Heinlein: Der erste Auftritt nach dem Rücktritt brachte wenig Neues, zeigte jedoch mehr als deutlich: Kurt Beck ist enttäuscht von seiner Partei, erschöpft vom harten Berliner Politiker-Alltag und mehr als froh über seine Rückkehr in die pfälzische Idylle. Mein Kollege Mario Dobovisek hat in unserer Sendung "Das war der Tag" mit dem Präsidenten des Mainzer Landtages Joachim Mertes gesprochen und den SPD-Politiker zunächst gefragt, ob sich Kurt Beck mit dem SPD-Bundesvorsitz übernommen hat.
Mertes: Nein. Wir hatten einfach die Pflicht oder Beck hatte die Pflicht, nachdem dieser Personalwechsel da war, einzuspringen. Das war etwas, was ich ihm eigentlich nicht angeraten hätte, weil es einfach eine Doppelbelastung ist, die einen schlaucht. Und wenn dann dazu noch Intrigen und Einflüsse dort hineinkommen, dann ist das Leben schwer. Also ich glaube schon, unter normalen Umständen wäre das möglich gewesen.
Dobovisek: Nun ist aber die Luft in politischen Spitzenämtern bekanntlich sehr dünn. Ständig gibt es Attacken der Medien, aber auch Attacken aus den eigenen Lagern, und das sind eben auch die Attacken, die nun zum Ende der Ära Beck geführt haben. Ist Beck da vielleicht zu dünnhäutig?
Mertes: Wissen Sie, auf Beck wurde mit so einem scharfen Blick geschaut, dass jede Nuance am Ende bewertet worden ist, beurteilt und verurteilt. Natürlich wird man dann auch dünnhäutig. Das ist wahr. Aber zuerst einmal war dieses sehr genaue Beschauen. Jemand, der in der Hauptstadt ankommt und sozusagen nur die Provinz hinter sich weiß, wo er herkommt, der hat es schwer und das hat man hier ganz deutlich gespürt. Auch diese intellektuelle Arroganz von dem einen oder anderen, der nicht verstehen kann, dass ein Elektromechaniker Ministerpräsident sein kann, ganz ohne Abitur.
Dobovisek: Nun steht aber Beck nicht alleine da, dass er aus der Provinz kommt und in Berlin möglicherweise auch Erfolg haben könnte. Warum also der scharfe Blick ausgerechnet nur auf Kurt Beck?
Mertes: Ja, warum? Das müssen Sie die fragen, die den Blick gelenkt haben. Das waren sowohl die eigenen Genossen wie natürlich die veröffentlichte Meinung, die gleichermaßen auf Beck geschaut hat. - Dann muss es natürlich auch Fehler gegeben haben. Wer will das bestreiten. Wer keine Fehler macht, ist kein Mensch.
Dobovisek: Kurt Beck hat heute über seinen Führungsstil gesprochen. Offen und kollegial sei der, hat er gesagt. Vielleicht zu offen für ein Spitzenamt in Berlin?
Mertes: Zu offen? - Ich glaube, wenn man sehr offen mit den Leuten umgeht, sehr fair mit ihnen umgeht, dann erwartet man, dass das gleiche zurückkommt. In diesem Fall müssen wir erleben, dass das nicht zurückkommt, sondern wir erleben das, was eben eigene Vorstellungen ausmacht, und das, was das Leben ausmacht. Wissen Sie, wenn mich jemand fragen würde, sage mal in einem Satz, was Politik ist, dann würde ich sagen, Shakespeare: Neid, Liebe, Hass, Gier. All diese schönen Eigenschaften, die uns Shakespeare in seinen Theaterstücken zeigt, die gibt es auch in der Politik.
Dobovisek: Und diesen Intrigen kann man vielleicht auch entgegnen mit ein bisschen "Basta-Politik"?
Mertes: Die Basta-Politiker sind nicht gerade mein Schlag. Das hat uns damals sehr weh getan, dass wir manchmal so behandelt worden sind. - Er ist kein Basta-Politiker, sondern einer, der zusammenführt.
Dobovisek: Aber er hat es nicht geschafft!
Mertes: Ja, das ist wahr. Es zeigt sich: Es gibt Grenzen für vernünftigen Umgang und die hat er jetzt auch gespürt. Das sehe ich auch so.
Dobovisek: Beck fühlt sich verraten. Wer hat denn den Vertrauensbruch begangen?
Mertes: Ich wahr nicht dabei. Aber wenn das einigermaßen stimmt, was wir von ihm wissen, und wenn das einigermaßen stimmt, was überall gedruckt war, dann haben diejenigen, die für die Kanzlerkandidatur stehen, bereits vorher so mit der Presse ventiliert, dass es so aussieht, als hätte Beck das sozusagen nolens volens gemacht, und das war dann der letzte Tropfen in einem vollen Fass.
Dobovisek: Das sind aber immer noch Spekulationen. Wie überzeugend kann es denn sein, wenn sich ein gestandener Parteichef vor die Presse stellt und sich beklagt, aber nicht Ross und Reiter beim Namen nennt?
Mertes: Wissen Sie, wir stehen doch jetzt alle in dem Dilemma - also ich auch, gerade jetzt in dem Moment, wo Sie mich fragen. Ich will ja haben, dass meine gute alte SPD auch wieder eine Chance hat. Das heißt, ich kann gar nicht all das ausdrücken, was ich möglicherweise dem neuen Führungsduo zu sagen hätte, weil wir ja weiterkommen wollen. Wir müssen auf einen Parteitag. Wir müssen den Franz Müntefering möglicherweise gegen unsere innere Überzeugung alle mit viel Unterstützung versehen. Und wir müssen den Kanzlerkandidaten aufs Schild heben. Daher ist das eben nicht so einfach, dass man sich jetzt einfach seelisch entleert und sagt, das war alles ganz schrecklich. Es muss ja weitergehen. Und diejenigen, die darauf spekuliert haben, dass wir genauso reagieren, die kannten uns gut.
Dobovisek: Sie selbst, Herr Mertes, haben vor zwei Jahren Kurt Beck davon abgeraten, nach Berlin zu gehen und Parteichef zu werden. Wussten Sie, dass Kurt Beck nicht der Richtige ist?
Mertes: Nein, nein. Das hat weniger mit dem richtig oder falsch zu tun. Ich wusste nur, wie die Verhältnisse sind. Die sind mir einfach bekannt. Ich war zwölf Jahre lang Fraktionsvorsitzender und habe viel mit der Bundesebene zu tun gehabt, insbesondere auch in der Schröder-Zeit, also in der "Basta-Zeit". Daher war mir klar, das würde ein anderer Umgang sein, wie wir ihn bei uns pflegen. Ich nenne das so: Bei uns tritt man den Leuten auch mal auf die Füße, aber von vorne, nicht von hinten.
Dobovisek: Wie groß ist der Schaden, den Kurt Beck jetzt genommen hat?
Mertes: In Rheinland-Pfalz ist der Schaden begrenzt, eher das Gegenteil. Es gibt eine große Solidarisierung, sowohl der Partei. Ich kriege sogar Mails und Aufmunterungen aus dem Land, die sagen, gut, dass er jetzt wieder für uns alleine da ist. Da ist es also weniger. Bundesweit? Wer mag es einzuschätzen wissen. Eben hat Forsa gesagt, vier Punkte steigt die SPD. Ich kann es bundesweit nicht einschätzen. In Rheinland-Pfalz gibt es kein Problem damit.
Dobovisek: Das ist die Solidarität innerhalb der SPD in Rheinland-Pfalz. Nun hat aber Beck mit seinen Auftritten auf Bundesebene auch die SPD in Rheinland-Pfalz mit in den Abwärtsstrudel gerissen. Wie steht das dazu?
Mertes: Ach wissen Sie, wenn die Bundesebene die 36 Prozent hätte, die uns die "Rheinpfalz" in der letzten Woche noch prognostiziert hat (also 36 anstatt 26 auf der Bundesebene), dann würden die in Berlin sich ein Denkmal bauen können. Wir sind noch vor einem Wahlkampf. Wir sind noch weit vor einer Entscheidung. Der hat uns nicht reingerissen. Sagen wir so: Das Tief hat auch bei uns ein bisschen abgeregnet.
Heinlein: Der Rücktritt von Kurt Beck. Mein Kollege Mario Dobovisek im Gespräch mit dem Präsidenten des Mainzer Landtages, Joachim Mertes.
Mertes: Nein. Wir hatten einfach die Pflicht oder Beck hatte die Pflicht, nachdem dieser Personalwechsel da war, einzuspringen. Das war etwas, was ich ihm eigentlich nicht angeraten hätte, weil es einfach eine Doppelbelastung ist, die einen schlaucht. Und wenn dann dazu noch Intrigen und Einflüsse dort hineinkommen, dann ist das Leben schwer. Also ich glaube schon, unter normalen Umständen wäre das möglich gewesen.
Dobovisek: Nun ist aber die Luft in politischen Spitzenämtern bekanntlich sehr dünn. Ständig gibt es Attacken der Medien, aber auch Attacken aus den eigenen Lagern, und das sind eben auch die Attacken, die nun zum Ende der Ära Beck geführt haben. Ist Beck da vielleicht zu dünnhäutig?
Mertes: Wissen Sie, auf Beck wurde mit so einem scharfen Blick geschaut, dass jede Nuance am Ende bewertet worden ist, beurteilt und verurteilt. Natürlich wird man dann auch dünnhäutig. Das ist wahr. Aber zuerst einmal war dieses sehr genaue Beschauen. Jemand, der in der Hauptstadt ankommt und sozusagen nur die Provinz hinter sich weiß, wo er herkommt, der hat es schwer und das hat man hier ganz deutlich gespürt. Auch diese intellektuelle Arroganz von dem einen oder anderen, der nicht verstehen kann, dass ein Elektromechaniker Ministerpräsident sein kann, ganz ohne Abitur.
Dobovisek: Nun steht aber Beck nicht alleine da, dass er aus der Provinz kommt und in Berlin möglicherweise auch Erfolg haben könnte. Warum also der scharfe Blick ausgerechnet nur auf Kurt Beck?
Mertes: Ja, warum? Das müssen Sie die fragen, die den Blick gelenkt haben. Das waren sowohl die eigenen Genossen wie natürlich die veröffentlichte Meinung, die gleichermaßen auf Beck geschaut hat. - Dann muss es natürlich auch Fehler gegeben haben. Wer will das bestreiten. Wer keine Fehler macht, ist kein Mensch.
Dobovisek: Kurt Beck hat heute über seinen Führungsstil gesprochen. Offen und kollegial sei der, hat er gesagt. Vielleicht zu offen für ein Spitzenamt in Berlin?
Mertes: Zu offen? - Ich glaube, wenn man sehr offen mit den Leuten umgeht, sehr fair mit ihnen umgeht, dann erwartet man, dass das gleiche zurückkommt. In diesem Fall müssen wir erleben, dass das nicht zurückkommt, sondern wir erleben das, was eben eigene Vorstellungen ausmacht, und das, was das Leben ausmacht. Wissen Sie, wenn mich jemand fragen würde, sage mal in einem Satz, was Politik ist, dann würde ich sagen, Shakespeare: Neid, Liebe, Hass, Gier. All diese schönen Eigenschaften, die uns Shakespeare in seinen Theaterstücken zeigt, die gibt es auch in der Politik.
Dobovisek: Und diesen Intrigen kann man vielleicht auch entgegnen mit ein bisschen "Basta-Politik"?
Mertes: Die Basta-Politiker sind nicht gerade mein Schlag. Das hat uns damals sehr weh getan, dass wir manchmal so behandelt worden sind. - Er ist kein Basta-Politiker, sondern einer, der zusammenführt.
Dobovisek: Aber er hat es nicht geschafft!
Mertes: Ja, das ist wahr. Es zeigt sich: Es gibt Grenzen für vernünftigen Umgang und die hat er jetzt auch gespürt. Das sehe ich auch so.
Dobovisek: Beck fühlt sich verraten. Wer hat denn den Vertrauensbruch begangen?
Mertes: Ich wahr nicht dabei. Aber wenn das einigermaßen stimmt, was wir von ihm wissen, und wenn das einigermaßen stimmt, was überall gedruckt war, dann haben diejenigen, die für die Kanzlerkandidatur stehen, bereits vorher so mit der Presse ventiliert, dass es so aussieht, als hätte Beck das sozusagen nolens volens gemacht, und das war dann der letzte Tropfen in einem vollen Fass.
Dobovisek: Das sind aber immer noch Spekulationen. Wie überzeugend kann es denn sein, wenn sich ein gestandener Parteichef vor die Presse stellt und sich beklagt, aber nicht Ross und Reiter beim Namen nennt?
Mertes: Wissen Sie, wir stehen doch jetzt alle in dem Dilemma - also ich auch, gerade jetzt in dem Moment, wo Sie mich fragen. Ich will ja haben, dass meine gute alte SPD auch wieder eine Chance hat. Das heißt, ich kann gar nicht all das ausdrücken, was ich möglicherweise dem neuen Führungsduo zu sagen hätte, weil wir ja weiterkommen wollen. Wir müssen auf einen Parteitag. Wir müssen den Franz Müntefering möglicherweise gegen unsere innere Überzeugung alle mit viel Unterstützung versehen. Und wir müssen den Kanzlerkandidaten aufs Schild heben. Daher ist das eben nicht so einfach, dass man sich jetzt einfach seelisch entleert und sagt, das war alles ganz schrecklich. Es muss ja weitergehen. Und diejenigen, die darauf spekuliert haben, dass wir genauso reagieren, die kannten uns gut.
Dobovisek: Sie selbst, Herr Mertes, haben vor zwei Jahren Kurt Beck davon abgeraten, nach Berlin zu gehen und Parteichef zu werden. Wussten Sie, dass Kurt Beck nicht der Richtige ist?
Mertes: Nein, nein. Das hat weniger mit dem richtig oder falsch zu tun. Ich wusste nur, wie die Verhältnisse sind. Die sind mir einfach bekannt. Ich war zwölf Jahre lang Fraktionsvorsitzender und habe viel mit der Bundesebene zu tun gehabt, insbesondere auch in der Schröder-Zeit, also in der "Basta-Zeit". Daher war mir klar, das würde ein anderer Umgang sein, wie wir ihn bei uns pflegen. Ich nenne das so: Bei uns tritt man den Leuten auch mal auf die Füße, aber von vorne, nicht von hinten.
Dobovisek: Wie groß ist der Schaden, den Kurt Beck jetzt genommen hat?
Mertes: In Rheinland-Pfalz ist der Schaden begrenzt, eher das Gegenteil. Es gibt eine große Solidarisierung, sowohl der Partei. Ich kriege sogar Mails und Aufmunterungen aus dem Land, die sagen, gut, dass er jetzt wieder für uns alleine da ist. Da ist es also weniger. Bundesweit? Wer mag es einzuschätzen wissen. Eben hat Forsa gesagt, vier Punkte steigt die SPD. Ich kann es bundesweit nicht einschätzen. In Rheinland-Pfalz gibt es kein Problem damit.
Dobovisek: Das ist die Solidarität innerhalb der SPD in Rheinland-Pfalz. Nun hat aber Beck mit seinen Auftritten auf Bundesebene auch die SPD in Rheinland-Pfalz mit in den Abwärtsstrudel gerissen. Wie steht das dazu?
Mertes: Ach wissen Sie, wenn die Bundesebene die 36 Prozent hätte, die uns die "Rheinpfalz" in der letzten Woche noch prognostiziert hat (also 36 anstatt 26 auf der Bundesebene), dann würden die in Berlin sich ein Denkmal bauen können. Wir sind noch vor einem Wahlkampf. Wir sind noch weit vor einer Entscheidung. Der hat uns nicht reingerissen. Sagen wir so: Das Tief hat auch bei uns ein bisschen abgeregnet.
Heinlein: Der Rücktritt von Kurt Beck. Mein Kollege Mario Dobovisek im Gespräch mit dem Präsidenten des Mainzer Landtages, Joachim Mertes.