparent. Und deswegen ist uns gegenüber auch kein Vorwurf zu machen.

    Dobovisek: Wir sprechen ja insgesamt tatsächlich über Repressalien, die Ihre Arbeit beeinflussen könnten, zum Beispiel in Ägypten. Wie viele Abstriche sind Sie bereit, bei den Arbeitsbedingungen Ihrer Stiftung hinzunehmen?

    Pöttering: Wenn unsere Arbeit im Kern nicht mehr frei wäre, wenn wir jede Aktion, jedes Seminar, jede Konferenz, jede Kontaktaufnahme uns genehmigen lassen müssten, dann hätte eine Arbeit keinen Sinn, aber so weit ist es Gott sei Dank bisher in Russland nicht gekommen, auch in anderen Ländern nicht. Wir wollten uns in einigen Ländern engagieren, dort hat man uns aber – wie beispielsweise in Algerien, wo wir nicht vertreten sind – solche Bedingungen gestellt für unsere Arbeit, dass wir sagen: Dann hat es keinen Sinn. Wir müssen in unserer Arbeit frei sein, wir müssen uns unsere Partner aussuchen. Aber wir müssen auch gleichzeitig transparent sein gegenüber den öffentlichen Behörden, und das sind wir. Unsere gute Arbeit – die wir ja nicht für uns machen, sondern für die Entwicklung der Zivilgesellschaft, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Freiheit in den betroffenen Ländern –, wollen und müssen wir unsere Arbeit fortsetzen.

    Dobovisek: Wie deutlich müssen die Worte der US-Außenministerin Hillary Clinton ausfallen gegenüber den Machthabenden in Ägypten, wenn sie morgen beziehungsweise heute schon das Land bereist?

    Pöttering: Hillary Clinton – die ja auch einen guten Kontakt mit dem europäischen Parlament hat, und wir als Konrad-Adenauer-Stiftung haben auch gute Kontakte mit den amerikanischen Stiftungen, sowohl der Demokraten wie der Republikaner – hat bisher deutliche Worte gefunden und ich bin sicher, dass sie diese deutlichen Worte auch finden wird. Und wir haben alles Interesse daran, dass wir mit unseren amerikanischen Freunden hier auch einen gemeinsamen Weg gehen und allen Betroffenen überall in der Welt deutlich machen: In dieser einen Welt kann man nicht mehr das Argument der Nicht-Einmischung oder Einmischung gebrauchen, sondern wenn wir Demokratie wollen in der Welt, wenn wir Partnerschaft wollen, wenn wir Freundschaft wollen, dann müssen wir zusammenarbeiten. Und das bedeutet auch, dass die Nichtregierungsorganisationen in den betroffenen Ländern frei sein müssen in ihrer Kontaktaufnahme mit anderen vergleichbaren Organisationen in der Welt.

    Dobovisek: Hans-Gert Pöttering, der Vorsitzende der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, gegen deren Mitarbeiterin in Kairo der Prozess gemacht wird. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Pöttering!

    Pöttering: Ich danke Ihnen, Herr Dobovisek!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Hans-Gert Pöttering, EU-Parlamentspräsident (CDU)
    Hans-Gert Pöttering (Deutschlandradio - Bettina Straub)