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Polen
Hilfe für ausgebeutete ukrainische Arbeiter

In Polen leben derzeit schätzungsweise eine Million Ukrainer. Viele von ihnen arbeiten im Nachbarland, legal und illegal. Dabei werden viele von ihnen weit unter den branchenüblichen Gehältern bezahlt. Um Lohndumping zu bekämpfen, will die polnische Gewerkschaft OPZZ eine Organisation für Ukrainer gründen. Doch das kommt nicht überall gut an.

Von Florian Kellermann | 27.05.2016
    Mitglieder der polnischen Gewerkschaft OPZZ protestieren in Warschau gegen Lohndumping.
    Die polnische Gewerkschaft OPZZ ging bereits 2015 auf die Straßen gegen Lohndumping. (picture alliance / dpa / Pawel Supernak)
    Die genaue Zahl der Ukrainer, die in Polen arbeiten, ist unbekannt. Viele kommen mit einer befristeten Arbeitserlaubnis und bleiben dann länger, andere kommen mit einem Besuchervisum und arbeiten trotzdem. Die Schätzungen gingen bis zu einer Million Gastarbeiter aus dem Nachbarland, sagt Piotr Ostrowski von der polnischen Gewerkschaft OPZZ:
    "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht höre, wie jemand im Laden oder auf der Straße ukrainisch oder russisch spricht oder im Bus eine SMS mit kyrillischen Buchstaben schreibt. Oft sind das Frauen um die 50, die als Betreuerinnen arbeiten, von Kindern oder von alten Menschen. Aber auch auf dem Bau und in der Landwirtschaft sind Ukrainer beschäftigt, zuletzt haben wir Signale, dass sie auch verstärkt in der Industrie unterkommen."
    Die Wirtschaft profitiert von den Gästen. Sie ersetzen Polen, die in den vergangenen Jahren in Scharen Richtung Westen ausgewandert sind, nach Großbritannien, in die Niederlande und nach Deutschland. Das geht in der Regel problemlos, weil die polnische Sprache für Ukrainer schnell zu erlernen ist.
    Ukrainer, die schwarzarbeiten, zahlen weder Steuern noch Versicherungen
    Trotzdem zieht Piotr Ostrowski eine nicht nur positive Zwischenbilanz. Denn Ukrainer, die schwarzarbeiten, zahlen weder Steuern noch Versicherungen. Außerdem werden sie meist häufig weit unter den branchenüblichen Gehältern bezahlt, manchmal bekommen sie sogar weniger als den Mindestlohn von derzeit 440 Euro im Monat. Das bringe den polnischen Arbeitsmarkt aus dem Gleichgewicht, sagt Piotr Ostrowski:
    "Solches Lohndumping führt dazu, dass letztendlich alle zu schlechteren Bedingungen arbeiten müssen. Das kann dann zu nationalen Spannungen führen, weil die Polen den Ukrainern vorwerfen, dass diese ihnen Arbeitsplätze wegnehmen."
    Einen Vorgeschmack auf solche Konflikte hat Piotr Ostrowski schon bekommen, als er vor Kurzem die Gründung einer Gewerkschaft für Ukrainer ankündigte. Die Reaktionen auf rechtsgerichteten Internetportalen waren feindselig: Für Ukrainer wird etwas getan, aber für uns nicht, so der Tenor dort. Dabei solle die Gewerkschaft doch allen helfen, sagt Ostrowski.
    Allerdings dürfte es nicht einfach werden, Ukrainer für die Gewerkschaft zu interessieren. Denn illegal Beschäftigten könne kaum geholfen werden, sagt Jacek Bialas von der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte. Dort sprechen immer wieder Ukrainer vor, die von ihren Arbeitgebern betrogen werden:
    Denkbar: Straferlass für Schwarzarbeiter, die ihre Chefs anzeigen
    "Von uns erfahren sie dann, dass sie sich an die Polizei oder die Arbeitsinspektion wenden müssen - und was das für Folgen für sie hat. In der Regel verzichten sie dann auf eine Anzeige. Denn sie müssten Polen verlassen, weil sie ohne Genehmigung gearbeitet haben, und bekommen auch noch einen Stempel in den Pass, dass sie vorerst nicht wieder einreisen dürfen. Das bedeutet für sie einen langen Verdienstausfall, ein großes Problem."
    Manche Arbeitgeber prellen die illegal beschäftigten Ukrainer deshalb ganz einfach um den letzten Monatslohn - ohne, dass diese sich dagegen wehren könnten.
    Die neue Gewerkschaft wolle deshalb auch politischen Druck entfalten, sagt Piotr Ostrowski. Denkbar wäre eine Art Straferlass für Schwarzarbeiter, die ihre Chefs anzeigen.
    "Ich würde mir wünschen, dass der Staat die Prozesse besser kontrolliert. Er sollte wissen, wie viele Ukrainer wo arbeiten und wo die Probleme liegen. Er sollte wenigstens verschiedene Partner zur Diskussion darüber einladen."
    Denn der polnische Arbeitsmarkt wird sicher noch sehr lange attraktiv für Menschen aus der Ukraine blieben.