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Politik fördert Computerspielbranche
Vom Entwicklungs- zum Entwicklerland?

Seit Jahren ist Deutschland beim Thema "Games" als Entwicklungsland verschrien. Mit Millionen-Förderungen wollen Bund und Länder die heimische Spieleentwicklung nun ankurbeln. Allerdings steht die Industrie noch vor einem anderen Problem: Für aufwendige Videospiele fehlt es an fachlicher Expertise.

Von Tobias Nowak | 12.12.2018
    22.08.2018, Nordrhein-Westfalen, Köln: Besucher der Gamescom spielen. Zum zehnten Mal findet die Computer Spielemesse in Köln statt. Foto: Oliver Berg/dpa | Verwendung weltweit
    Besuchertag der Gamescom (dpa)
    "Wir wollen seitens des Bundes eine Förderung von Games zur Entwicklung hochwertiger digitaler Spiele einführen, um den Entwicklerstandort Deutschland zu stärken."
    So steht es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. "Hochwertig" ist dabei das entscheidende Wort, denn bisher werden in Deutschland vor allem technisch einfache Handy- oder Browser-Spiele produziert. Für aufwendige Videospiele mit einem hohen Entwicklungsbudet – sogenannte "Triple A"-Titel – gibt es in Deutschland weder genug Expertise noch ausreichende Budgets. Meist werden diese Spiele für Spielkonsolen wie die Playstation 4 oder Xbox One über mehrere Jahre entwickelt. Bis zur Veröffentlichung kostet das viele Millionen.
    Nur kleiner Anteil deutscher Produktionen am Gesamtumsatz
    Dass Computerspiele deutscher Produktion oft keine Spitzenqualität erreichen, spiegelt sich jedoch nicht auf dem hiesigen Games-Markt wider: Im vergangenen Jahr wurden etwa 2,5 Milliarden Euro für Spiele ausgegeben, so viel wie noch nie; der Anteil deutscher Produktionen am deutschen Umsatz mit Games ist 2017 jedoch auf knapp 5,4 Prozent gesunken. Das verkündete der im Frühjahr neugegründete Bundesverband der deutschen Computerspielindustrie "Game".
    Linda Kruse, Indie-Spielentwicklerin und Vorstandmitglied im Verband: "Wir haben natürlich gute Spiele, aber wenn man sich den qualitativen Output anderer Länder anschaut - wie Dänemark auch, oder Finnland, die ja sehr kleine Länder sind - die hauen die Blockbuster oder auch von der Produktionsqualität noch ganz andere Sachen raus."
    Game-Designerin Linda Kruse von der Entwicklerschmiede the Good Evil steht an einer Mauer und blickt in die Kamera.
    Spieleentwicklerin Linda Kruse ist stellvertretende Vorstandsvorsitzende vom Bundesverband der Deutschen Computerspielindustrie "Game" (the Good Evil)
    Bund will Branche mit 50 Millionen Euro fördern
    In diesen Ländern wird die Computerspiel-Branche seit langem substantiell gefördert. In Deutschland lobbyierten der neue "Game"-Verband bzw. seine Vorläufer seit Jahren für ähnliche Modelle. Und nach der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses zum Budget 2019 verkündete die Bundesregierung, dass tatsächlich 50 Millionen Euro für die im Koalitionsvertrag versprochene Förderung eingeplant werden. Nur so könne Deutschland − allein im Vergleich zu den europäischen Nachbarn − wettbewerbsfähig gemacht werden.
    Die Summe entspricht genau den Wünschen der Branche, und hat zum Ziel, teure Hochglanzproduktionen, die "Triple-A"-Titel, auch in Deutschland zu ermöglichen.
    Felix Falk, Geschäftsführer des "Game"-Verbandes, betonte immer wieder, dass die Fördersumme von 50 Millionen "aber auch ein gutes Geschäft für den Finanzminister ist - weil die kommt in zusätzlichen Steuereinnahmen und zusätzlichen Investitionen auch wieder in das 'Steuer-Säckl' zurück."
    Auch Bundesländer investieren
    Games-Förderung ist en vogue: Auch einige Bundesländer sind inzwischen auf den Games-Zug aufgesprungen: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet möchte sein Land zum "Games-Standort Nummer 1" machen; entsprechend verdoppelte das Land die Games-Förderung auf drei Millionen.
    Der FilmFernsehFonds Bayern weitet sein Engagement für digitale Spiele deutlich aus. Auch Niedersachsen und das Saarland wollen die Spielentwickler in ihren Ländern künftig stärker unterstützen. Und Berlin nahm fast 1,6 Millionen aus seinem Fördertopf für Unternehmens-Ansiedelungen, um den internationalen Games-Verlag Ubisoft, einer der großen Drei weltweit, nach Berlin zu locken.
    Branche mit Fachkräftemangel
    "Ich denke, dass Berlin sich als Studio etablieren soll, das 'Triple-A'-Qualität in die ganz großen Marken bringt, von Anfang an, und das in Zusammenarbeit mit den großen Ubisoft-Studios", sagt Benedeikt Grindel, Managing Director von Ubisoft Deutschland.
    Journalisten sitzen mit Controllern und Kopfhörern auf niedrigen Sesseln um einen Tisch mit Bildschirmen herum. im Hintergrund ist groß der Schriftzug "Assassin's Creed Origins" zu lesen.
    Journalisten testen in Berlin ein Spiel der erfolgreichen Videospielserie "Assassin's Creed" des Games-Verlags Ubisoft (imago stock&people / Michael Eichhammer)
    Istvan Tajnay, Leiter des Berliner Studios, erklärt, warum momentan noch weit über die Hälfte der 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Ausland nach Berlin kommen: "Es gibt hier viele Talente, denen aber oft Erfahrung mit Spielen in Blockbuster-Größe fehlt. Um diese Expertise nach Berlin zu bringen, brauchen wir Fachleute aus dem Ausland."
    Also leidet auch die Games-Branche unter dem Fachkräftemangel. Hier besteht der gleiche Nachholbedarf in Sachen Ausbildung, wie für alle anderen sogenannten MINT-Berufe. Medienpolitik im weitesten Sinne umfasst heutzutage eben auch, Ausbildungsmöglichkeiten für das nötige Personal zu schaffen.
    Ansonsten wird die Förderung der Games-Branche von der Politik heutzutage fast ausschließlich als Wirtschaftsförderung verstanden. Die Förderung des Computerspiels als Kulturgut wird größtenteils Medienstiftungen oder dem Deutschen Computerspielpreis überlassen. Und nun beginnt ein neues Spiel, nämlich der Streit zwischen Ministerien und Kanzleramt, wo denn die Games-Förderung künftig angesiedelt werden soll.