Elke Durak: 2006 soll in Deutschland ein Rekordjahr rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten gewesen sein, hat das Bundeskriminalamt rückblickend festgestellt. Und was erwartet uns in diesem Jahr? Vorläufer solcher Gewalttaten sind Worte am so genannten Stammtisch, auf der Straße, auf Häuser, Wänden, Plakaten, unter Leuten, unter Jugendlichen vor allem. Und wenn der sächsische Innenminister davon spricht, dass man sich nicht auf die Bekämpfung der NPD beschränken, sondern den Parolen dieser Partei politische Alternativen entgegensetzen sollte, dann weiß der ziemlich genau, wovon er spricht; die NPD sitzt im sächsischen Landtag.
Kriminaloberrat Klaus Gäth beschäftigt sich in Berlin mit dem Rechtsextremismus, ist nun am Telefon. Herr Gäth, mit welcher Form des Rechtsextremismus hat Berlin vor allem zu tun?
Klaus Gäth: Berlin hat hauptsächlich mit Propagandadelikten zu tun, das heißt also, dass Schmierereien an der Wand passieren, dass der Hitlergruß entboten wird, dass Provokationen auf der Straße passieren, so dass der Rechtsextremismus vornehmlich in der Bezeichnung reflektiert wird, zum Glück weniger in der Gewalt.
Durak: Soll man sich darüber freuen?
Gäth: Freuen kann man sich mit Sicherheit nicht, da wir ja nur das Hellfeld darstellen. Die Polizei ist immer in der Lage festzustellen, was ist denn angezeigt worden, und nur wenn man etwas angezeigt bekommen, können wir dies auch veröffentlichen und damit umgehen. Nein, freuen kann man sich darüber nicht. Jede Steigerung zeigt, dass auch das Dunkelfeld mit Sicherheit wächst.
Durak: Herr Gäth, haben denn diese Propagandadelikte 2006 eher zugenommen oder eher abgenommen?
Gäth: Sie sind ungefähr auf einem gleich bleibenden Level. Sie nehmen manchmal zu, es kommt immer auf die Ereignisse an. Eine Bundestagswahl ist immer gezeichnet davon, dass auch die Straftaten politisch motivierter Kriminalität steigen. Und Berliner Wahlen, und die hatten wir, sind auch dafür geeignet.
Durak: Gibt es Schwerpunktbezirke, wenn ja, welche?
Gäth: Ich würde sie nicht Schwerpunktbezirke nennen, ich nenne sie Bezirke, wo also das Hellfeld besonders groß ist. Rechtsextremismus ist berlinweit vertreten. Er ist möglicherweise stärker in den Augenschein getreten in den ehemaligen Ostteilen, ist aber flächendeckend, und mit Brennpunkten kann man da nicht operieren.
Durak: Also noch mal sozusagen übersetzt für Otto-Normal-Verbraucher, Hellfeld heißt, dass das Gebiete sind, in denen Bürger sehr schnell und unverzüglich und konsequent zur Polizei gehen?
Gäth: Wir erwarten ja, dass der Bürger sich öffnet, das heißt also, dass er der Polizei auch mitteilt, wenn ihm etwas passiert ist, wenn er etwas bemerkt hat, wenn er meint, die Polizei rufen zu können. Und bei rechtsextremen Straftat ist das relativ früh und die Einschreitschwelle relativ niedrig. Wenn also jemand den Hitlergruß erbietet oder laut grölt oder rechte Musik spielt, kommt die Polizei. Sie nimmt die Strafanzeigen auf, und sie fallen dann in die Statistik. Nur damit können wir umgehen. Wir erwarten von jedem Bürger, dass er sich meldet. Nur wer meldet, kann auch erwarten, dass wir das erkennen, was da sich um uns herum abspielt.
Durak:! Oft genug, Herr Gäth, wird ja darüber berichtet, dass die Leute eher gleichgültig auf so etwas reagieren. Diese Erfahrung machen Sie also nicht?
Gäth: Nein, die machen wir zum Glück nicht. Es gibt mit Sicherheit Gleichgültigkeit, aber wir stellen fest, dass gerade im Jahr 2007 die Sensibilität der Bürger gewachsen ist, dass sie möglicherweise auch mehr Vertrauen haben in die Aufklärung. Unsere Aufklärung ist sehr gut, also weit über die Hälfte der Straftaten im Rechtsextremismus werden aufgeklärt, so dass wir gute Ansätze haben und dem Bürger auch darbieten können, dass wir Erfolge aufweisen können.
Durak: Das ist eine positive Nachricht. Diese Propagandadelikte, wofür stehen die vor allem, weshalb?
Gäth: Wir halten sie vielfach für neben den von der NPD initiierten politischen Aussagen in der überwiegenden Zahl für Provokationsdelikte insbesondere von Jugendlichen. Heutzutage ist die Hemmschwelle derart hoch, dass man provozieren kann nur mit Sachen, die die Gesellschaft auch aufnimmt, und damit ist Tür und Tor geöffnet, dass man mit einem Hakenkreuz auch Aufmerksamkeit erreicht.
Durak: Gibt es so etwas wie Täterprofile bei den jungen Leuten, was sind das für junge Leute?
Gäth: Es sind in der Regel junge Erwachsene, so muss man das auch formulieren, wobei die Altersspanne dann aber natürlich bis ins Alter hineinreicht, weil: Rechtsextremistische Gesinnung legt sich nicht so einfach ab. Sie ist vielfach jugendspezifisch, das heißt also, dass sie sich dann auslebt, sofern man mehr Lebenserfahrung hat. Aber sie ist vornehmlich eine Straftat der jungen erwachsenen Männlichen.
Durak: Die Bundesfamilienministerin hat gestern dafür geworben, dass insbesondere Jungen neue Vorbilder bräuchten. Wo sind die zu finden in diesem Land Ihrer Meinung nach?
Gäth: Das ist eine politische Auseinandersetzung, wo sich die Polizei möglichst raushalten sollte. Wir versuchen schon darzubieten, dass es Grenzen gibt. Als Polizei sind unsere Möglichkeiten doch arg beschränkt. Vielfach wird in der Gesellschaft gemeint, dass wir diese Probleme angehen und lösen können. Das ist nicht der Fall. Die müssen politisch angegangen und auch beseitigt werden. Alternativen müssen politisch auferlegt werden.
Durak: Wenn Sie sagen, die Bürger gehen schneller zur Polizei, und das ist auch gut so, aber wann wird Mut gefährlich?
Gäth: Wir erwarten von jedem Bürger, dass er sich nicht selbst in Gefahr begibt. Das gilt für alle anderen Gewalttaten auf der Straße auch. Jugendgewalt ist ein Phänomen in unserer Gesellschaft, das sich leider ausweitet, und wir erwarten nicht, dass der Bürger dazwischen geht und selbst Gewalt ausübt oder Gewalt versucht zu verhindern mit Gegengewalt. Sondern er soll Hilfe rufen, er soll Hilfe bieten, er soll sich positionieren, aber die Polizei kommt und hilft. Das Gewaltmonopol liegt bei der Polizei, und das wollen wir auch so behalten.
Durak: Kriminaloberrat Klaus Gäth zum Rechtsextremismus in Berlin. Besten Dank, Herr Gäth, für das Gespräch.
Kriminaloberrat Klaus Gäth beschäftigt sich in Berlin mit dem Rechtsextremismus, ist nun am Telefon. Herr Gäth, mit welcher Form des Rechtsextremismus hat Berlin vor allem zu tun?
Klaus Gäth: Berlin hat hauptsächlich mit Propagandadelikten zu tun, das heißt also, dass Schmierereien an der Wand passieren, dass der Hitlergruß entboten wird, dass Provokationen auf der Straße passieren, so dass der Rechtsextremismus vornehmlich in der Bezeichnung reflektiert wird, zum Glück weniger in der Gewalt.
Durak: Soll man sich darüber freuen?
Gäth: Freuen kann man sich mit Sicherheit nicht, da wir ja nur das Hellfeld darstellen. Die Polizei ist immer in der Lage festzustellen, was ist denn angezeigt worden, und nur wenn man etwas angezeigt bekommen, können wir dies auch veröffentlichen und damit umgehen. Nein, freuen kann man sich darüber nicht. Jede Steigerung zeigt, dass auch das Dunkelfeld mit Sicherheit wächst.
Durak: Herr Gäth, haben denn diese Propagandadelikte 2006 eher zugenommen oder eher abgenommen?
Gäth: Sie sind ungefähr auf einem gleich bleibenden Level. Sie nehmen manchmal zu, es kommt immer auf die Ereignisse an. Eine Bundestagswahl ist immer gezeichnet davon, dass auch die Straftaten politisch motivierter Kriminalität steigen. Und Berliner Wahlen, und die hatten wir, sind auch dafür geeignet.
Durak: Gibt es Schwerpunktbezirke, wenn ja, welche?
Gäth: Ich würde sie nicht Schwerpunktbezirke nennen, ich nenne sie Bezirke, wo also das Hellfeld besonders groß ist. Rechtsextremismus ist berlinweit vertreten. Er ist möglicherweise stärker in den Augenschein getreten in den ehemaligen Ostteilen, ist aber flächendeckend, und mit Brennpunkten kann man da nicht operieren.
Durak: Also noch mal sozusagen übersetzt für Otto-Normal-Verbraucher, Hellfeld heißt, dass das Gebiete sind, in denen Bürger sehr schnell und unverzüglich und konsequent zur Polizei gehen?
Gäth: Wir erwarten ja, dass der Bürger sich öffnet, das heißt also, dass er der Polizei auch mitteilt, wenn ihm etwas passiert ist, wenn er etwas bemerkt hat, wenn er meint, die Polizei rufen zu können. Und bei rechtsextremen Straftat ist das relativ früh und die Einschreitschwelle relativ niedrig. Wenn also jemand den Hitlergruß erbietet oder laut grölt oder rechte Musik spielt, kommt die Polizei. Sie nimmt die Strafanzeigen auf, und sie fallen dann in die Statistik. Nur damit können wir umgehen. Wir erwarten von jedem Bürger, dass er sich meldet. Nur wer meldet, kann auch erwarten, dass wir das erkennen, was da sich um uns herum abspielt.
Durak:! Oft genug, Herr Gäth, wird ja darüber berichtet, dass die Leute eher gleichgültig auf so etwas reagieren. Diese Erfahrung machen Sie also nicht?
Gäth: Nein, die machen wir zum Glück nicht. Es gibt mit Sicherheit Gleichgültigkeit, aber wir stellen fest, dass gerade im Jahr 2007 die Sensibilität der Bürger gewachsen ist, dass sie möglicherweise auch mehr Vertrauen haben in die Aufklärung. Unsere Aufklärung ist sehr gut, also weit über die Hälfte der Straftaten im Rechtsextremismus werden aufgeklärt, so dass wir gute Ansätze haben und dem Bürger auch darbieten können, dass wir Erfolge aufweisen können.
Durak: Das ist eine positive Nachricht. Diese Propagandadelikte, wofür stehen die vor allem, weshalb?
Gäth: Wir halten sie vielfach für neben den von der NPD initiierten politischen Aussagen in der überwiegenden Zahl für Provokationsdelikte insbesondere von Jugendlichen. Heutzutage ist die Hemmschwelle derart hoch, dass man provozieren kann nur mit Sachen, die die Gesellschaft auch aufnimmt, und damit ist Tür und Tor geöffnet, dass man mit einem Hakenkreuz auch Aufmerksamkeit erreicht.
Durak: Gibt es so etwas wie Täterprofile bei den jungen Leuten, was sind das für junge Leute?
Gäth: Es sind in der Regel junge Erwachsene, so muss man das auch formulieren, wobei die Altersspanne dann aber natürlich bis ins Alter hineinreicht, weil: Rechtsextremistische Gesinnung legt sich nicht so einfach ab. Sie ist vielfach jugendspezifisch, das heißt also, dass sie sich dann auslebt, sofern man mehr Lebenserfahrung hat. Aber sie ist vornehmlich eine Straftat der jungen erwachsenen Männlichen.
Durak: Die Bundesfamilienministerin hat gestern dafür geworben, dass insbesondere Jungen neue Vorbilder bräuchten. Wo sind die zu finden in diesem Land Ihrer Meinung nach?
Gäth: Das ist eine politische Auseinandersetzung, wo sich die Polizei möglichst raushalten sollte. Wir versuchen schon darzubieten, dass es Grenzen gibt. Als Polizei sind unsere Möglichkeiten doch arg beschränkt. Vielfach wird in der Gesellschaft gemeint, dass wir diese Probleme angehen und lösen können. Das ist nicht der Fall. Die müssen politisch angegangen und auch beseitigt werden. Alternativen müssen politisch auferlegt werden.
Durak: Wenn Sie sagen, die Bürger gehen schneller zur Polizei, und das ist auch gut so, aber wann wird Mut gefährlich?
Gäth: Wir erwarten von jedem Bürger, dass er sich nicht selbst in Gefahr begibt. Das gilt für alle anderen Gewalttaten auf der Straße auch. Jugendgewalt ist ein Phänomen in unserer Gesellschaft, das sich leider ausweitet, und wir erwarten nicht, dass der Bürger dazwischen geht und selbst Gewalt ausübt oder Gewalt versucht zu verhindern mit Gegengewalt. Sondern er soll Hilfe rufen, er soll Hilfe bieten, er soll sich positionieren, aber die Polizei kommt und hilft. Das Gewaltmonopol liegt bei der Polizei, und das wollen wir auch so behalten.
Durak: Kriminaloberrat Klaus Gäth zum Rechtsextremismus in Berlin. Besten Dank, Herr Gäth, für das Gespräch.