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Polen
Gedenkfeier in Auschwitz ohne Putin

Vor 70 Jahren befreite die sowjetische Armee das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im südlichen Polen von den deutschen Besatzern. Die Gedenkfeier wird allerdings ohne den russischen Präsidenten Putin stattfinden. Moskau ist entrüstet - und die diplomatischen Fronten zwischen den Ländern verhärtet.

Von Florian Kellermann | 26.01.2015
    Das Lagertor zum ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau
    Das Lagertor zum ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (picture alliance / dpa)
    Die russische Presse war sich einig: Kleingeistig sei die polnische Regierung, hieß es. Trotzdem gelang es den Diplomaten in Warschau zunächst, die Wogen zu glätten. Schließlich hatte Polen keinen Politiker persönlich zu den Feierlichkeiten eingeladen. Der Kreml sollte selbst verstehen, dass Putin unerwünscht ist - und diese Rechnung ging auf.
    So blieb die Tonlage gemäßigt - bis der polnische Außenminister Grzegorz Schetyna ein Radiointerview gab:
    "Vielleicht sollten wir einmal mal darüber reden, dass es die erste ukrainische Front der Roten Armee war, die Auschwitz befreit hat. Da haben Ukrainer gekämpft, sie haben das Tor des Lagers Auschwitz aufgestoßen. Sie haben Auschwitz befreit."
    Empörung bei russischen Kommentatoren
    Diese Worte empörten viele russische Kommentatoren zutiefst. Der Zweite Weltkrieg heißt in Russland nicht von ungefähr "Großer Vaterländischer Krieg". Die Menschen sind stolz auf den Sieg über den Faschismus, wie es in Russland heißt, und auf den aufopferungsvollen Kampf.
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow:
    "Ich weiß gar nicht, wie ich das kommentieren soll. Die Rote Armee hat Auschwitz befreit. In ihr haben Russen, Ukrainer, Tschetschenen, Georgier und Tataren gekämpft. Hier mit nationalistischen Gefühlen zu spielen, ist verhöhnend und zynisch.
    Tatsächlich waren längst nicht alle Soldaten der Ukrainischen Front auch Ukrainer. Historiker wiesen darauf hin, dass die Bezeichnung nichts mit der Nationalität der Rotarmisten zu tun hatte. Die Ukrainische Front war schlicht derjenige Heeresteil, der die Ukraine zurückeroberte. Schetyna stieß deshalb nicht nur in Moskau, sondern auch in Polen auf Widerspruch. Andrzej Szeptycki, Ukraine-Experte der Universität Warschau:
    "Schetyna wollte um jeden Preis den Russen an den Karren fahren und den Ukrainern beweisen, dass er ein feiner Kerl ist. Aber der Gegenstand der Debatte - die Befreiung von Auschwitz - ist zu ernst für solche Spielchen. Schetyna hat ja noch einmal nachgelegt. Er hat seine Mitarbeiter in die Archive geschickt. Sie sollten beweisen, dass der erste sowjetische Panzer, der die Mauer des Konzentrationslagers durchbrach, von einem Ukrainer gesteuert wurde. Das Ganze nimmt operettenhafte Züge an."
    Grzegorz Schetyna hat sein außenpolitisches Profil ganz offenbar noch nicht gefunden. Gleiches gilt für Ministerpräsidentin Ewa Kopacz. Beide sind erst seit September im Amt. Kopacz galt schnell als distanziert gegenüber der Ukraine - wegen einer missverständlichen Äußerung. Bei einem Besuch in Kiew in der vergangenen Woche versuchte sie, diesen Eindruck zu korrigieren. Sie sagte Hilfen von 100 Millionen Euro für das Nachbarland zu.
    Polen im Zwiespalt
    Aber tut Polen genug? Die Gesellschaft ist gespalten. Die einen wollen, dass Warschau in der EU auf eine härtere Haltung gegenüber Russland drängt. Polen sei gerade dabei, die Ukraine zu verraten, erklärte Zbigniew Bujak, ehemaliger Regimegegner im kommunistischen Polen:
    "Wir sollten die Ukraine nicht nur moralisch unterstützen, sondern auch militärisch. Polnische Soldaten sollten in der Ukraine kämpfen. So würden wir einen dauerhaften strategischen Bündnispartner gewinnen. Dieser Partner würde zum Garanten für unsere Sicherheit und die Sicherheit Europas."
    Davon will die polnische Regierung nichts wissen. Sie verzichtet weitgehend auf eigene Akzente zum Konflikt in der Ukraine. Schon die Regierung von Donald Tusk war zunehmend stiller geworden. Dabei hatte Ex-Außenminister Radoslaw Sikorski noch vor einem Jahr eine führende Rolle in der Ostpolitik der EU beansprucht.
    Zunächst seien viele enttäuscht gewesen, dass nun Deutschland zwischen der Ukraine und Russland verhandelt, so Andrzej Szeptycki.
    "Aber heute stellt sich die Frage, ob die EU überhaupt irgendetwas tun kann im russisch-ukrainischen Krieg. Ich finde, Polen sollte sich engagieren. Aber ich verstehe meine Kollegen, die sagen: Seien wir doch froh, dass wir nicht an den sogenannten Normandie-Gesprächen teilnehmen. Wozu sollen wir uns dort kompromittieren."
    Ein wenig kompromittiert hat sich Außenminister Schetyna nun doch. Allerdings war nicht er es, der als erster die Soldaten der Roten Armee nach Nationalitäten unterschied. Vor fünf Jahren erklärte der russische Präsident Wladimir Putin: Seiner Ansicht nach hätte Russland den Krieg auch ohne die Ukraine gewonnen.