Archiv


Polenz warnt vor "nuklearer Zeitbombe im Nahen Osten"

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Polenz hat vor einer Wiederaufnahme des iranischen Atomprogrammes gewarnt. Dies müsse die Europäische Union um jeden Preis verhindern. Die Unterhändler sollten klar stellen, dass es eine wirtschaftliche Kooperation zwischen dem Iran und Europa nur dann geben könne, wenn das Land zur Zusammenarbeit bereit sei.

Moderation: Doris Simon |
    Doris Simon: Es gibt ein paar Schritte, die sind ganz entscheidend, wenn man eine Atombombe bauen will. Mit Rohuran allein kommt man nicht weit, aber wenn man es zu Gas verarbeitet, kann man damit Uran anreichern, und damit lassen sich dann Atomwaffen bauen. Genau deshalb standen die Anlagen in der Uranverarbeitungsanlage im iranischen Isfahan in den letzten Monaten still, denn es gab und gibt viele Länder - allen voran die USA -, die nicht glauben wollen, dass das dort hergestellte Urangas nur der friedlichen Nutzung von Kernenergie dienen soll.

    Im vergangenen November hatten Großbritannien, Frankreich und Deutschland Teheran dazu gebracht, das Atomprogramm erst mal auf Eis zu legen. Jetzt hat die iranische Regierung angekündigt, die Uranverarbeitungsanlage wieder in Betrieb zu nehmen. Am Telefon ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Er befasst sich dort intensiv mit dem Iran. Herr Polenz, wie gefährlich ist es, wenn Teheran sein Atomprogramm jetzt wieder anfährt?

    Ruprecht Polenz: Ein nuklear bewaffneter, wenn das das Ziel Iran wäre, wäre sozusagen eine nukleare Zeitbombe im Nahen Osten, der Auftakt zu einem nuklearen Wettrüsten in der Region, also schon ein Alptraum für alle, die sich mit der Region und den vielen ungelösten Konflikten dort beschäftigen. Das darf nicht geschehen, und deshalb müssen die Europäer gemeinsam mit den USA und Russland alle Anstrengungen unternehmen, um Iran von einem solchen Weg abzuhalten.

    Simon: Sie waren häufig im Iran. Können Sie sich vorstellen, warum Teheran jetzt gerade diesen Konfliktkurs einschlägt?

    Polenz: Im Laufe der Gespräche hat Teheran immer wieder gedroht, demnächst fange man wieder an mit der Anreicherung, werde sich also von seinen Zusagen, die man den europäischen Staaten gemacht hat, verabschieden. Man hat ja versprochen, während der Verhandlungen lässt man die Anreicherungsaktivitäten ruhen, und das ist immer ein Signal, dass Iran mit dem Fortgang der Verhandlungen nicht so zufrieden ist. Man muss es möglicherweise noch nicht zum Nennwert nehmen, wenn jetzt solche Signale wieder aus Teheran kommen, aber sie zeigen, die Lage ist schwierig und ernst.

    Simon: Sie sagen, Teheran möchte damit möglicherweise andeuten, dass es nicht zufrieden ist mit dem Fortgang der Verhandlungen. Ist es vielleicht auch ein Zeichen, dass der Iran die Gesprächsbereitschaft der Europäer im Vergleich zu den Drohungen der USA ausnutzt?

    Polenz: Der Iran legt es sicherlich auch immer darauf an, sein Gegenüber zu spalten, es nicht zu einer gemeinsamen Position des Westens, der Amerikaner und Europäer, kommen zu lassen. Es hat sich ja nun angedeutet, dass auch die USA stärker als in der Vergangenheit den Verhandlungsansatz Europas unterstützen. Sie haben sich ja auch mit kleineren diplomatischen Gesten daran beteiligt, wenn man so will, und gesagt, also wenn die Europäer bei ihren Verhandlungen zum Erfolg kommen, dann würde sich die USA auch nicht länger querlegen bei dem Streben der Iraner, der Welthandelsorganisation anzugehören, und man habe auch nichts mehr dagegen, dass die iranische zivile Luftfahrt Ersatzteile bekomme - im Augenblick gibt es da noch ein Embargoprogramm der USA. Das sind kleinere Gesten. Ich würde mir mehr wünschen. Ich würde mir wünschen, dass die Amerikaner noch mehr auf sozusagen dem diplomatischen Tisch reden, um die Verhandlungen der Europäer zu unterstützen. Aber immerhin, es ist mehr, als die Amerikaner, sagen wir mal, noch vor dem Bush-Besuch zu tun bereit waren.

    Simon: Diese Drohung mit der Urananreicherung, könnte das - Sie sprachen von noch wenigen diplomatischen Gesten aus den USA - auch ein Versuch sein, jetzt mehr herauszuholen?

    Polenz: Sicher, der Iran möchte natürlich am liebsten beides: Er möchte die nukleare Option bis hin zu der Möglichkeit, jedenfalls Nuklearwaffen herstellen zu können, deshalb das Festhalten an dem Aufbau von Anreicherungskapazitäten, und er möchte auf der anderen Seite aus den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit den Europäern Kraft für seine Wirtschaft gewinnen. Die Europäer müssen dem Iran klarmachen, dass er beides gleichzeitig nicht haben kann, er muss wählen und sich entscheiden, will er den Weg der Kooperation, der Entwicklung seiner Wirtschaft mit den Europäern gehen, dann muss er auf den nuklearen Weg, jedenfalls den der Anreicherung verzichten, oder er entscheidet sich anders, dann kann er aber keine guten Wirtschaftsbeziehungen mit Europa haben, denn Iran bedroht wichtige Verbündete Europas, beispielsweise Israel, nicht nur rhetorisch, sondern durchaus auch durch Unterstützung von Gruppen, die Israel immer wieder hart zusetzen, auch mit terroristischen Anschlägen. Das kann Europa nicht machen, einen Gegner beispielsweise Israels dann in dieser Weise stärken, dann möglicherweise auch noch mit einer nuklearen Option. Also das wird nicht gehen, der Iran muss vor eine klare Alternative gestellt werden, und ich glaube, dann hat Europa auch die Chance, gemeinsam mit den USA, in diesen Verhandlungen erfolgreich zu sein. Letztlich läge es auch im Interesse Irans, der jungen, stark wachsenden Bevölkerung, dass die Wirtschaft entwickelt wird, dass neue Arbeitsplätze entstehen, und nicht, dass man jetzt eine Nuklearwaffenoption bekommt.

    Simon: Es hat sich ja in den vergangenen Verhandlungen mit dem Iran gezeigt, dass ein gewisses Drohpotential im Hintergrund immer gut ist. Wie, glauben Sie, werden die Europäer und Amerikaner jetzt mit der iranischen Atomdrohung umgehen? Wird es eine andere Drohung geben, Wirtschaftssanktionen einzuleiten?

    Polenz: Nein, das glaube ich nicht. Man wird festhalten daran, wird Iran klarmachen, dass Iran bestimmte Versprechen abgegeben hat, dass sie sich daran halten sollen, und man wird in die nächste Verhandlungsrunde gehen. Es ist ja jetzt auch vor den Präsidentschaftswahlen im Iran zweifellos eine gewisse zusätzliche Nervosität, und es wird wichtig sein, über diesen 17. Juni, den Termin der iranischen Präsidentschaftswahlen, erst einmal zu kommen. Ich rechne mit den eigentlichen Schwierigkeiten in den Verhandlungen erst, sagen wir mal, im Herbst, im September, Oktober, nach den Präsidentschaftswahlen, wenn es dann wirklich, wie man so schön sagt, zum Schwur bei den Verhandlungen kommt.

    Simon: Vielen Dank für das Gespräch.