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Portugal
Schuhindustrie ist Aushängeschild des Außenhandels

Sohlen, die um die Welt gehen, kommen immer häufig aus Portugal. Die dortige Schuhindustrie hat sich mit der Finanzkrise neu erfunden: 35.000 Arbeitnehmer beschäftigt sie wieder, die Wertschöpfung ist in den vergangenen drei Jahren um ein Drittel gestiegen und nur fünf Prozent der Produktion bleibt im Land.

Von Tilo Wagner | 23.12.2014
    Eine Schuhfabrik im portugisischen Alcobaca. Hier werden Schuhe handgemacht.
    Eine Schuhfabrik im portugisischen Alcobaca. Hier werden Schuhe handgemacht. (imago/Paul Spranger/GlobalImagens)
    In diesem Jahr gab es in Portugal überwiegend gute Nachrichten für die Wirtschaft des Landes. Portugal konnte im Mai den Euro-Rettungsschirm verlassen und steht nun finanziell wieder auf eigenen Beinen. Die Arbeitslosenquote liegt zwar noch leicht über 13 Prozent, geht aber kontinuierlich zurück. Und die portugiesische Wirtschaft ist über dem EU-Durchschnitt gewachsen und soll, laut Prognose der portugiesischen Staatsbank, auch im kommenden Jahr zulegen. Hinter dem Aufschwung steckt vor allem der Erfolg der Exportwirtschaft – und hier sticht ein Sektor hervor, der erst durch eine schwere Krise gehen musste und jetzt zum Zugpferd der Außenwirtschaft wird: die portugiesische Schuhproduktion.
    Eine edle Boutique auf der Lissabonner Prachtstraße Avenida da Liberdade. Früher reihten sich hier ausschließlich die Vorzeigeläden internationaler Modemacher aneinander – doch mittlerweile siedeln sich auch exklusive portugiesische Schuhdesigner an.
    Stolze 226 Euro kostet in der Boutique von Luís Onofre ein Paar Damen-Turnschuhe. 100 Prozent portugiesisches Produkt, versichert Geschäftsleiterin Adelaide Teixeira:
    "Die portugiesische Schuhwirtschaft hat sich gewandelt. Man sieht immer mehr portugiesische Designer, die ihren eigenen Namen verwenden, Boutiquen eröffnen und auf ausländische Märkte drängen. Und die Leute kennen mittlerweile unsere Schuhmarken. Hier in die Boutique kommen immer wieder spanische oder deutsche Touristen und tragen an den Füßen schon Schuhe von Luís Onofre."
    Vor einem Jahrzehnt wäre das noch undenkbar gewesen. Portugiesische Schuhfabrikanten produzierten in den 1980er- und 1990er-Jahre für internationale Unternehmen, ohne an der Wertschöpfung der Qualitätsprodukte wirklich beteiligt zu sein. Die Krise in Teilen der portugiesischen Schuh- und Textilindustrie brach mit der EU-Osterweiterung und dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation aus. Portugal als Billigproduktionsland war nicht mehr gefragt.
    Miguel Frasquilho, der Präsident der portugiesischen Außenhandelskammer AICEP, betont, dass die portugiesischen Unternehmen aus dieser Erfahrung gelernt hätten:
    "Niemand wünscht sich eine Krise, wie wir sie erlebt haben. Aber sie ist nun einmal passiert. Wir hatten zwei Möglichkeiten: Entweder resignieren oder die Ärmel hochkrempeln und unsere Hausaufgaben machen. Und was war zu tun? Wir mussten auf den Export setzen, um den Verlust auszugleichen, der auch mit dem Wegbrechen des nationalen Marktes entstanden war."
    Die Schuhindustrie musste sich neu erfinden. Viele Betriebe, die am alten Produktionsmodell festhielten, gingen Pleite. Neue Unternehmen entstanden. Paulo Gonçalves, Sprecher des Verbandes der portugiesischen Schuhproduzenten, weist daraufhin, dass die Umstrukturierung bereits vor knapp 15 Jahren begann. Für einen Großteil der Produzenten sei das neue Geschäftsmodell aber Neuland gewesen.
    "Die Betriebe mussten nun viel mehr investieren. Sie mussten neue und sehr hochwertige Anlagen und Maschinen kaufen, an internationalen Messen teilnehmen, ihre eigenen Marketing- und Kommunikationsstrategien entwickeln, und an den Vertrieb und an die Marke denken und eng mit den Designern zusammenarbeiten. Dieses Geschäftsmodell ist viel komplexer und arbeitsaufwendiger, aber es ist der einzige Weg, der uns bleibt."
    Der Erfolg kann sich sehen lassen. Die portugiesische Schuhindustrie, die mittlerweile wieder über 35.000 Arbeitnehmer beschäftigt, konnte ihre Wertschöpfung in den vergangenen drei Jahren um 30 Prozent steigern. Mittlerweile gehen rund 95 Prozent der portugiesischen Schuhe ins Ausland. Portugals Wirtschaft geht einen ähnlich erfolgreichen Weg. Zwischen 2008 und 2013 stieg die Exportquote von 28 auf 41 Prozent. Für Miguel Frasquilho ist der Export einer der entscheidenden Faktoren, damit Portugal weiter wachsen kann.
    "Wir haben noch viele Aufgaben zu erledigen, aber einiges ist schon getan worden. Portugal ist heute ein wettbewerbsfähigeres Land, das sich stärker in den Weltmarkt integriert. Der Export hat kräftig zugelegt, und zwar nicht nur in der Schuhindustrie, sondern auch in bei der Fahrzeugproduktion, im Textilbereich, in der Plastik- und in der Gummiproduktion und im Nahrungsmittelbereich."