Auf dem Rasen tanzt ein Folklore-Ensemble, im Zelt gibt es Erbsensuppe: die perfekte Mischung, um die Menschen aus Grojec in Zentralpolen auf den Sportplatz zu locken, selbst an einem so nasskalten Vormittag. Und dann ist da noch der gute Zweck: Der Verein Swat sammelt für einen Soldaten aus der Stadt, vor zwei Jahren verwitwet, der nun alleine zwei Kinder großzieht.
Swat bezeichnet sich als "Sozial-kultureller Militär-Verein". Armee-Angehörige gründeten ihn vor 14 Jahren. Unter den inzwischen über 100 Mitgliedern seien heute auch viele Zivilisten, sagt der Vorsitzende Ryszard Pietrzak.
"Wir sind bekannt geworden, weil wir die größte Flugschau mitorganisieren, die es in diesem Teil Europas gibt. Bis zu 200.000 Besucher kommen jährlich. Wir arbeiten da mit dem Militär zusammen, denn wir können Eintrittskarten verkaufen. Das Militär kann das nicht."
Künftig sollen Vereine wie Swat noch weit intensiver mit dem Militär kooperiern, plant die polnische Regierung. Sie hat ein sogenanntes "Büro für Verteidigungsinitiativen", kurz BIW, gegründet. Sein Ziel ist es, solche Vereine in die Landesverteidigung zu integrieren. So soll eine Art Bürgerwehr entstehen, die im Kriegsfall die Armee unterstützt. Sie könnte etwa Informationen über die Bewegungen eines Angreifers liefern und sich um die Zivilbevölkerung kümmern.
Die polnischen Pläne gehen aber noch viel weiter: Das Militär soll die Mitglieder der Vereine schulen, damit sie im Notfall auch kämpfen können, etwa als Partisanen. Er sei dazu bereit, sagt Wiktor Pietrzak, 23 Jahre alt, der Sohn des Swat-Vorsitzenden.
"Zwei Jahre, bevor ich 18 geworden bin, hat die Regierung die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft. Ein schwerer Fehler, finde ich. Es kann doch immer passieren, dass die ganze Gesellschaft sich verteidigen muss. Wir im Verein treiben Sport, aber schießen lernen wir nicht. Wenn ich jetzt als Partisan in den Wald gehen würde, auch mit einer Waffe, wäre ich wahrscheinlich schnell tot. Gegen ausgebildete Soldaten hätte ich keine Chance."
Selbst will Wiktor nicht Soldat werden, er studiert Bauwesen. Nach Schätzungen haben die polnischen Wehrsport- und Armee-Vereine rund 30.000 Mitglieder wie ihn. Das liegt in der Geschichte begründet: Polen fühlten sich immer wieder aufgerufen, ihre Nation auch ohne staatliche Strukturen, auch ohne reguläre Armee zu verteidigen. Ein Beispiel ist 1944 der Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer.
Ein Potenzial, das der Staat nutzen müsse, sagt Militärexperte Krzysztof Boruc vom Warschauer Zentrum für Terrorismus-Forschung.
"Machen wir uns nichts vor: Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus haben viele europäische Staaten ihre Armeen stark verkleinert. Sowohl die Soldaten der polnischen Armee als auch die ganze deutsche Bundeswehr würden in ein großes Fußballstadion passen. Da zweifelt man schon, ob diese Armeen noch eine echte Verteidigungsmacht darstellen. Vor allem angesichts dessen, was Russland in der Ukraine veranstaltet."
Krzysztof Boruc sieht darin eine echte Gefahr auch für sein Land und für ganz Europa. Denn Russland agiere immer irrationaler und unberechenbarer, meint er. Und wie die Ukraine hat auch Polen eine Grenze zu Russland - zum Kaliningrader Gebiet. Dort sind starke Armeeverbände stationiert.
Deshalb sei die Idee einer Bürgerwehr gut, meint Boruc.
"Noch klingen die Pläne der Regierung nach Wunschdenken. Sie sind noch unkonkret und voller Fehler. Aber das ist ein Anfang, aus dem in ein paar Jahren eine effektive Landesverteidigung entstehen kann."
Im Organisieren sind Vereine wie Swat jedenfalls schon recht gut. Die Benefizveranstaltung in Grojec brachte am Ende des Tages rund 800 Euro für den alleinerziehenden Soldaten.