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Polenz rät Bush zur Übernahme der Baker-Empfehlungen

Nach Einschätzung des CDU-Politikers Ruprecht Polenz ist eine dauerhafte Friedenlösung für den Irak ohne Gespräche mit Iran und Syrien nicht zu erreichen. "Ohne die Einbeziehung von Teheran und Damaskus wird es nicht gehen", sagte Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Deutschland könne dabei den Amerikanern diplomatisch helfen.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Wie radikal der amerikanische Kurswechsel im Nahen Osten, vor allem im Irak, ausfallen wird, das wissen wir nicht. Aber wir wissen, Änderungen wird es geben angesichts der Sackgasse, in der die US-Politik steckt, angesichts des neuen Verteidigungsministers und angesichts der 79 Empfehlungen der Baker-Hamilton-Kommission. Die hatte unter anderem geraten, in einem guten Jahr mit dem Abzug der US-Kampftruppen zu beginnen, den Irakern mehr Eigenverantwortung zu geben, die irakischen Nachbarstaaten einzubinden und das Palästinenserproblem zu lösen. Statt der Koalition der Willigen, die Bush und Rumsfeld ohne das so genannte alte Europa schmieden wollten, empfiehlt die Baker-Kommission eine internationale Unterstützungsgruppe, die soll den Irak stabilisieren helfen und dazu soll auch Deutschland gehören.

    Am Telefon ist nun der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Bundestagsausschusses. Guten Morgen, Herr Polenz!

    Ruprecht Polenz: Guten Morgen Herr Spengler!

    Spengler: Herr Polenz, sollte der US-Präsident den Empfehlungen der Kommission folgen?

    Polenz: Ich denke schon. Es sind Empfehlungen, die zwar natürlich keine Garantie auf Erfolg geben, das sagt die Kommission auch, die aber doch viel Plausibilität für sich haben und die amerikanische Politik aus der Sackgasse und aus der gewissen Ratlosigkeit, die man spüren konnte, herausführen können.

    Spengler: Wird er den Empfehlungen folgen?

    Polenz: Ich erwarte, dass er doch vieles von der Baker-Kommission aufgreift, denn die Demokraten werden sich die Empfehlungen nach meiner Einschätzung sicherlich zu eigen machen, weil sie einen Strategiewechsel im Wahlkampf gefordert haben, aber selber auch nicht so genau haben erkennen lassen, wie sie sich diesen Strategiewechsel vorstellen. Sie sind also sicherlich froh, dass sie jetzt solche Empfehlungen haben, und der Präsident ist auf den Kongress angewiesen in Zukunft wegen der neuen Mehrheitsverhältnisse. Und ein letztes Argument, weshalb ich glaube, dass er den Empfehlungen weitgehend folgen wird: Der neue Verteidigungsminister hat selbst in der Kommission mitgearbeitet.

    Spengler: Aber vermutlich nicht allen Empfehlungen. Die direkten Kontakte der USA zu Syrien und dem Iran, die empfohlen werden, da hat er sich schon sehr distanziert geäußert. Für wie wichtig halten Sie denn persönlich solche direkten Kontakte?

    Polenz: Also ich teile hier die Einschätzung der Baker-Kommission, dass es ohne die Nachbarn nicht geht, und man wird sie einbeziehen müssen. Nun hat Bush gesagt, Eins-zu-Eins-Gespräche mit Teheran, das wolle er nicht, aber das hat Baker auch nicht unbedingt vorgeschlagen. Er hat ja von einer Unterstützergruppe gesprochen mit allen Nachbarstaaten und auch noch anderen Ländern, und da müsste Iran dabei sein, und ob man dann auch mal am Rande des Saales miteinander direkt spricht, das kann dann die Zukunft zeigen, aber ohne die Einbeziehung von Teheran und Damaskus wird es nicht gehen.

    Spengler: Sie sehen die beiden nicht auf der Achse des Bösen?

    Polenz: Doch, ich sehe auch, dass es Staaten sind, die uns Sorgen machen, der Iran wegen seines Nuklearprogramms, die Menschenrechtslage im Land ist schlecht, die Unterstützung des Terrorismus und seine ablehnende Haltung zu allen konstruktiven Initiativen, um den Israel-Palästina-Konflikt zu lösen, das sind schon Punkte, die sind gravierend, und trotzdem gibt es im Hinblick auf den Irak bestimmte gemeinsame Interessen, an denen man anknüpfen kann. Auch der Iran will kein völliges Chaos in seinem Nachbarland.

    Spengler: Welchen Preis könnte der Iran, um mal bei diesem Beispiel zu bleiben, bei diesem Land zu bleiben, denn verlangen, ein Ja zu seinem Atomprogramm?

    Polenz: Das mag sein, dass er das verlangen könnte. Ich glaube, dass es ihm vor allen Dingen erst einmal darum geht, seine regionale Position auszubauen. Der Iran strebt offenkundig nach einer regionalen Vormachtrolle. Die wird von manchen unterstützt.

    Spengler: Hat er die nicht schon längst?

    Polenz: Man spricht vom schiitischen Halbmond inzwischen, der bis in den Libanon hineingeht, aber sie wird auch von vielen arabischen Staaten eher gefürchtet. Also der Iran kann das nicht so ohne Weiteres erreichen, weil eben beispielsweise Länder wie Ägypten dem auch Widerstand entgegensetzen werden.

    Spengler: Was können wir. oder, ich sage mal, was kann denn der Westen dem Iran anbieten in solchen Gesprächen?

    Polenz: Nun, zunächst einmal müssen ja die ganzen Gespräche und Formate, in denen man spricht, zustande kommen, und da spricht die Kommission ja davon, dass Länder wie Deutschland, die beispielsweise zu Syrien aber vor allen Dingen auch zum Iran diplomatische Beziehungen unterhalten und auch sonst gute Gesprächskontakte, dass die dabei helfen können, dass diese Länder dann auch tatsächlich mitmachen. Syrien hat ja ein gewisses Interesse schon bekundet, und Deutschland kann hier flankierend diplomatisch den Amerikanern helfen.

    Spengler: Wie?

    Polenz: Ja, indem es auf Teheran, auf Damaskus einwirkt, hier sich zu beteiligen, die Europäer - Deutschland ist ja nächstes Jahr das Land, das die Präsidentschaft in der EU hat -, also die Europäer insgesamt können hier ihren Einfluss schon geltend machen, dass es zu diesem umfassenden diplomatisch-politischen Ansatz kommt. Und es liegt auch in einem gewissen Interesse von Teheran, aus der Isolierung rauszukommen, zu zeigen, man spielt eine Rolle in der Region, und man wird sie sicherlich weit intensiver dann spielen wollen, als es auch den Europäern und den Amerikanern recht sein wird, aber das wird sich dann im weiteren Verlauf zeigen. Nur: Ohne die Nachbarn einzubeziehen, lassen sich weder die Grenzen vernünftig kontrollieren noch der Einfluss der Nachbarn, soweit er destruktiv war in der Vergangenheit, auf innerirakische Verhältnisse beenden.

    Spengler: Ein anderer Nachbar ist Syrien. Israel hat schon Verhandlungen mit Syrien abgelehnt. Muss die EU vielleicht mit Hilfe Deutschlands den Druck auf Israel erhöhen?

    Polenz: Es geht hier auch darum, Israel davon zu überzeugen, dass eine umfassende Nahostlösung auch im Hinblick auf den Palästinakonflikt Syrien einbeziehen muss. Syrien spielt eine wichtige Rolle im Hinblick auf den Libanon. Und ich finde, der erste Punkt, den man von Syrien jetzt gemeinsam erreichen sollte, Europäer, Arabische Liga, beispielsweise auch das Nahost-Quartett, dass Syrien den Libanon diplomatisch anerkennt, das haben sie bisher nicht getan, weil Damaskus immer noch so tut, als sei der Libanon quasi eine unselbstständige Provinz Syriens, was natürlich nicht stimmt.

    Spengler: Das ist jetzt wieder Druck auf Syrien. Muss es auch Druck auf Israel geben, um noch mal die Frage zu wiederholen?

    Polenz: Auf Israel sicherlich insofern als der Nahost-Prozess, Stichwort Road Map, eine wichtige Rolle auch spielt im Hinblick auf die anderen Konflikte. Also Fortschritte, die in der Frage Israel-Palästina erreicht würden, würden sich auch recht unmittelbar auf die anderen Konflikte in der Region positiv auswirken, und deshalb muss das Quartett die Forderung, die man in der Road Map erhoben hat, von beiden Seiten energisch einfordern, und da sind auch eine ganze Menge Forderungen an Israel drin.

    Spengler: Außenminister Steinmeier ist ja heute in Washington, trifft sich dort mit Condoleezza Rice. Was sollte er an deutscher Hilfe anbieten?

    Polenz: Das, was wir gerade besprochen haben, wird er, denke ich, anbieten können, die guten Dienste, die guten Möglichkeiten, die Deutschland jetzt als EU-Präsidentschaft im nächsten halben Jahr dann zusätzlich hat, um zu einem solchen diplomatischen, multilateralen Ansatz zu kommen, und da das, das ist ganz wichtig auch noch mal festzuhalten, auch im unmittelbar eigenen deutschen Interesse liegt. Es geht hier nicht nur darum, anderen einen Gefallen zu tun, sondern auch wir haben ein eigenes großes Interesse daran, dass der Irak nicht im totalen Chaos versinkt, wird er, denke ich, diese Hilfe dort auch offerieren.

    Spengler: Herr Polenz, liegt es auch im deutschen Interesse, sich im Irak selbst stärker zu engagieren?

    Polenz: Also es ist ja immer noch mal wieder die Frage, muss man da deutsche Soldaten hinschicken? Ganz klar nein, darum geht es überhaupt nicht, aber etwa bei der Ausbildung der Sicherheitskräfte, wo wir uns ja schon engagieren, das werden wir sicherlich fortsetzen, möglicherweise auch noch verstärken können, auch die Unterstützung der irakischen Regierung auf dem politisch-diplomatischen Gebiet, und wenn die Sicherheitslage sich bessert, dann sicherlich auch bei den Aufbauleistungen im Land, die ganz wichtig sind, um die Bevölkerung auch mitzunehmen und ihr klar zu machen, es ist jetzt ihr Staat, und in dem geht es voran. Aber vorher muss sich natürlich die Sicherheitslage bessern, wir erinnern uns ja noch an die Geiselnahmen bei deutschen Firmen, die sich dort engagiert hatten. Also erst wenn man diese Gefahr nicht zu befürchten braucht, erst dann kann man sich beim Wiederaufbau entsprechend engagieren.

    Spengler: Das war der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, der Vorsitzende des Auswärtigen Bundestagsausschusses. Herr Polenz, herzlichen Dank für das Gespräch.

    Polenz: Auf Wiederhören, Herr Spengler.