Dienstag, 16. April 2024

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Polizei-Kolumne der "taz"
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Menschen, die auf den Müll gehören – eine viel debattierte „taz“-Kolumne behandle ein Gedankenspiel zur Polizei, das nichts zu einer sinnvollen Diskussion beitrage, meint Brigitte Baetz. Im „taz“-Text werde nicht nur Gewalt gegen Polizisten legitimiert – er schade auch dem Ruf des Journalismus.

Von Brigitte Baetz | 18.06.2020
Rückenansicht eines Polizeibeamten. Im Vordergreund ist die Aufschrift "Polizei" zu erkennen.
Im Zuge der internationalen "Black Lives Matter"-Proteste wird auch in Deutschland vermehrt über die Rolle der Polizei diskutiert (imago / cdn / Deutzmann)
Journalismus soll Fakten und Meinungen transportieren, damit sich eine aufgeklärte Öffentlichkeit ihr Bild von der Wirklichkeit machen kann und eine gemeinsame Grundlage hat, auf der Entscheidungen im demokratischen Diskurs gefällt werden können. Dazu gehören durchaus Streit und harte Auseinandersetzungen und, ja, dazu gehört auch Polemik.
Manchmal braucht es harsche Worte und provokante Thesen, um einer Debatte Schwung zu verleihen oder eine möglicherweise matt gewordene Gesellschaft aufzurütteln. Was es jedoch nicht braucht, ist Menschenverachtung.
Polizisten als Menschen mit "Fascho-Mindset"
Im Zuge der internationalen "Black Lives Matter"-Proteste hat eine Kolumnistin der Berliner "taz" öffentlich darüber nachgedacht, wie es denn wäre, würde die Polizei abgeschafft. Ein Gedankenspiel, dem man sich durchaus hingeben kann.
Doch der Autorin ging es nicht darum, diese Überlegung ernsthaft zu behandeln mit all ihren Konsequenzen für die Gesellschaft. Es ging ihr darum, darüber zu reflektieren, was man denn mit den dann arbeitslosen Polizisten anstellen solle, für sie, so wird auch bald klar: eine Menschengruppe, die sich durch eine Vorliebe für Machtmissbrauch und einem "Fascho-Mindset" auszeichne.
Der Autor und Schauspieler Schlecky Silberstein sitzt auf einem Podium und spricht.
Schlecky Silberstein: Der Maßstab für Texte kann nicht der geistig Geringste sein
Eine "taz"-Kolumne sorgt für Ärger, weil darin überlegt wird, was Polizisten machen könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde. Für Schlecky Silberstein eine klar erkennbare Satire.
Und darum, so der Schluss ihrer Kolumne, komme als Option einer möglichen Weiterverwendung dieser nun überflüssigen Polizisten nur die Mülldeponie in Frage.
Zitat: "Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selbst am wohlsten."
Gewalt gegen Polizisten wird legitimiert
Menschen, die auf den Müll gehören – eine Gedankenkonstruktion, die nichts, aber auch gar nichts dazu beiträgt, eine sinnvolle Diskussion anzustoßen oder unser Gemeinwesen in irgendeiner Weise weiterzubringen.
Sie ist ein Beispiel für jene gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, der es darum geht, auszugrenzen und die in der letzten Konsequenz dazu führt, diese Gruppen im Wortsinne "zum Abschuss freizugeben". Gewalt gegen Polizisten wird somit legitimiert.
Keine Frage: Es gibt gewaltbereite Polizeibeamte, es gibt in der Polizei Menschen mit rechtsradikalen Ansichten, die auch Andersdenkende gerne auf dem Müll entsorgen würden. Doch wird dieses Problem dadurch gelöst, dass mit gleicher Keule zurückgeschlagen wird und alle Polizisten über einen Kamm geschoren werden?
Einzelne Fehltritte Gefahr für die Branche
Solche Art von aggressiven und unreflektierten Äußerungen kennen wir aus den Kommentarspalten der Online-Seiten zur Genüge. Schlimm genug. Wir leben in aufgeheizten Zeiten, in denen dem Hass viel zu viel Raum gegeben wird, der unsere Gesellschaft immer weiter spaltet.
Gut, im vorliegenden Fall handelt es sich nur eine kleine Kolumne in der nicht gerade auflagenstarken Berliner "taz". Und doch hatte der YouTuber Rezo Recht, als er kürzlich darauf hinwies, dass es auf eine ganze Branche zurück fällt, wenn sich einzelne Mitglieder der Presse nicht an die Standards im Journalismus halten. Und zu diesen Standards gehört es, Menschen nicht als Müll zu bezeichnen.
Brigitte Baetz
Brigitte Baetz, Studium der Politischen Wissenschaften, Geschichte und Romanistik in Würzburg, Köln und Salamanca. Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Medien und Politik in Köln. Sie gehört u. a. zum Team der Deutschlandfunk-Sendung @mediasres. 2005 wurde sie für ein Hörfunkfeature über die Macht von Interessengruppen mit dem Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus ausgezeichnet. 2012 erhielt sie den Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik. Sie ist Mitglied in der Jury des Grimme Online Award und Lehrbeauftragte an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln.