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Polnische Regierung setzt auf Atomstrom

Noch besitzt Polen kein Kernkraftwerk, die Weichen für Atomstrom sind aber bereits gesellt. Im Jahr 2022 soll das erste Atomkraftwerk ans Netz gehen. Die Frage, wo der radioaktive Abfall gelagert werden soll, wird dabei ausgeblendet.

Von Florian Kellermann | 03.11.2010
    Zwischen Wald und Ostsee liegt die polnische Gemeinde Gniewino. Unten im Tal gibt es einen großen See, auf dem ein Angler mit seinem Boot unterwegs ist. Ein idyllisches Stück Erde, aber die Menschen hier sind nicht zufrieden. Es fehlt an Arbeitsplätzen. Deshalb hat sich der Gemeinderat als Standort für das geplante Atomkraftwerk beworben. Einstimmig, wie der Ortsvorsteher Jan Przepiora erklärt.

    "Im Moment arbeiten viele von uns in Danzig oder sogar im Ausland, das könnte sich ändern. Außerdem würden neue Straßen, Siedlungen und Geschäfte entstehen. Kurzum: Wir würden reicher. Und die Sicherheit haben die Experten heute ja im Griff."

    Sauber und billig sei die Kernenergie, erklärt auch die polnische Regierung. Sie solle teilweise die schmutzigen Kohlekraftwerke ersetzen, mit denen Polen bisher über 90 Prozent seines Stroms erzeugt. Das überzeugt nicht nur in Gniewino: Immer mehr Menschen befürworten die Kernenergie, inzwischen etwa die Hälfte der Polen.

    Die Sicherheit habe dabei Priorität, heißt es im Atomprogramm der Regierung. Das gelte auch für die Abfälle. Die müssten nur tief genug gelagert werden. Die einzige Gefahr bestehe dann darin, dass sie mit Wasser in Berührung kommen und so das Grundwasser verseuchen. Aber davor könne ein - so wörtlich - System mehrerer technologischer Barrieren wirksam schützen.

    Präziser kann es auch Andrzej Chwas, der Experte im Wirtschaftsministerium, im Moment nicht ausdrücken.

    "Das Ministerium hat eine Expertengruppe ins Leben gerufen, die eine Strategie ausarbeitet, wie wir weiter vorgehen. Allerdings haben wir noch Zeit, um ein Endlager tief in der Erde zu bauen. Wenn das Atomkraftwerk ans Netz geht, wird es erst 30 oder 40 Jahre später benötigt."

    Mögliche Orte für das Endlager nennt Andrzej Chwas nicht, er will keine Unruhe. Denn anders als beim Atomkraftwerk selber dürften sich für ein Endlager kaum Gemeinden bewerben. Nur so viel ist bekannt: Eine frühere Expertengruppe zog auch Salzstöcke wie den in Gorleben in Betracht.

    Polnische Umweltschützer halten das für einen verantwortungslosen Umgang mit der Atomkraft. Iwo Los von Greenpeace in Polen:

    "Wir haben keine Diskussion, sondern eine Propaganda der Regierung im Verein mit den Energiekonzernen. Sie wollen die Menschen überzeugen, dass die Atomenergie etwas Modernes, Fortschrittliches ist. Von einem Endlager ist natürlich keine Rede, das Thema meidet die Regierung wie der Teufel das Weihwasser."