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Polen
Umstrittene Justizreformen

Trotz Protesten in und außerhalb Polens setzt die nationalkonservative Regierung seit 2015 nach und nach ihre umstrittene Justizreform durch – und setzt so unliebsame Richter unter Druck. Wie argumentieren Befürworter und Gegner der Reform?

Von Florian Kellermann |
    Polen, Krakau: Menschen protestieren gegen eine Justizreform, die vorsieht, dass Richter des Obersten Gerichts bereits mit 65 statt bisher 70 Jahren in den Ruhestand gehen.
    Polen: Proteste gegen Justizreform (picture alliance / Omar Marques)
    Die rechtskonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit", kurz PiS, regiert in Polen mit absoluter Mehrheit. Sie hat bei den letzten Wahlen ihre Macht sogar noch ausgebaut – das hat bisher keine andere Partei geschafft. Dabei hat die PiS das Land in den vergangenen Jahren keineswegs geeint, ganz im Gegenteil. Mit einer Justizreform, die den Regierenden Macht über Richter und Gerichte gibt, hat sie Millionen von Polen gegen sich aufgebracht.
    Was sagen betroffene Richter, die in ihr Justizsystem kein Vertrauen mehr haben, Aktivisten der ersten Stunde, wenn die Massen nicht mehr protestieren wollen und was sagen Menschen, die hinter den Reformen stehen – weil die Justiz für sie bislang eine "exklusive Kaste" war, die von niemandem kontrolliert wurde?
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    Plakat mit der Aufschrift
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    Die PiS-Regierung wollte Jerzy Stepien die Beamtenpension streichen, nachdem er die Justizreform kritisiert hatte. Doch der ehemalige Präsident des polnischen Verfassungsgericht lässt sich den Mund nicht verbieten.