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Portugal
Sparen im Zeichen des Wahlkampfs

Noch sind es einige Monate bis zur den Parlamentswahlen in Portugal, aber der Wahlkampf hat bereits begonnen. Die konservative Regierung und die Sozialisten haben Ideen vorgestellt, wie das Land künftig Wirtschaftswachstum und Haushaltskonsolidierung vereinbaren soll. Alle Parteien wollen strikten Sparkurs verlassen, allerdings in unterschiedlichem Tempo.

Von Tilo Wagner |
    Blick auf Lissabon, die Hauptstadt Portugals
    In Portugal bestimmt die Wirtschaftskrise den Wahlkampf (picture alliance / Klaus Rose)
    Fünf Monate vor den Parlamentswahlen in Portugal ist der Wahlkampf bereits ausgebrochen. Sowohl die konservative Regierung als auch die Sozialisten haben in den vergangenen Tagen ihre Ideen vorgestellt, wie Portugal in den kommenden Jahren Wirtschaftswachstum und Haushaltskonsolidierung miteinander vereinbaren sollte.
    Premierminister Pedro Passos Coelho will bis 2019 die Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst und eine spezielle Einkommenssteuer zurücknehmen. Zudem möchte die Regierung vor allem Steuern und Sozialabgaben für die Unternehmen senken.
    Das Motto ist klar: Portugal soll langsam und unter höchster Vorsicht den Sparkurs verlassen, den die Mitte-rechts-Koalition nach dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise vor über drei Jahren eingeschlagen hatte. Für die Rentner zeichnet sich jedoch keine finanzielle Verbesserung ab.
    Reform der Rentenkassen erforderlich?
    Im Gegenteil: Passos Coelho will im Sozialversicherungssystem weitere 600 Millionen Euro einsparen. In der Vergangenheit hatte das Verfassungsgericht die Regierungspläne immer wieder durchkreuzt. Deshalb forderte der Premierminister im Parlament die Opposition auf, die Reform der Rentenkassen gemeinsam zu stemmen:
    "Wir haben ein Problem im Sozialversicherungssystem und vor allem bei den Renten. Alle Parteien wissen, was ich meine. Aber es gibt einen Unterschied: Die Regierung will das Problem jetzt lösen, aber die Sozialisten scheinen auf das Ergebnis der Parlamentswahlen warten zu wollen, bevor sie das Problem anerkennen."
    Die Frage, wie stabil das portugiesische Rentensystem wirklich ist, beschäftigt die Finanzprofessorin Teresa Garcia seit Jahren. Sie widerspricht dem Premierminister. Nach der Reform der Sozialversicherung im Jahr 2007 gäbe es eigentlich keinen Grund, bei der Altersversorgung weiter zu kürzen. Garcia verweist darauf, dass es ausgerechnet die Regierenden sind, die das Rentensystem infrage stellen:
    "Die Geldreserven der Sozialversicherung wurden in den vergangenen Jahren von fast allen Regierungen dafür benutzt, das Haushaltsdefizit zu senken, insbesondere beim Beitritt Portugals zum Euroraum Ende der 1990er-Jahre. Und auch diese Regierung hat zur Destabilisierung des Systems beigetragen: Denn die Sozialkasse kann jetzt verpflichtet werden, ihre Reserven zu 90 Prozent in Staatsanleihen zu investieren, die, wie wir wissen, nicht risikofrei sind. Das Dilemma ist: Wenn die Sozialversicherung über Geldreserven verfügt, besteht immer das Risiko, dass sie zweckentfremdet von den Politikern eingesetzt werden."
    Auf die angebliche Finanzierungslücke in den Rentenkassen gingen die Sozialisten gar nicht ein, als sie Anfang der Woche ihre Wirtschaftspläne vorstellten. Der Spitzenkandidat der Sozialisten António Costa, der sich nach seinem Rücktritt als Oberbürgermeister Lissabons ganz auf den Wahlkampf konzentriert, lässt keinen Zweifel. Das Ende des Sparkurses in Portugal ist in Sicht:
    "Unsere Wirtschaftsstudie zeigt, dass wir keine Renten mehr kürzen müssen, die zusätzliche Einkommenssteuer abschaffen und die Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst sehr viel schneller zurücknehmen können. Portugal wird in Kürze wieder zur Normalität zurückkehren."
    Sozialisten wollen Bürger mehr Geld in die Hand geben
    Die Sozialisten glauben an ein einfaches Prinzip: Wenn sie den Bürgern wieder mehr Geld in die Hand geben, geben diese mehr Geld aus, die Wirtschaft wächst stärker als angenommen und der Staat nimmt dadurch wieder mehr Steuergelder ein. Doch dieses Modell hat auch seine Risiken, sagt der Wirtschaftsprofessor João César das Neves:
    "Diese Ideen hätten sicherlich eine Wirkung auf die Wirtschaft, aber wahrscheinlich sehr viel geringer, als dass die Sozialisten errechnen. Denn sowohl die Konsumenten als auch die Unternehmen sind weiter sehr hoch verschuldet. Ein Teil des Geldes würden sie verwenden, um Schulden zu tilgen und nicht, um mehr zu konsumieren. Und dann gibt es noch ein anderes Risiko: Wenn der Staat wieder mehr ausgibt, aber kein größeres Wachstum generieren kann, könnte Portugal wieder das Vertrauen verlieren, das es sich gerade zurückgewonnen hat: Sowohl auf den internationalen Finanzmärkten als auch bei den portugiesischen Unternehmen, die sich mittelfristig wieder auf höhere Steuern einstellen müssen. Das heißt, es gibt eine Reihe von Gefahren, die mit einem Wirtschaftsprogramm verbunden sind, das die Staatsausgaben wieder erhöhen will."
    Die konservative Regierung warnt davor, den Sparkurs in Portugal so schnell zu beenden, wie es die Opposition plant. Sie verweist darauf, dass es die Sozialisten waren, die Portugal vor vier Jahren in den Bankrott geführt hätten.
    Die Portugiesen wird die Auseinandersetzung zwischen den beiden großen Volksparteien in den nächsten Wochen weiter beschäftigen. Und vielen ist jetzt schon klar: Die Frage, wer die Schuld an der Finanzkrise, der hohen Arbeitslosigkeit und der wachsenden Armut hält, lässt sich genauso schwer beantworten wie die Frage, wie Portugal endgültig aus der Krise herauskommen kann.