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Polen
Keine Sorgen um die Pressefreiheit

In Deutschland und der EU sehen viele die Pressefreiheit in Polen bedroht. Dort bestimmt künftig die Regierung, wer die öffentlich-rechtlichen Sender führt. In Polen selbst finden eher konservativ ausgerichtete Journalisten: Für Aufregung gibt es keinen Grund.

Von Sabine Adler | 06.01.2016
    Logo von "Polskie Radio" auf dem Hauptquartier in Warschau.
    Das Hauptquartier des öffentlich-rechtlichen "Polskie Radio" in Warschau. (imago / ZUMA PRESS)
    Im liberalen Lager helle Empörung, im konservativen Verwunderung über die Aufregung. Polen ist gespalten, aber mitnichten auf dem Weg in eine Diktatur, stellt Aleksandra Rybinska klar. Die Journalistin vom Internetportal "wSieci" kritisiert zwar auch das neue Mediengesetz, das künftig dem Schatzminister erlaubt, das Führungspersonal beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu ernennen. Aber sie hat andere Gründe als die Opposition.
    "Das Mediengesetz, das jetzt verabschiedet wurde, ist - so behauptet es 'Recht und Gerechtigkeit' - um überhaupt eine Situation in den öffentlich-rechtlichen Medien zu schaffen, wo tatsächlich Pluralismus existiert. Denn das ist im Augenblick und war über die letzten acht Jahre der Regierung der Bürgerplattform nicht der Fall. Weil leider in Polen seit dem Ende des Kommunismus alle politischen Parteien, alle, die öffentlich-rechtlichen Medien als ihr Presseorgan betrachtet haben. Und es wurde jeder entfernt, der mit der Opposition zu tun hatte. Dementsprechend, als die Bürgerplattform regiert hat, haben viele meiner Kollegen, viele Journalisten, die eher konservativ sind, ihren Arbeitsplatz verloren."
    Opfer einer Regierung
    Cezari Gmyz, bis Oktober 2012 bei der Tageszeitung "Rzeczpospolita", sieht sich als ein solches Opfer der Vorgängerregierung. Er wurde gefeuert, als er über den angeblichen Sprengstofffund am Wrack des über Smolensk abgestürzten Regierungsflugzeuges schrieb. Eine Lesart, die die Tusk-Regierung nicht duldete, die Jaroslaw Kaczynski dagegen mehr als Recht war. Der Parteichef von PiS, der konservativen "Recht und Gerechtigkeit", ist überzeugt davon, dass sein Bruder Lech bei einem Attentat starb.
    "Ich bin sicher, dass der Einfluss des damaligen Pressesprechers, der sehr nahe zu Donald Tusk, dem damaligen Premierminister, stand, dass er nach dem Gespräch mit dem Besitzer meiner Zeitung damals hatte, dass ich meine Arbeit dank der damaligen Regierung verloren habe."
    Konservative Journalisten sprechen von Hysterie
    Weder der geschasste Journalist, der sofort einen neuen Job bei dem konservativen Wochenjournal "Do Rzeczy" bekam, noch seine Kollegin vom Internetportal, Aleksandra Rybinska, sehen Polens Pressefreiheit derzeit durch Zensur bedroht.
    "Wir haben sehr viele private Medien, die grundsätzlich kritisch gegenüber der PiS eingestellt sind, dementsprechend glaube ich nicht, dass, wenn jetzt die öffentlich-rechtlichen Medien jetzt etwas PiS-freundlicher werden, dass das gleich zu einem Mangel an Kritik an 'Recht und Gerechtigkeit' führen wird. Das ist unwahrscheinlich."
    Journalisten der konservativ ausgerichteten Medien kritisieren, dass sowohl die Opposition als auch die linke Presse in Polen, im Verbund mit deutschen Medien und seit neustem auch mit Brüssel hysterisch reagieren. Der Soziologe Zdzislaw Krasnodebski pflichtet bei:
    "Jetzt ist eine überzogene Kritik, vorher war übertriebene Nachsicht."
    Nachsicht der liberalkonservativen Regierung von Donald Tusk bzw. Ewa Kopacz gegenüber.
    "Ich hatte die Hoffnung, dass wir diesen Streit, die Spannungen im deutsch-polnischen Verhältnis, dieses Mal vermeiden werden. Und letztendlich: Es gibt keinen Grund, um sie zu wiederholen. Weil: Unsere Außenpolitik ändert sich nicht, wir sind Mitglied der Europäischen Union, und wir möchten es bleiben. Unsere Einstellung zur Demokratie und zu den Bürgerfreiheiten ändert sich nicht, es gibt keinen objektiven Grund, warum die Journalisten so aufgeregt sein müssten."
    Polen auf anderem Weg als Russland
    Weil im polnischen Wahlkampf zurückhaltende Töne überwogen, bestand Zuversicht, dass es nicht wieder zu einer Spaltung der Gesellschaft und zu Zerwürfnissen zwischen Warschau und Berlin wie während der ersten Kaczynski-Regierung 2005 bis 2007 kommt. Nun legen Präsident Andrzej Duda und Premier Beata Szydlo eine harte Gangart ein. Haben sie also ein falsches Spiel getrieben? Die Internetjournalistin Rybinska sagt: Nein.
    "Ich glaube nicht, dass es sich um Wählertäuschung handelt, die Leute sind sehr zufrieden, denn das ist das, was sie von der 'Recht und Gerechtigkeit' erwartet haben. Und viele fanden die Linie von Beata Szydlo zu sanft."
    Ihrer Meinung nach schafft es "Recht und Gerechtigkeit" nur nicht, die Reformen gut zu verkaufen.
    "Und sie schafft es nicht, sich gegen die ganzen Vorwürfe, die aus dem Ausland kommen, also sie wehrt sich nicht dagegen in einer vernünftigen Weise."
    Wer jetzt Polen auf dem Weg wie Russland sehe, liege völlig daneben:
    "Wenn Jaroslaw Kaczynski so wäre wie Wladimir Putin, dann wäre Adam Michnik jetzt da, wo Anna Politkowskaja ist."
    Will heißen: Dann wäre der Chefredakteur der linksliberalen "Gazeta Wyborcza" nicht mehr am Leben, wie die russische Journalistin, die wegen unangenehmer Wahrheiten über den Tschetschenienkrieg schrieb. Cezari Gmys will die Sorgen in Deutschland und Brüssel zerstreuen mit einem Hinweis auf die Diskussionskultur:
    "Natürlich, die politische Temperatur in den politischen Debatten in Polen ist höher als in Deutschland, aber wir haben auch andere Traditionen als die Deutschen."
    Zum Thema "Polen unter Druck - Die Rechtsstaats-Offensive der EU" hören Sie heute Abend ab 19.15 Uhr unsere Sendung "Zur Diskussion" aus Warschau.