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Exiliraner und ihr Blick auf die Heimat

"Teheran ohne Erlaubnis" ist ein Dokumentarfilm über den Alltag in der iranischen Hauptstadt. Sepideh Farsi hat ihn ausschließlich mit dem Handy gedreht. Das war vor fünf Jahren, kurz vor der grünen Revolution. Seither wagt sich die 48-jährige Filmregisseurin nicht mehr in ihr Heimatland.

Von Bettina Kaps | 17.01.2014
    Ein Liebespaar, das sich nur im Taxi treffen kann, ein Jurist, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen muss, Menschen in der U-Bahn, Warteschlangen vor der Suppenküche, aber auch Soldaten und Polizisten beim Streifengang, also Aufnahmen, die streng verboten sind.
    "Teheran ohne Erlaubnis" ist ein Dokumentarfilm über den Alltag in der iranischen Hauptstadt. Sepideh Farsi hat ihn ausschließlich mit dem Handy gedreht. Das war vor fünf Jahren, kurz vor der grünen Revolution. Seither wagt sich die 48-jährige Filmregisseurin nicht mehr in ihr Heimatland.
    "Ich bekäme dort bestimmt Probleme, weil ich mich sehr kritisch geäußert habe. Aber ich bestehe auf meiner Rede- und Bewegungsfreiheit. Wer heute in den Iran reist, muss ständig auf der Hut sein. Das Regime dort lässt nichts durchgehen."
    Bis zu den umstrittenen Präsidentschaftswahlen von 2009 und der anschließenden Niederschlagung der Proteste pendelte Sepideh Farsi zwischen Frankreich und dem Iran, wo fast alle ihrer Filme spielen. Die vorsichtige Annäherung des Irans an den Westen beobachtet sie mit großer Skepsis.
    "Ich bin sehr enttäuscht. Natürlich ist es wichtig, dass jetzt verhandelt wird und der Iran aus der Isolation herauskommt. Aber dabei dreht sich alles nur um die Wirtschaft. Die Menschenrechte bleiben außen vor. Das ist gefährlich. Denn es bedeutet: Das Regime kann mit seiner menschenverachtenden Politik weitermachen wie seit 30 Jahren, niemand macht dagegen Druck."
    Karim Lahidji teilt diese Ansicht. Der 74-jährige Jurist hat sich schon unter dem Schah für die Menschenrechte in seinem Land eingesetzt und dort den ersten Menschenrechtsverein gegründet, worauf er Opfer von Anschlägen wurde. Nach der Gründung der Islamischen Republik hielt er an seinem Engagement fest, und wurde deshalb bald wieder verfolgt. 1982 musste er untertauchen und fliehen. Im Pariser Exil gründete er die Liga für Menschenrechte im Iran. Seit einem Jahr ist Lahidji auch Vorsitzender der Internationalen Menschenrechtsliga.
    "Trotz der Wahlkampfversprechungen des neuen Präsidenten Hassan Rohani wird die Lage der Menschenrechte im Iran immer schlechter, und das seit fünf und sechs Jahren schon."
    Eine positive Ausnahme, sagt er, war die Freilassung der Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotudeh und 15 weiterer politischer Gefangener, die ihre Strafe fast verbüßt hatten. Das war im September und brachte Staatspräsident Rohani vor seiner Reise zur UN-Vollversammlung viel Lob ein.
    Aber seither gebe es nur schlechte Nachrichten. Lahidji zählt auf: Der Iran verletzt die Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Obwohl Präsident Rohani und einige Minister persönlich Facebook-Konten eingerichtet haben, ist der Zugang zu den sozialen Netzwerken für die Bevölkerung gesperrt. Wer die Filter umgeht, dem droht Gefängnis. Religiöse und ethnische Minderheiten werden immer schärfer verfolgt. Die Hinrichtungen haben enorm zugenommen.
    "Unsere iranischen Organisationen können keine exakten Zahlen ermitteln, aber wir wissen, dass es im Iran jedes Jahr etwa 500 bis 600 Hinrichtungen gibt, also fast zwei Exekutionen pro Tag."
    Der Menschenrechtsanwalt betont, dass die eigentliche Verantwortung für diese Zustände bei Revolutionsführer Ali Chamene'i liegt, dem Staatsoberhaupt der Islamischen Republik. Präsident Rohani habe keine Macht über die Justiz.
    Lahidji erinnert daran, dass der Iran nicht nur den Atomwaffensperrvertrag, sondern auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet hat.
    "Wir hätten vom Westen auch in diesem Bereich eine klare Politik erwartet. Aber die Menschenrechte waren bei den Verhandlungen in Genf kein Thema. Beide Lager haben sich nur mit dem Atomprogramm beschäftigt. Das hat uns überrascht."
    Solange sich an der Lage der Menschenrechte nichts ändert, ist es für ihn wie für die Filmemacherin Sepideh Farsi jedenfalls keine Option in die Heimat zurückzukehren.