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Polen
Umstrittene Justizreformen

Trotz Protesten in und außerhalb Polens setzt die nationalkonservative Regierung seit 2015 nach und nach ihre umstrittene Justizreform durch – und setzt so unliebsame Richter unter Druck. Wie argumentieren Befürworter und Gegner der Reform?

Von Florian Kellermann | 02.05.2020
    Polen, Krakau: Menschen protestieren gegen eine Justizreform, die vorsieht, dass Richter des Obersten Gerichts bereits mit 65 statt bisher 70 Jahren in den Ruhestand gehen.
    Polen: Proteste gegen Justizreform (picture alliance / Omar Marques)
    Die rechtskonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, regiert in Polen mit absoluter Mehrheit. Sie hat bei den letzten Wahlen ihre Macht sogar noch ausgebaut – das hat bisher keine andere Partei geschafft. Dabei hat die PiS das Land in den vergangenen Jahren keineswegs geeint, ganz im Gegenteil. Mit einer Justizreform, die den Regierenden Macht über Richter und Gerichte gibt, hat sie Millionen von Polen gegen sich aufgebracht.
    Was sagen betroffene Richter, die in ihr Justizsystem kein Vertrauen mehr haben, Aktivisten der ersten Stunde, wenn die Massen nicht mehr protestieren wollen und was sagen Menschen, die hinter den Reformen stehen – weil die Justiz für sie bislang eine "exklusive Kaste" war, die von niemandem kontrolliert wurde?
    Strafrichter Marcin Swierk an seinem von Akten bedeckten Schreibtisch
    Polnische Richter verklagen ihr eigenes Gericht
    Die umstrittene Disziplinarkammer am Obersten Gericht in Polen musste auf Anordnung des EuGH ihre Tätigkeit einstellen. Sie konnte unliebsame Richter sanktionieren. Doch politischen Einfluss kann die PiS auch subtiler nehmen. Strafrichter wie Marcin Swierk wehren sich dagegen.
    Plakat mit der Aufschrift
    Protest gegen polnische Justizreform ebbt ab
    Zu Beginn zog die umstrittene Justizreform in Polen Tausende auf die Straße. Heute sind viele Demonstranten müde – und enttäuscht. Zwar konnten sie verhindern, dass die PiS das Land noch radikaler umkrempelte. Doch deren Popularität ist ungebrochen.
    Der polnische Aktivist Jan Spiewak bei einer Demo in Warschau
    Warum Aktivist Jan Spiewak eine Justizreform befürwortet
    Von den Kommunisten enteignete Immobilien wurden in Warschau jahrelang ohne genaue Prüfung an findige Geschäftsleute abgegeben. Aktivist Jan Spiewak kämpft dagegen an - und ist deswegen Dauergast vor Gericht. Das Justizsystem hält er für reformbedürftig - nur anders als von der PiS umgesetzt.
    Jungpolitiker Jan Strzezek beim Wahlkampf in der Fußgängerzone von Radom
    Junge Rechte und alte Kommunisten
    Die Justizreform sichert der Regierung Mitbestimmungsrecht bei der Wahl neuer Richter. Jungpolitiker und Jura-Student Jan Strzezek findet das gut. Politiker genössen gesellschaftliches Vertrauen. Und das Justizsystem habe sich seit dem Kommunismus noch kaum verändert.
    Standhafter Kritiker der PiS-Regierung
    Die PiS-Regierung wollte Jerzy Stepien die Beamtenpension streichen, nachdem er die Justizreform kritisiert hatte. Doch der ehemalige Präsident des polnischen Verfassungsgericht lässt sich den Mund nicht verbieten.