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Politikwissenschaftler sieht Hohmann im Widerspruch zum Grundgesetz

Hans Joachim Wiese: Der Fall Hohmann, der ja auch ein Fall Günzel ist sorgt also weiterhin für Aufregung. Der entlassene Bundeswehrgeneral Günzel droht Verteidigungsminister Struck mit Klage wegen Rufschädigung. Am Telefon begrüße ich jetzt Professor Wolfgang Gessenharter, er ist Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Guten Morgen.

    Wolfgang Gessenharter: Guten Morgen, Herr Wiese.

    Wiese: Herr Gessenharter, Sie haben das Interview mit Laurenz Meyer gerade mitgehört. Finden Sie seine Erklärungsversuche plausibel?

    Gessenharter: In einer gewissen Weise finde ich ihn insofern plausibel, weil nun die CDU Spitze offenbar mitgekriegt hat, dass die Rede von Herrn Hohmann eben nicht irgendein abartiges Produkt ist, wie da immer wieder gesagt wurde, sondern, dass es aus einem ganz bestimmten Geist heraus kommt und dieser Geist ist wohl gestern entgültig bei Herrn Hohmann definiert und gefunden worden. Man hätte das allerdings schon früher sehen können, denn wenn sich jemand wie Herr Hohmann so lange in Neu-Rechten Kreisen zeigt und von dort immer wieder bejubelt wird, dann muss ja da schon mehr dran sein, als dass mal einer aus irgendwelchem Frust heraus, eine bestimmte Ansprache am Stammtisch hält.

    Wiese: Man kann sowohl Hohmann, als auch General Günzel sicher mit Fug und Recht unterstellen, sich Gedanken zu machen, bevor sie sich öffentlich äußern. Oder sind sie tatsächlich nur Wirrköpfe, als die Verteidigungsminister Struck zumindest Günzel bezeichnet hat?

    Gessenharter: Nein, mit Sicherheit nicht. Dafür ist schon dieser kurze Brief Anhaltspunkt genug, in dem alles das auftaucht an Vokabeln, was in der Neuen Rechten gang und gäbe ist.

    Wiese: Wenn beide also, wie Sie meinen, durchaus wussten, was sie mit der Rede und dem zustimmenden Brief auslösten, was bezweckten sie dann damit?
    Gessenharter: Sie bezwecken etwas, das man sich so vorstellen muss aus ihrer Sicht, also aus deren Sicht. Sie haben den Eindruck, dass Deutschland in einer Situation ist, die fast schon nicht mehr zu retten ist und dieses, was da passiert in Deutschland, aus ihrer Sicht, liegt genau darin, dass den Deutschen das Lebensrecht abgeschnitten wird, dass es ihnen verweigert wird, zum Beispiel von Juden, zum Beispiel von anderen Minderheiten, von Türken, zum Beispiel von den europäischen Nachbarländern und dass es an der Zeit ist, dass die Deutschen wieder erkennen, dass Politik eben nicht das Ringen um Ausgleich ist, sondern dass Politik für diese Richtung bedeutet, ein politisches Kollektiv, also eine politische Gemeinschaft wie Deutschland ist immer prinzipiell umgeben von Feinden.

    Wiese: Aber das heißt ja, das erinnert ja an genau das, was wir vom Nationalsozialismus her kennen, von der Führerideologie, von der Ideologie der Nazis. Ist das tatsächlich auf solche Leute wie Hohmann und Günzel anzuwenden?

    Gessenharter: Die Quellen sind die selben. Das ist die konservative Revolution in der Weimarer Republik und die geht zurück auf die ganzen gegenrevolutionären Bewegungen seit der französischen Revolution. Die Quellen sind die selben, aber die Neue Rechte tut etwas, und das nehme ich ihnen auch ab, wir wollen mit dem mörderischen System der Nationalsozialisten überhaupt nichts zu tun haben, aber die Vorstellung, dass Politik eben in der Freund-Feind-Kennung, in der Freund-Feind-Unterscheidung liegt und eben nicht im gemeinsamen Versuch von Ausgleich von immer und überall vorhandenen Konflikten, diese Vorstellung teilt in der Tat diese Richtung mit der konservativen Revolution und damit natürlich auch mit der nationalsozialistischen Ideologie. Aber ich will an diesem Punkt deutlich machen, dass die Distanz der Neuen Rechten vom Nationalsozialismus immer vorlag, so lange es, und das ist ungefähr jetzt seit gut und gerne 30 Jahren, diese Neue Rechte gibt.

    Wiese: Sie haben jetzt diesen Begriff der Neuen Rechten eingeführt. Zu diesen Neuen Rechten gehören Ihrer Meinung nach also auch Leute wie Hohmann und Günzel?

    Gessenharter: Herr Hohmann mit Sicherheit. Seine Rede führt das auch aus, weil wir dort zum Beispiel, auf einen Punkt will ich noch aufmerksam machen, der überhaupt noch nicht erwähnt wurde, zum Beispiel eine ganz klare Distanz, eine ganz klare Gegenüberstellung haben zu dem, was der Artikel 3 des Grundgesetzes sagt, nämlich, dass niemand wegen seiner Herkunft, seiner Heimat benachteiligt oder bevorzugt werden kann. In seiner Rede sagt er, ich zitiere hier wörtlich: "Leider kann ich den Verdacht, dass man als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung genießt, nicht entkräften." Das heißt doch, dass er das fundamentale Gleichheitsrecht, das auf dem Artikel 1 des Grundgesetztes ruht, nämlich das der Würde des Menschen, aller Menschen, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes hier leben, dass er dieses fundamentale Gleichheitsrecht in Frage stellt. Und das war für mich schon allein genügend Futter, um zu sagen, hier ist mehr dahinter, als eben nur eine törichte Rede.

    Wiese: Herr Gessenharter, wo findet man die Angehörigen der Neuen Rechten? Sind die Schwierigkeiten, die die CDU jetzt bei dem Rauswurf von Hohmann hatte, sind die damit zu erklären, unter anderem auch damit zu erklären, dass man Angst haben muss, es gibt eine breite Sympathiebewegung solcher Neuen Rechten für Hohmann in der CDU.

    Gessenharter: Diese Neue Rechte kann man an einem Punkt sehr deutlich festmachen, dass ist nämlich diese Wochenzeitung die "Junge Freiheit". Und wer in dieser "Jungen Freiheit" sich meldet, wie auch immer, der hat ein Problem, weil nämlich in dieser "Jungen Freiheit" eben dieses Bild, das ich gerade versucht habe zu zeichnen und das auf den Staatslehrer Carl Schmitt ganz wesentlich zurückgeht, bitte nicht zu verwechseln mit Carlo Schmid, also auf den Staatslehrer Carl Schmitt zurückgeht. Dieser Carl Schmitt wird in der "Jungen Freiheit" rauf und runter gelobt, es gibt fast keine Nummer, wo da nicht immer wieder zustimmende Zitate zu seinem Freund-Feind Bild von Politik eben ausgestoßen werden.

    Wiese: Wer schreibt da, CDU, SPD, alle Liberalen, Neoliberale?

    Gessenharter: Nein, in dieser Zeitschrift oder in dieser Zeitung schreiben erst mal eine ganze Reihe von Intellektuellen aus allen möglichen Berufen und aus allen möglichen Schichten, sage ich mal. Aber Leute, die sich intellektuell durchaus mit Politik auseinandersetzen. Und dann gibt es eben immer wieder Leute, die sich für Interviews zur Verfügung stellen und es sind eben, leider Gottes, auch Leute unmittelbar aus dem Kreis der CDU. Manchmal wird gesagt, man wolle dann eben diese Leute doch auch noch bekehren. Ich halte das für naiv, aber es ist zum Beispiel so, das muss man einfach auch nennen, dass vor einigen Jahren, Herr Meyer war noch Fraktionsvorsitzender in der CDU Opposition in Nordrhein-Westfalen, sich auch für ein Interview zur Verfügung gestellt hat. Insofern wird immer wieder bedauert, unter anderem auch von den Verfassungsschutzämtern, dass die Abgrenzung zu dieser Neuen Rechten eben doch ziemlich löcherig in der Zwischenzeit gewesen ist. Und jetzt erkennt man, dass das eben tatsächlich ein ganz wichtiges Gedankengut ist, das eben bis in die CDU hineingeht und in die FDP ist es ja auch hineingegangen, ich erinnere nur an die Nationalliberalen etwa um den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl. Und es gibt auch in der SPD Leute, die schon dort aufgetreten sind. Da kann man nur sagen, wisst ihr denn nicht, was ihr da tut? Ihr wertet diese Gruppierung auf, wo es doch um ein völlig anderes Gesellschafts- und Politikbild geht bei diesen Leuten, als es das Grundgesetz für uns verbindlich vorschreibt. Wo der Konsens der Demokraten über dieses Grundgesetz ja massiv und ganz ganz groß ist. Aber, man muss den Anfängen wehren.

    Wiese: Danke Ihnen. Das war in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk der Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in Hamburg, Wolfgang Gessenharter. Auf Wiederhören, Herr Gessenharter.

    Gessenharter: Bitte sehr. Auf Wiederhören.