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Polen
Proteste an einem historisch belasteten Datum

Die Bürgerbewegung "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" wirft der Regierungspartei PiS vor, die Demokratie einzuschränken. Sie ruft deshalb heute zu Massenprotesten auf. Das Datum ist nicht zufällig gewählt und höchst umstritten: Am 13. Dezember 1981 verhängte die Staatsmacht im damals kommunistischen Polen das Kriegsrecht.

Von Florian Kellermann | 13.12.2016
    Der KOD-Vorsitzende Mateusz Kijowski während einer Demonstration in Polen.
    KOD-Vorsitzende Mateusz Kijowski ruft in Polen zu Massenprotesten auf. (picture-alliance/ dpa/ epa/Jacek Turczyk)
    Das kurze politische Tauwetter war vorbei: Wojciech Jaruzelski ließ in Polen die Panzer rollen. Politisch hatte er die unabhängige Gewerkschaft "Solidarnosc" nicht besiegen können, deshalb griff er zur Gewalt. Der Staatschef im kommunistischen Polen rief den Kriegszustand aus. Tausende Regimegegner wurden verhaftet, heute vor 35 Jahren.
    Doch Polen begeht dieses Datum nicht etwa mit einer kritischen Rückbesinnung. Vielmehr wird sich ausgerechnet heute die politische Auseinandersetzung wieder einmal zuspitzen. Die Bürgerbewegung KOD - "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" - ruft zu Massenprotesten auf. Die Organisation wolle eine Brücke schlagen zwischen damals und heute, sagte der KOD-Vorsitzende Mateusz Kijowski:
    "In Warschau werden wir uns an dem Gebäude treffen, wo früher der Sitz der PZPR war, der kommunistischen Staatspartei. Von dort aus ziehen wir zum Sitz der heutigen Regierungspartei PiS. Denn heute wie damals gibt es ein politisches Organ, eine Regierungspartei, die nicht in die staatlichen Strukturen eingebunden ist und die trotzdem die wichtigsten Entscheidungen fallen, die unsere Bürgerrechte einschränkt."
    Regierung hat viele Schlüsselpositionen neu besetzt
    Konkret wirft Kijowski der rechtskonservativen Regierungspartei PiS vor, dass sie den Staat zu ihrem Eigentum machen wolle. Tatsächlich hat die Regierung viele Schlüsselpositionen neu besetzt, bei den Staatsunternehmen, den Geheimdiensten und in der Staatsanwaltschaft. Ermittler haben deutlich erweiterte Befugnisse, etwa bei der Online-Überwachung. Auch den Streit um das Verfassungsgericht wird die Regierung wohl für sich entscheiden: Heute Nachmittag wird das Parlament voraussichtlich ein Gesetz verabschieden, das sicherstellt, dass künftig ein von der PiS gewählter Jurist Gerichtsvorsitzender wird.
    Trotzdem: Das heutige Polen mit dem vor 35 Jahren zu vergleichen, ist starker Tobak. Vertreter der PiS sind erbost, so der Abgeordnete Michal Dworczyk:
    "Das ist unethisch. Auf diese Weise zeigen wir keinen Respekt gegenüber denjenigen, die im Kampf gegen das kommunistische Regime ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Das Ganze ist aber auch schädlich. Denn die jungen Leute, die sich in der Geschichte nicht so gut auskennen, bekommen ein falsches Bild von den kommunistischen Zeiten."
    Öffentliche Fernsehen heizt Atmosphäre an
    Aber auch das öffentliche Fernsehen, das ein ehemaliger PiS-Abgeordneter leitet, hat in den vergangenen Tagen die Atmosphäre angeheizt. Es rückte die Opposition in die Nähe von angeblich gewaltbereiten Regierungsgegnern. In einem Beitrag in den Abendnachrichten stellte das Fernsehen entsprechend radikale Äußerungen im Internet neben die Bilder von friedlichen Demonstrationen.
    Regierungsnahe Medien warfen dem KOD-Vorsitzenden vor, er rufe zum Umsturz auf. Eine Lüge, sagt Kijowski:
    "Wir haben nur dazu aufgefordert, dass die Bürger diejenigen Gesetze nicht beachten, die gegen die Verfassung verstoßen. Das war vor allem gegen die Pläne gerichtet, das Demonstrationsrecht einzuschränken. Die Regierung hat es daraufhin mit der Angst bekommen und ihre Pläne fallen lassen."
    Für Kijowski und KOD steht heute einiges auf dem Spiel: Sie zog zuletzt deutlicher weniger Unzufriedene an als noch im Sommer, heute will sie den Trend wieder umkehren. Einfach ist das nicht, denn die Regierungspartei PiS steht trotz der internationalen Kritik an Polen in Umfragen gut dar. Die Partei bekäme derzeit bei einer Wahl 36 Prozent der Stimmen. Die rechtsliberale "Bürgerplattform" folgt abgeschlagen mit 16 Prozent.