Dirk Müller: Da könnte sich Deutschland mal ein Beispiel nehmen: Wie lange haben die Griechen jetzt gebraucht, eine neue Regierung zu bilden – ganze drei Tage, oder, um noch genauer zu sein, zweieinhalb Tage. Hierzulande dauert das wochenlang – in der Regel jedenfalls. Bemerkenswert dabei ist: Die neue Regierung besteht ausgerechnet aus den Parteien, die die Krise im Land zu verantworten haben, nämlich die Konservativen und die Sozialisten.
Allgemeines Aufatmen in Europa, das haben wir gestern nahezu aus allen Hauptstädten gehört, über die Regierungsbildung in Griechenland und über die Zusammensetzung dieser Regierung. Teilen Sie diese Euphorie? Diese Frage meines Kollegen Matthias von Hellfeld ging an die Politikwissenschaftlerin Almut Möller von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Almut Möller: Na ja, ich glaube, es ist eine deutliche Mehrheit, die wir jetzt in der griechischen Hauptstadt sehen. Aber die Frage ist, ist sie auch stabil? Und insofern würde ich meinen Gemütszustand jetzt noch nicht als völlig entspannt bezeichnen, in der Tat nicht, denn man muss schauen: Trotz dieser Mehrheit ist diese Regierung möglicherweise natürlich sowohl in ihrer Koalitionszusammensetzung nicht unbedingt auf eine Zukunft angelegt, die da einen leichten Ritt über den Bodensee erwarten lässt; denn wir sehen ja erstens, dass schon die demokratische Linke und PASOK sich ein wenig zurückhalten in der Frage, will man auch Ministerposten besetzen, die Nea Dimokratia hat sicherlich Wähler gewonnen, aber sicherlich auch viele gewonnen, die nicht aus absoluter Liebe zu dieser Partei gewählt haben, sondern eher so aus Staatsräson, das kann auch wieder wegbrechen. Und mal jenseits dieser Koalition ist natürlich in der Opposition die SYRIZA-Partei sehr stark, mit einer Stimmenanzahl, die deutlich stärker ist als die zwei kleinen Koalitionspartner zusammen, und der Chef der SYRIZA hat natürlich angekündigt, hier eine ganz klare Oppositionspolitik auch zu fahren, im Parlament und außerhalb des Parlaments, was uns zum Bürger führt, der griechische Bürger, der natürlich auf den Straßen weiterhin seinem Unmut Luft macht. Das wird etwas sein, mit dem sich die neue Koalitionsregierung wird beschäftigen müssen, und das merkt man ja jetzt schon an den ersten Verlautbarungen.
Matthias von Hellfeld: Die neue griechische Regierung möchte ja gerne nachverhandeln über das Sparpaket. Sollten die Geldgeber auf der anderen Seite des Tisches nachgeben?
Möller: Das ist eine ganz schwierige Situation momentan, wenn man es mal sozusagen verhandlungstaktisch sieht. Es ist nachvollziehbar, dass auch die deutsche Bundesregierung nicht gleich alle Karten auf den Tisch legt und sagt, wir haben da Einsicht, wir verstehen das, denn auch Frau Merkel weiß natürlich, dass hinter ihren Entscheidungen ein Bundestag und letztlich der deutsche Wahlbürger stehen muss, wie auch in der gesamten Euro-Zone, wo ja sozusagen jede Vereinbarung mit Griechenland auch bedeutet, dass andere Länder und ihre Parlamente und die Bürger dahinter stehen müssen. Das heißt, das ist nicht etwas, was letztlich nur zwischen Regierungen passiert, und da muss natürlich gerade auch die Kanzlerin darauf achten. Auf der anderen Seite sieht man, dass dieses Land eigentlich nicht auf die Füße kommen kann, wenn man ihm nur Sparen verordnet, und die griechische Regierung muss natürlich auf ihre Wähler hören, hat aber, ich glaube, relativ wenig Verhandlungspotenzial, denn sie steht da letztlich einer Übermacht gegenüber.
von Hellfeld: Sie haben es eben schon ein bisschen angedeutet. Was muss denn jetzt ganz praktisch in Griechenland geschehen in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten?
Möller: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass jetzt zunächst wirklich zügig die Regierungsgeschäfte aufgenommen werden können, denn diese lähmenden letzten Wochen haben da sehr, sehr viel Schaden angerichtet. Das Nächste, was man natürlich sagen muss, ist: Der Gipfel nächste Woche, der Staats- und Regierungschefs Ende Juni, wird da ja noch mal ein wichtiger Gipfel vor der Sommerpause sein, wo alle Beteiligten ein Interesse daran haben, auch die griechischen Vertreter, die dann dort sein werden, einen Fahrplan wirklich noch mal auf den Tisch zu legen und jenseits dessen, was man bereits miteinander vereinbart hat, das zurückzugeben auch an die Bevölkerung in Griechenland, was der neue Regierungschef heute "Hoffnung" genannt hat, und ich glaube, in solchen Kategorien müssen wir sprechen, denn sonst bricht dieses Land sicherlich noch weiter zusammen, weil einfach die Menschen das Gefühl haben, sie sehen eigentlich überhaupt nicht das Ende der Fahnenstange.
Müller: Mein Kollege Matthias von Hellfeld im Gespräch mit der Berliner Politikwissenschaftlerin Almut Möller.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Almut Möller: Na ja, ich glaube, es ist eine deutliche Mehrheit, die wir jetzt in der griechischen Hauptstadt sehen. Aber die Frage ist, ist sie auch stabil? Und insofern würde ich meinen Gemütszustand jetzt noch nicht als völlig entspannt bezeichnen, in der Tat nicht, denn man muss schauen: Trotz dieser Mehrheit ist diese Regierung möglicherweise natürlich sowohl in ihrer Koalitionszusammensetzung nicht unbedingt auf eine Zukunft angelegt, die da einen leichten Ritt über den Bodensee erwarten lässt; denn wir sehen ja erstens, dass schon die demokratische Linke und PASOK sich ein wenig zurückhalten in der Frage, will man auch Ministerposten besetzen, die Nea Dimokratia hat sicherlich Wähler gewonnen, aber sicherlich auch viele gewonnen, die nicht aus absoluter Liebe zu dieser Partei gewählt haben, sondern eher so aus Staatsräson, das kann auch wieder wegbrechen. Und mal jenseits dieser Koalition ist natürlich in der Opposition die SYRIZA-Partei sehr stark, mit einer Stimmenanzahl, die deutlich stärker ist als die zwei kleinen Koalitionspartner zusammen, und der Chef der SYRIZA hat natürlich angekündigt, hier eine ganz klare Oppositionspolitik auch zu fahren, im Parlament und außerhalb des Parlaments, was uns zum Bürger führt, der griechische Bürger, der natürlich auf den Straßen weiterhin seinem Unmut Luft macht. Das wird etwas sein, mit dem sich die neue Koalitionsregierung wird beschäftigen müssen, und das merkt man ja jetzt schon an den ersten Verlautbarungen.
Matthias von Hellfeld: Die neue griechische Regierung möchte ja gerne nachverhandeln über das Sparpaket. Sollten die Geldgeber auf der anderen Seite des Tisches nachgeben?
Möller: Das ist eine ganz schwierige Situation momentan, wenn man es mal sozusagen verhandlungstaktisch sieht. Es ist nachvollziehbar, dass auch die deutsche Bundesregierung nicht gleich alle Karten auf den Tisch legt und sagt, wir haben da Einsicht, wir verstehen das, denn auch Frau Merkel weiß natürlich, dass hinter ihren Entscheidungen ein Bundestag und letztlich der deutsche Wahlbürger stehen muss, wie auch in der gesamten Euro-Zone, wo ja sozusagen jede Vereinbarung mit Griechenland auch bedeutet, dass andere Länder und ihre Parlamente und die Bürger dahinter stehen müssen. Das heißt, das ist nicht etwas, was letztlich nur zwischen Regierungen passiert, und da muss natürlich gerade auch die Kanzlerin darauf achten. Auf der anderen Seite sieht man, dass dieses Land eigentlich nicht auf die Füße kommen kann, wenn man ihm nur Sparen verordnet, und die griechische Regierung muss natürlich auf ihre Wähler hören, hat aber, ich glaube, relativ wenig Verhandlungspotenzial, denn sie steht da letztlich einer Übermacht gegenüber.
von Hellfeld: Sie haben es eben schon ein bisschen angedeutet. Was muss denn jetzt ganz praktisch in Griechenland geschehen in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten?
Möller: Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass jetzt zunächst wirklich zügig die Regierungsgeschäfte aufgenommen werden können, denn diese lähmenden letzten Wochen haben da sehr, sehr viel Schaden angerichtet. Das Nächste, was man natürlich sagen muss, ist: Der Gipfel nächste Woche, der Staats- und Regierungschefs Ende Juni, wird da ja noch mal ein wichtiger Gipfel vor der Sommerpause sein, wo alle Beteiligten ein Interesse daran haben, auch die griechischen Vertreter, die dann dort sein werden, einen Fahrplan wirklich noch mal auf den Tisch zu legen und jenseits dessen, was man bereits miteinander vereinbart hat, das zurückzugeben auch an die Bevölkerung in Griechenland, was der neue Regierungschef heute "Hoffnung" genannt hat, und ich glaube, in solchen Kategorien müssen wir sprechen, denn sonst bricht dieses Land sicherlich noch weiter zusammen, weil einfach die Menschen das Gefühl haben, sie sehen eigentlich überhaupt nicht das Ende der Fahnenstange.
Müller: Mein Kollege Matthias von Hellfeld im Gespräch mit der Berliner Politikwissenschaftlerin Almut Möller.
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