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Polen und die Minderheitenfrage

Die deutsch-polnischen Beziehungen stehen vor einem Dilemma: Zwar will Deutschland wegen anhaltender Kritik aus Polen die hier lebenden Nachbarn stärker fördern - ihnen den geforderten Status einer nationalen Minderheit zuzugestehen, wie manche es fordern, dann aber doch nicht.

Von Ludger Kazmirczak |
    Wie das so ist unter Nachbarn. Man grüßt sich, spricht miteinander, diskutiert hin und wieder und manchmal knistert's halt im Gebälk. Nicht anders läuft es zwischen Deutschen und Polen. Die in mehreren Verbänden organisierten Polen in Deutschland beklagen, dass die deutsche Minderheit in Polen weitaus mehr Privilegien genießt als die bis zu zwei Millionen Menschen polnischer Herkunft in Deutschland. Marek Wojcicki vom Bund der Polen in Deutschland fordert seit fast zwei Jahren ein Ende dieser Asymmetrie.

    "Wenn es um die Unterstützung der polnischen Organisationen im Bereich des Polnisch-Unterrichts als Muttersprache geht, erfüllt die deutsche Sache ihre Pflichten nicht im geringsten. Vor einigen Jahren wurden in einigen Bundesländern die Mittel für polnischsprachigen Unterricht sogar komplett gestrichen. Andererseits erhält die deutsche Minderheit in Polen jährlich Zuschüsse in Höhe von etwa 25 Millionen Euro aus dem polnischen Staatshaushalt. Die Unterstützung der polnischen Minderheit in Deutschland ist gleich Null."

    Die Bundesregierung hat eingeräumt, dass es dieses Ungleichgewicht tatsächlich gibt. Und das obwohl im Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 klar geregelt ist, dass die Polen in Deutschland das Recht haben, ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen. Der Vertrag wird am 17. Juni 20 Jahre alt und soll pünktlich zum Jubiläum mit neuem Leben erfüllt werden, sagt Andrzej Halicki von der regierenden liberalen Bürgerplattform.

    "Als die deutsche Seite erkannt hat, wie groß der Unterschied bei den Ausgaben ist, hat sie einsehen müssen, dass sie den Vertrag von 1991 nicht ausreichend erfüllt. Wir haben die Deutschen – wenn man so will - beschämt. Wir bemühen uns nun darum, dass die Polen in Deutschland besser unterstützt werden, denn das steht ihnen zu. Vor allem die Möglichkeit, in öffentlichen Schulen Polnisch zu lernen."

    Diese Möglichkeiten werden künftig verbessert. Das ist ein Ergebnis der vielen Gespräche am Runden Tisch. Außerdem soll in Bochum ein Dokumentationszentrum der Polonia entstehen. Auch über die Einrichtung von Anlaufstellen für polnischstämmige Bürger in Deutschland sind sich beide Seiten einig geworden. Im Raum steht allerdings weiterhin die Forderung einiger Polonia-Vertreter, dass die gesamte polnische Volksgruppe - so wie die Dänen und die Sorben - in Deutschland als "Minderheit" anerkannt wird. Dafür, so der SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Dietmar Nietan, gebe es jedoch keinen Verhandlungsspielraum.

    Die polnische Regierung zeigt Verständnis für die deutsche Position. Für die Liberalen ist die Frage nach dem Minderheiten-Status auch keinesfalls relevant. Es sind die Rechtskonservativen im Land, die das Thema auszuschlachten versuchen und sogar damit drohen, die Rechte der deutschen Minderheit in Polen zu beschneiden, falls Berlin nicht nachgibt. Bereits vor drei Wochen sollten die letzten offenen Fragen geklärt werden. Der damals anberaumte Runde Tisch wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Ein Zeichen dafür, dass die Gespräche weitaus schwieriger verlaufen als erwartet. Es ist nicht abzusehen, dass die Verhandlungen bis zum 17. Juni abgeschlossen sind, und das würde zweifelsohne einen Schatten auf die Feierlichkeiten zum 20jährigen Jubiläum des Nachbarschaftsvertrages werfen.